Industrie sucht Synergien:Wie zivile Firmen die Rüstungsindustrie stärken sollen
von Anne Sophie Feil
Zivile Unternehmen sollen als Zulieferer die Rüstungsproduktion in Deutschland erhöhen. Die Regierung setzt dafür auf eine neue Plattform und gemeinsame Lieferketten.
Die deutsche Industrie steckt in der Krise, doch die Rüstungsbranche boomt. Wirtschaftsministerin Reiche fordert, industrielle Stärken stärker mit dem Rüstungsbedarf zu verbinden.
02.12.2025 | 1:19 minGPS, das globale Navigations-Satellitensystem, wurde ursprünglich für das US-Militär entwickelt und hilft heute jedem Smartphone-Nutzer bei der Orientierung. Auch das Internet entstand ursprünglich für das Militär, heute kommt kaum noch jemand ohne aus. Solche "Dual-Use-Effekte", also technische Entwicklungen, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden, will die Bundesregierung künftig fördern.
Verteidigungsminister Boris Pistorius und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche luden am Dienstag Vertreter der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie der Autobranche und deren Zulieferer ein. Ziel ist, die Zusammenarbeit zwischen Rüstungskonzernen und zivilen Industriezweigen zu vertiefen und die Produktion zu erhöhen.
Schwache Industrie, starke Rüstungsnachfrage
Dem neuen Industriebericht des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zufolge dürfte die deutsche Industrieproduktion in diesem Jahr um zwei Prozent schrumpfen. Damit würde sie das vierte Jahr in Folge zurückgehen. "Das ist keine konjunkturelle Delle, sondern ein struktureller Abstieg", warnt BDI-Präsident Peter Leibinger.
In der Rüstungsbranche zeigt sich dagegen ein anderes Bild. Laut Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungstechnologie (BDSV), muss die Branche ihre Produktion deutlich hochfahren. Die Hersteller brauchen zusätzliche Fertigungskapazitäten, Fachkräfte und Bauteile, um bestehende und neue Aufträge abzuarbeiten.
Nach Angaben des Friedensforschungsinstituts Sipri steigerten die 100 größten Rüstungskonzerne ihre Einnahmen 2024 auf 679 Milliarden US-Dollar. Das ist ein Plus von 5,9 Prozent.
01.12.2025 | 0:33 minMatching-Plattform für neue Zulieferer
Die Bundesregierung will diese Lücke mit einer neuen "Matching-Plattform" schließen. Sie soll die Unternehmen aus der Sicherheits- und Verteidigungsbranche besser mit Zulieferern der zivilen Industrie vernetzen.
Atzpodien erklärt, Ziel der Plattform sei, die Nachfrage der Rüstungsindustrie mit dem Angebot Hunderter von Unternehmen aus der zivilen Wirtschaft zu verbinden, die "bei Rüstung mitmachen" wollen. Laut Reiche würde das helfen, "Lieferketten robust und breit aufzustellen" und könne neue Arbeitsplätze schaffen.
Rheinmetall-Chef Papperger glaubt, dass Deutschland in einigen Jahren die stärkste konventionelle Armee Europas bekommen könnte. "Es soll 2029 so weit sein", so Papperger.
06.11.2025 | 0:32 minSynergien zwischen Autozulieferern und Rüstung
"Die Automobilindustrie, um ein Beispiel zu nennen, verfügt über Kompetenzen, die derzeit im Verteidigungsbereich dringend gebraucht werden", so Reiche. "Leichtbau, moderne Antriebstechnologien, Sensorik, Software, hochpräzise Qualitätssicherung, all das lässt sich gezielt auf militärische Anwendungen übertragen", erklärt sie.
Atzpodien warnt dennoch vor zu großer Euphorie: Man dürfe nicht erwarten, dass in traditionellen Rüstungsbereichen wie Panzerbau sofort hohe Stückzahlen produziert werden. Dennoch seien zum Beispiel bei der Fertigung von Drohnen oder einzelnen Rüstungskomponenten höhere Stückzahlen möglich.
Rheinmetall plant in einem umgebauten Automobilwerk in Neuss die Produktion von Satelliten, so Rheinmetall-Chef Papperger. Er ist davon überzeugt, dass es ein "Vorzeigewerk" wird.
06.11.2025 | 0:22 minSchaeffler und Helsing machen den Anfang
Ein erstes solches "Matching" habe sich bereits ergeben, sagte Reiche. Demnach unterzeichneten der Münchner Drohnenhersteller Helsing und der Autozulieferer Schaeffler am Dienstag eine Absichtserklärung. "Schaeffler unterstützt künftig zum Beispiel durch die Bereitstellung von Bauteilen für die Systeme und den Aufbau einer resilienten Lieferkette", so die Ministerin.
Klaus Rosenfeld, CEO der Schaeffler AG, kommentierte, die Kooperation sei "ein erster wichtiger Schritt, um unser Engagement im Verteidigungsbereich auszubauen". Schaeffler setze dabei auf die bewährte Kompetenz und Innovationskraft in der industriellen Fertigung. Rosenfeld sieht darin einen Beitrag zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und zur Sicherung von Beschäftigung.
Die Bundeswehr sei "eine der wichtigsten Streitkräfte unter den europäischen Nato-Partnern", so Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
12.11.2025 | 6:39 minGemeinsame Rohstoffbeschaffung
Ein weiterer Ansatzpunkt ist laut Pistorius die gemeinsame Rohstoffbeschaffung. Der Verteidigungsminister erklärte: "Häufig greifen die Unternehmen auf die gleichen Rohstoffe im Ausland zurück, ob es seltene Erden sind oder chemische Vorprodukte." Doch bisher arbeiteten Rüstung und zivile Industrie dabei vorwiegend parallel.
Künftig sollen sich diese Firmen "weniger getrennt voneinander, sondern gemeinsam um diese begehrten Rohstoffe bemühen", so Pistorius. Ein gemeinsamer Einkauf größerer Mengen könnte die Marktmacht deutscher Firmen stärken.
Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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