Konkurrenz auf marodem Netz?:Fernverkehr: Italienische Bahnkonzerne auf Deutschland-Kurs
von Eva Schmidt
Italienische Bahnkonzerne wollen dem ICE Konkurrenz machen. Aber was bringt mehr Wettbewerb auf einem Schienennetz, auf dem ohnehin jeder zweite Zug verspätet ist?
Expansionspläne von Trenitalia und Italo: Züge italienischer Bahnunternehmen könnten bald auch im deutschen Fernverkehr rollen, berichten Medien.
Quelle: ImagoDie italienische Staatsbahn Trenitalia und das private Unternehmen Italo wollen offenbar in den deutschen Fernverkehr einsteigen. Das berichten übereinstimmend verschiedene deutsche Medien. Die Bahnunternehmen haben das zwar gegenüber ZDFheute noch nicht bestätigt, aber Dirk Flege vom Verkehrsbündnis "Allianz pro Schiene" geht davon aus, dass es "mehr als ein Gerücht" ist.
Trenitalia habe im EU-Amtsblatt die Beschaffung von Zügen für den Fernverkehr ausgeschrieben, er rechne daher "mit einem ernsten und ernstzunehmenden Interesse". Es werde aber wohl noch bis Ende des Jahrzehntes dauern, bis die Wettbewerber tatsächlich auf der Schiene sein könnten, so die Einschätzung von Flege gegenüber ZDFheute.
Wenn es im deutschen Schienennetz hakt, dann hat das gravierende Folgen. Einige Zahlen und Fakten zum Schienennetz.
18.09.2025 | 1:06 minFür Fahrgäste sei das eine gute Nachricht, vor allem in Hinblick auf die Preise, erklärt Detlef Neuß vom Fahrgastverband "Pro Bahn": "Konkurrenz belebt das Geschäft". Allerdings fordert er im Sinne der Bahnkunden verbindliche Regelungen:
Was ist, wenn man mal hängenbleibt, weil es keine Anschlüsse mehr gibt? Es sollte klar sein, dass die Fahrgäste dann mit der Deutschen Bahn weiterkommen und dafür nicht noch einmal zahlen müssen.
Detlef Neuß, Fahrgastverband "Pro Bahn"
Konkurrenz für die Deutsche Bahn - trotz marodem Netz und teuren Trassen
Der Fernverkehr in Deutschland ist zu 95 Prozent fest in Hand der Deutschen Bahn, die verbliebenen Anteile bedient Flixtrain. Der Anbieter ist zwar günstig, aber im Hinblick auf Komfort der Züge und Auswahl der Strecken kein ernstzunehmender Konkurrent. Der Einstieg weiterer Anbieter wie der beiden italienischen Unternehmen Italo und Trenitalia könnte den Markt aufmischen.
Verspätungen, Signalstörungen, Gleise in schlechtem Zustand. Mit der neuen Chefin Evelyn Palla suggeriert die Politik, sie könne die Zustände bei der Deutschen Bahn wesentlich verbessern. Stimmt das?
02.11.2025 | 4:01 minAllerdings: Das Streckennetz in Deutschland ist stark sanierungsbedürftig, wie Neuß betont. "Die Verspätungen liegen an den Trassen, nicht an den Zügen."
Ich halte das daher für keinen guten Zeitpunkt für den Einstieg in den deutschen Markt.
Detlef Neuß, Fahrgastverband "Pro Bahn"
Hinzu kommen die im europäischen Vergleich sehr hohen Trassenpreise in Deutschland. Eine Strecke wie Hamburg-München liegt momentan bei etwa 10.000 Euro - pro Fahrt. Das hat bislang den Einstieg in den deutschen Markt für viele Wettbewerber aus dem Ausland uninteressant gemacht. Aber der Wind dreht sich inzwischen, weil der Flugverkehr innerhalb Deutschlands zugunsten der Bahn auf dem Rückzug ist.
Fernverkehr: Ausländische Anbieter wittern Chance
Das Image der Deutschen Bahn ist schlecht. Während der Fußball-Europameisterschaft 2024 hagelte es Hohn und Spott aus dem Ausland über das deutsche Bahnchaos. Inzwischen schaltet das Unternehmen Werbespots mit der Komikerin Anke Engelke als Zugchefin Tina, deren Alltagsherausforderungen Bahnkunden bestens bekannt sind: Kaputte Türen, verpasste Anschlüsse, entnervte Kunden.
Fernzüge mit Imageproblem: Im ersten Halbjahr war mehr als ein Drittel der Fernzüge zu spät - damit verfehlt die Bahn erneut ihr Pünktlichkeitsziel. Als unpünktlich gilt eine Verspätung ab sechs Minuten.
30.06.2025 | 0:20 minRiskieren Bahnkonzerne aus dem Ausland nicht sogar einen Imageschaden, wenn sie sich auf den deutschen Markt einlassen?
Was wir im Moment angesichts der schlechten Pünktlichkeitswerte noch als aberwitzig empfinden, kann mittelfristig unternehmerisch eine kluge Entscheidung sein.
Dirk Flege vom Verkehrsbündnis "Allianz pro Schiene"
Flege zeigt sich zuversichtlich, dass in den kommenden fünf Jahren das Schienennetz in einem deutlich besseren Zustand sein wird als heute. "Der Staat investiert schließlich Rekordsummen."
Im Nahverkehr mischen italienische Anbieter längst mit
Im Fernverkehr gibt es in Deutschland anders als in anderen europäischen Ländern bislang kaum Wettbewerb. Beim Güter- und Nahverkehr sieht es allerdings anders aus, da ist Deutschland bereits sehr international aufgestellt - auch wenn es nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist.
Trenitalia als italienische Staatsbahn ist mit ihrer Tochter Netinera schon quer durch Deutschland unterwegs. Unter dem Markennamen "Metronom" ist Netinera beispielsweise in Norddeutschland mit Regionalzügen vertreten und unter "Vlexx" in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Ein Grund: Der Nahverkehr ist anders organisiert als der Fernverkehr, er wird überwiegend von Kommunen und Ländern finanziert. Sie müssen die Linien und Verkehrsnetze europaweit ausschreiben.
Eva Schmidt ist Redakteurin in der ZDF-Hauptredaktion WIRSSUM.
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