Beraterkreis der Ministerin:Wirtschaft: Die Fünf-Punkte-Kur für Deutschland
Seit Jahren stagniert die deutsche Wirtschaft. Führende Ökonomen legen nun eine Wachstumsagenda vor. Mit einem brisanten Vorschlag: Arbeiten bis ins höhere Alter.
Deutschlands Wirtschaft stagniert: Ökonomen legen Fünf-Punkte-Plan für Wachstum vor (Symbolfoto).
Quelle: Imago"Die deutsche Wirtschaft stagniert seit dem Jahr 2021", heißt es in der "Wachstumsagenda für Deutschland", die der wissenschaftliche Beraterkreis von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche am Montag vorgelegt hat. Während die Wirtschaftsleistung in den USA seit 2019 um über zwölf Prozent und in den Niederlanden sowie Dänemark um neun Prozent gestiegen sei, habe Deutschland kaum zugelegt.
Zu wenig Innovation, zu viel Regulierung, ein überlasteter Sozialstaat. So beschreiben die Ökonomen Veronika Grimm, Justus Haucap, Stefan Kolev und Volker Wieland die Probleme.
Offensichtlich haben die Volkswirtschaften anderer Länder den Strukturwandel der vergangenen Jahre besser gemeistert.
Erklärung der Ökonomen
Die Lage der deutschen Wirtschaft bleibt angespannt - viele Unternehmen beklagen Auftragsrückgänge, müssen Stellen streichen. Der erhoffte Aufschwung bleibt bislang aus.
05.10.2025 | 4:34 minÖkonomen: Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit
Deutschland verliere an Wettbewerbsfähigkeit, weil Ideen zu selten umgesetzt und Unternehmen durch Bürokratie gebremst würden. Die Forschenden sprechen von einem "Technologiedefizit" bei Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und moderner Industrie.
Hinzu kämen hohe Sozialausgaben. Das Ergebnis sei ein Land, das "den Strukturwandel eher bremst als gestaltet".
Das Gutachten wurde von einer Gruppe Wirtschaftsexpertinnen und -experten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geschrieben. Dieses Gremium berät die Regierung unabhängig. Ziel des Papiers ist es, dem Ministerium Wege aufzuzeigen, wie Deutschland seine Wirtschaft langfristig stärken kann.
Zum wissenschaftlichen Beraterkreis gehören:
- Prof. Dr. Veronika Grimm: Professorin an der Technischen Universität Nürnberg (UTN) und Mitglied im Rat der "Wirtschaftsweisen"
- Prof. Dr. Justus Haucap: Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, früher Chef der Monopolkommission
- Prof. Dr. Stefan Kolev: Wissenschaftlicher Leiter des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft in Berlin
- Prof. Dr. Volker Wieland: IMFS-Stiftungsprofessor für Monetäre Ökonomie an der Goethe Universität Frankfurt, geschäftsführender Direktor des Institute for Monetary and Financial Stability und ehemaliges Mitglied der Wirtschaftsweisen
Quelle: ZDF
Die Therapie: Fünf Hebel für Wachstum
Fünf zentrale Hebel sollen helfen, das Wirtschaftswachstum Deutschlands langfristig zu stärken:
1. Innovation und Reallokation
Reallokation bedeutet, dass Arbeitskräfte, Kapital und Ideen von alten in neue Bereiche wechseln - dorthin, wo sie mehr bewirken. Nicht alle Branchen wüchsen gleich schnell und manche verlören an Bedeutung, so die Autoren. Sie fordern: "Strukturwandel zulassen statt aufhalten."
Die Anzahl der Deutschen, die an einen Wirtschaftsaufschwung durch die aktuelle Bundesregierung glaubt, sinkt. Das zeigen die Zahlen des aktuellen ZDF-Politbarometer.
02.10.2025 | 1:14 min2. Staatliche Investitionen gezielt einsetzen
Geld des Staates soll in Zukunftsprojekte fließen statt in kurzfristige Ausgaben. Höhere Renten oder zusätzliche Sozialleistungen brächten wenig, wenn sie keine dauerhaften Werte schaffen. Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Forschung dagegen sollen die Wirtschaft langfristig stärken.
Ausschreibungen müssten Wettbewerb fördern und jungen Unternehmen Chancen geben. Beim Verteidigungsetat plädieren die Autoren für mehr Dual-Use-Technologien, also militärische Forschung, die auch zivile Innovationen anstößt.
3. Systematische Deregulierung
Der Beraterkreis fordert eine "innovationsfreundliche Regierungskultur". Neue Regeln sollen nur eingeführt werden, wenn ihr Nutzen klar belegt ist. Besonders wachstumshemmend seien Datenschutzauflagen, das Lieferkettengesetz und EU-Taxonomie.
4. Sozialsysteme reformieren: länger arbeiten und später in Rente
Hier wird das Gutachten besonders deutlich: Das Renteneintrittsalter soll an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden.
Wir werden mehr arbeiten müssen, wenn wir den Umfang der Sozialversicherungen bewahren wollen, ohne zeitgleich den nachfolgenden Generationen noch mehr Lasten zu hinterlassen.
Erklärung der Ökonomen
In Berlin berät das Kabinett Merz über Reformen. Ein Ziel: mehr Wettbewerbsfähigkeit. Trotz schlechter Umfragen und Finanzlage soll ein Neustart gelingen.
30.09.2025 | 2:34 minDamit lösen sie heftige Reaktionen aus. Die IG Metall nennt ein höheres Rentenalter "illusorisch". Viele Beschäftigte könnten ihre Jobs schon heute kaum bis zur aktuellen Grenze ausüben, so Vorstand Hans-Jürgen Urban. Er fordert bessere Arbeitsbedingungen, damit Arbeiten überhaupt bis zur heutigen Regelaltersgrenze möglich sei.
Sozialleistungen sollten so gestaltet sein, dass sie Menschen stärker motivieren, wieder zu arbeiten. Dafür schlagen die Autoren konsequentere Sanktionen und mehr Sach- statt Geldleistungen vor.
5. Europäische Integration vertiefen
Die Experten sprechen sich dafür aus, die Zusammenarbeit in Europa zu stärken. Wenn durch eine Kapitalmarktunion Finanzmärkte besser verbunden seien und Energiesysteme gemeinsam genutzt würden, könnten Kosten sinken und Innovationen leichter entstehen.
Erstmals hat eine Bundesregierung die Gesamtkosten der Energiewende unter die Lupe genommen. Wirtschaftsministerin Reiche will andere Schwerpunkte setzen. Bremst sie Erneuerbare aus?
21.09.2025 | 3:39 minReiche für entschlossenen Reformwillen
Auch Wirtschaftsministerin Reiche erkennt die Notwendigkeit für Veränderung. Die Bundesregierung habe bereits erste Schritte wie Steuerentlastungen und Bürokratieabbau unternommen, so Reiche.
Doch das allein reicht nicht. Es braucht weiterhin entschlossenen Reformwillen. Das Gutachten liefert dafür wichtige Impulse.
Katherina Reiche, Wirtschaftsministerin
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte einen "Herbst der Reformen" angekündigt. Er will an Rente und Pflegeversicherung schrauben. Der Herbst ist nun da, jetzt braucht es Tempo in der Politik.
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