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Besuch im Weißen Haus:Merz hat trainiert für Trump
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Der Bundeskanzler ist "still" eingetroffen in Washington, wie das protokollarisch heißt: zur Landung nur begrüßt von der Deutschen Botschaft und dann ins Blair House chauffiert.
Das Blair House liegt gleich gegenüber dem Weißen Haus, die Übernachtung dort ist ein Privileg für Friedrich Merz, denn es ist das Gästehaus des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Kanzler ist von Donald Trump dorthin eingeladen worden und nur deshalb schon zur Nacht angereist. Den Gastgeber wird er erst heute sehen, am eigentlichen Besuchstag.
Merz hat etliche Ratschläge bekommen für seine erste Begegnung mit Trump. Per Mail, SMS oder telefonisch erreichten ihn Hinweise internationaler Kollegen, die ihre Feuerprobe schon hinter sich haben im Oval Office. Tenor aller Tipps: ruhig bleiben, freundlich bleiben, ausreden lassen.
Kanzler Friedrich Merz hofft auf ein erfolgreiches Treffen in den USA mit US-Präsident Donald Trump.
Quelle: dpa
Training mit Videos von Oval Office-Treffen
Der Bundeskanzler hat auf seine Weise trainiert für Trump. Er hat sich Treffen angeschaut, die für den Gast desaströs verliefen. Bei Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa hat Merz vor seiner Reise eigens angerufen und erfahren, es sei gar nicht so deprimierend gewesen wie es schien.
Merz hat sich auch ein freundlich verlaufenes Oval Office-Treffen auf YouTube aufgerufen. Bei jenem - mit dem so fröhlich wirkenden Nato-Generalsekretär Mark Rutte - konnte er sehen, dass Trump fast nur selbst sprach. Also: ausreden lassen...
Aber was, sollte Trump plötzlich einen Vortrag halten wie bei Ramaphosa? Diesmal über seiner Meinung nach mangelnde Meinungsfreiheit in Deutschland? Und möglicherweise per PowerPoint als sein Beispiel den Umgang mit der AfD präsentieren? Auch für einen solchen Fall gilt der Kanzler als präpariert. Denn niemand von seiner Delegation scheint irgendwelchen protokollarischen Vorgaben zu trauen, nicht einmal Zeitpläne scheinen verlässlich. Bei Trump scheinen sie nichts auszuschließen.
Wichtige Gesprächsthemen: Nato, Ukraine, Zölle
Der für mittags geplante Oval Office Part gilt Merz nur als Show. Für wichtiger hält er wohl den für eine Stunde angesetzten Lunch mit dem Präsidenten. Dafür hat er drei wichtige Themen im Gepäck: Nato, Ukraine und Zölle, das mutmaßlich für ihn schwierigste. Merz ist Freihändler, mag eigentlich gar keine Zollbarrieren, in die Trump jedoch geradezu verliebt ist.
Am leichtesten könnte es beim Thema Nato laufen. Die Bundesregierung sieht sich im Bündnis als Vorreiter für das Fünf-Prozent-Ziel, das Tump gemessen am Bruttoinlandsprodukt als Wehretat verlangt. Dass Deutschland hier splittet in 3,5 Prozent für Rüstung und 1,5 Prozent für Infrastruktur scheint bislang okay zu sein für die US-Regierung.
Sekundärsanktionen für Russland geplant
Das schwammigste Thema ist der Umgang mit der Ukraine. Was will Trump? Dessen jüngstes Telefonat mit Putin brachte dem Kanzler wenig Klarheit. Hoffnung macht der deutschen Seite, dass der republikanische Senator Lindsey Graham eine vetosichere Mehrheit im Senat organisiert hat für Sekundärsanktionen. Konkret: Jedes Land, das noch Öl von Russland kauft - wie vor allem China -, soll auf eigene Waren mit Zöllen von 500 Prozent Zoll bestraft werden. Trump liebt ja Zölle, aber wird er das auch umsetzen?
Da man mit nichts rechnen kann bei Trump und auf alles gefasst sein muss, versucht der Kanzler die Erwartungen an seinen ersten Besuch herunterzuschrauben. Es gehe hier wirklich erst einmal nur um ein Kennenlernen.
Öffentlich äußern zu diesem First Date will sich der Kanzler erst, wenn alles hinter ihm liegt. Da wird es in Deutschland schon fast wieder dunkel sein und der Regierungs-Airbus startklar zum Rückflug durch die transatlantische Nacht.
Wulf Schmiese ist stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios.
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