Autoindustrie in der Krise:Rasanter Jobabbau - begrenzte Perspektiven
In nur einem Jahr verlor die deutsche Autoindustrie über 50.000 Stellen. Auch viele Ingenieure sind betroffen und müssen sich umorientieren. Doch die Alternativen sind begrenzt.
Die Bundesregierung wollte die Wirtschaft ankurbeln – doch die Realität sieht anders aus. Besonders in der Autobranche schrumpfen die Arbeitsplätze, fast sieben Prozent gingen binnen eines Jahres verloren. Saadet Czapski fasst die Lage zusammen.
26.08.2025 | 1:31 minDie deutsche Autoindustrie erlebt den größten Stellenabbau seit Jahren. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft EY wurden innerhalb eines Jahres rund 51.500 Arbeitsplätze gestrichen. Das entspricht fast sieben Prozent der gesamten Branche. Keine andere Industrie ist so stark betroffen. Insgesamt sank die Zahl der Industriebeschäftigten in Deutschland zur Jahresmitte um 114.000 auf 5,42 Millionen.
Produktionsverlagerungen kosten Jobs
Die Gründe sind vielfältig: schwache Nachfrage, Konkurrenz aus China, hohe Energiepreise, der Umstieg zur E-Mobilität und die von den USA verhängten Autozölle. Herausforderungen, die Autobauer wie Volkswagen und Mercedes-Benz sowie Zulieferer wie Bosch und ZF zu Sparprogrammen samt Stellenabbau zwingen.
Horst Ott, Vorsitzender der IG Metall Bayern, warnt:
Große Zulieferer verlagern Produktion ins Ausland und hier laufen in absehbarer Zeit die Produktlinien der Werke leer.
Horst Ott, IG Metall Bayern
Auffällig ist aus seiner Sicht, "dass auch Betriebe, bei denen es gut läuft, Produktion und Jobs verlagern wollen". Darauf deute eine Betriebsräteumfrage der Gewerkschaft hin.
Die Krise der deutschen Autoindustrie hat sich durch Trump noch einmal verschärft. Die Ursachen für die Gewinneinbrüche liegen jedoch woanders: China macht Druck.
30.04.2025 | 2:33 minAuch Ingenieure müssen sich umorientieren
Anders als früher würden inzwischen auch Forschung und Entwicklung ins Ausland verlagert. "Früher hat der Jobabbau vor allem Angelernte getroffen - heute trifft er auch Ingenieure", sagt Ott.
EY-Studienautor Jan Brorhilker beobachtet: "Die Automobilindustrie und der Maschinenbau stellen heute deutlich weniger junge Menschen ein als in den vergangenen Jahren. Der Arbeitsmarkt etwa für junge Ingenieure wird ungemütlich, viele werden sich neu orientieren müssen."
Wir werden eine steigende Arbeitslosigkeit bei Hochschulabsolventen sehen - etwas, das es in Deutschland lange nicht gab.
Jan Brorhilker, Mitglied der Geschäftsführung EY Deutschland
Die anhaltende Krise in der Automobilindustrie trifft Baden-Württemberg hart. Viele Unternehmen suchen nach neuen Geschäftsfeldern – und entdecken die Rüstungsindustrie als Alternative.
15.07.2025 | 7:31 minBrorhilker zufolge wird sich der Stellenabbau in der deutschen Industrie zunächst fortsetzen: "Bei einigen großen Industrieunternehmen laufen derzeit Kostensenkungs- und Restrukturierungsprogramme. In den aktuellen Beschäftigungsstatistiken zeigen sich die Auswirkungen dieser Stellenstreichungen erst mit einiger Verzögerung." Im Laufe des Jahres und bis ins kommende Jahr hinein werde die Zahl der Industriejobs daher weiter sinken.
Vom Auto zum Panzer?
Trotz Fachkräftemangels in Deutschland suchen viele Absolventen und erfahrene Beschäftigte neue Wege. Einige orientieren sich in Richtung Verteidigungsindustrie. Dort wächst die Nachfrage, nicht zuletzt wegen höherer Militärausgaben. Laut Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Instituts für Berufliche Bildung (IBB) könnten dort bei weiter steigenden Investitionen bis zu 200.000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Der Rüstungskonzern Rheinmetall weiht sein neues Munitionswerk ein. Dafür werden Vizekanzler Klingbeil, Verteidigungsminister Pistorius und Nato-Generalsekretär Rutte erwartet.
27.08.2025 | 1:34 minAllein Rheinmetall plant bis zu 8.000 Neueinstellungen pro Jahr. Das erklärte der Rüstungsriese im März. Bis 2027 sollen bis zu 40.000 Menschen im Konzern arbeiten, hinzu kämen rund 120.000 Stellen bei Zulieferern. Hensoldt berichtet von einem großen Zulauf an Fachkräften aus der Autobranche, insbesondere in den Bereichen Produktion, Software und Elektrotechnik. "Wir sehen viele Bewerber und profitieren natürlich davon", sagte kürzlich auch Renk-Chef Alexander Sagel dem Sender CNBC.
Nicht jede Qualifikation passt in die Rüstungsindustrie
Doch ob all diese Arbeitsplätze hochspezialisierte Auto-Ingenieure auffangen können, ist offen. Möglicherweise passt nicht jede Qualifikation auch in die Rüstungsindustrie.
Zudem zeigt die EY-Studie: Auch andere Bereiche wie Maschinenbau oder Elektroindustrie bauen Stellen ab. Die Belastungen für den Arbeitsmarkt sind also breiter gestreut. Für die Beschäftigten bedeutet das: Flexibilität, Weiterbildung oder auch die Bereitschaft, Branchen zu wechseln, werden immer wichtiger.
Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen
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