Brasiliens Präsident Lula wird 80: Verehrt und ambivalent

Lula wird 80:Brasiliens Präsident: Verehrt und ambivalent

Porträt von Christoph Röckerath, ZDF-Auslandsstudioleiter Rio de Janeiro

von Christoph Röckerath, Rio de Janeiro

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Lula da Silva könnte der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens mit vier Amtszeiten werden. Dass Lula, der heute 80 wird, so weit gekommen ist, grenzt an ein Wunder.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (Archivfoto)

Lula da Silva hat vor wenigen Tagen angekündigt, dass er im kommenden Jahr wieder als Präsident kandidieren will.

Quelle: AFP

Runde Geburtstage sind ein guter Anlass, grundsätzlich zu werden. "Ich werde jetzt 80, aber ich habe die gleiche Energie wie mit 30", sagte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit seiner rauen Stimme und dem charakteristischen Lispeln, am Donnerstag in Indonesien. Er kündigte an, im nächsten Jahr für eine vierte Amtszeit kandidieren zu wollen. Sollte er gewinnen, wäre er der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens mit vier Amtszeiten.

Aus der Lehmhütte in den Präsidentenpalast

Dass Lula, wie er seit Kindertagen genannt wird, so weit gekommen ist, grenzt an ein Wunder, in einem Land mit großen Ungleichheiten, in dem die Verhältnisse, in die man hineingeboren wird, oft die Zukunft vorgeben.

Geboren am 27. Oktober 1945 als siebtes von acht Kindern in einer Lehmhütte im armen Nordosten Brasiliens, waren seine Chancen denkbar schlecht. Seine Eltern waren Analphabeten, Schulbildung bekommt er zunächst kaum. Schon mit acht Jahren arbeitet er als Schuhputzer. Als Teenager macht er in der Nähe von São Paulo seine Ausbildung als Metallfacharbeiter und beginnt, sich in der Gewerkschaft zu engagieren.

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Bekannt für sein Charisma und seine leidenschaftlichen Reden, steigt er schon bald in den Rängen auf. Mit 30 wird er zum Chef der Metallarbeitergewerkschaft gewählt und vertritt fortan rund 100.000 Arbeiter. In Brasilien regiert das Militär. Lula wird mit gut organisierten Streiks zu einem der Gesichter des Widerstands. Die Arbeiteraufstände tragen maßgeblich zur Demokratisierung Brasiliens bei.

Präsident der Armen und ein Korruptionsskandal

Mit dem Ende der Diktatur gründet Lula die Arbeiterpartei PT. Nach drei gescheiterten Versuchen wird er 2002 Präsident und regiert zwei Amtszeiten lang. Er verändert Brasilien tiefgreifend: Sozialprogramme holen Millionen aus Hunger und Armut, das Bruttosozialprodukt verdreifacht sich. Viele Schwarze, die vorher besonders benachteiligt waren, besuchen die Universitäten. Hausangestellte bekommen Arbeitsrechte. Viele Menschen verehren ihn dafür bis heute.

In seine Amtszeit fällt aber auch der milliardenschwere Korruptionsskandal rund um den Ölkonzern Petrobras mit Bauprojekten, Geldwäsche und Parteispenden. Lulas persönliche Schuld wird nie ganz geklärt. Kurz vor der Präsidentschaftswahl 2018 wird er angeklagt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach 580 Tagen in Haft kommt er frei, wegen Formfehlern wird das Urteil aufgehoben.

2022 gewinnt er erneut die Präsidentschaftswahl - gegen den ultrarechten Jair Bolsonaro, der später wegen Putschplänen verurteilt wird.

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Auch beim Umweltschutz ist sein Kurs ambivalent. Zwar gründet er ein Ministerium für Indigene und erklärt Null-Abholzung zum Ziel, gleichzeitig boomen Bergbau und Ölförderung, sogar im Amazonas-Delta.

Brasilien bleibt politisch tief gespalten. Die große soziale Ungleichheit prägt weiter das Land. Mit zunehmendem Alter scheint Lula umso entschlossener, unbeirrbar seinen eigenen Kurs durchzusetzen. Widerstand, etwa aus dem von der Rechten dominierten Kongress ficht ihn nicht an. Aber anders wäre er wohl kaum so weit gekommen.

Kurs gegen Trump bringt Lula Sympathien

Als US-Präsident Donald Trump mit Strafzöllen Druck auf die brasilianische Justiz ausüben will, um Bolsonaro zu schützen, stellt sich Lula entschieden dagegen - und gewinnt damit erneut die Sympathien vieler Brasilianer.

Trump schimpft zunächst, zeigt sich nach einem Telefonat aber versöhnlicher - als wäre er dem zupackenden Charme des alten Gewerkschaftlers erlegen. Nach einem Treffen am Sonntag äußert sich Trump optimistisch bezüglich eines "Deals". Im Zollstreit stehen nun Tarifverhandlungen zwischen den beiden an, fast so wie früher bei der Gewerkschaft.

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