TKMS profitiert von Rüstungsboom:Thyssenkrupp-Tochter übertrifft Erwartungen beim Börsengang
von Anne Sophie Feil
Deutschlands größter Marineschiffbauer TKMS feiert Börsendebüt. Volle Auftragsbücher treiben den Wert der Thyssenkrupp-Tochter zeitweise sogar über jenen des Mutterkonzerns.
Thyssen-Krupp Marine Systems startet an der Börse. Der Rüstungshersteller von U-Booten und Fregatten profitiert vom Aufschwung der Branche, berichtet Valerie Haller aus Frankfurt.
20.10.2025 | 1:44 minEs war ein unerwartet großer Erfolg für Thyssenkrupp Marine Systems, kurz TKMS, an der Frankfurter Börse. Am Montag feierte der Weltmarktführer für nicht-nuklear betriebene Marineboote den Börsengang. Der erste Kurs lag bei 60 Euro, danach stieg die Aktie rasant an und erreichte zeitweise sogar fast 100 Euro.
Durch den Kurssprung überschritt die Bewertung des Rüstungsunternehmens kurzzeitig sogar den Wert des Mutterkonzerns Thyssenkrupp. Mit über fünf Milliarden Euro wird TKMS höher bewertet als Analysten vor dem Börsengang angenommen hatten.
ZDFheute Infografik
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Auftragsrekord durch "Zeitenwende" - Rüstungsindustrie boomt
Der Erfolg des Marineschiffbauers kommt nicht von ungefähr. Die Rüstungsindustrie erlebt seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine einen echten Höhenflug. Auftragsvolumen und Umsätze erreichen Rekordniveaus. Das zeigt sich auch an der Börse. Die Aktie von Renk beispielsweise ist seit Jahresbeginn um 267 Prozent gestiegen, auch die Kurse von Rheinmetall (plus 188 Prozent) und Hensoldt (plus 186 Prozent) haben stark zugelegt.
Auch TKMS verzeichnet ein Auftragsvolumen in Rekordhöhe von 18,6 Milliarden Euro. Damit ist die Werft bis in die frühen 2040er Jahre ausgelastet. Das Unternehmen will seinen Umsatz nach eigenen Angaben um jährlich 10 Prozent steigern. CFO Paul Glaser erklärte am Montag:
Wir haben einen starken Auftragsbestand, es stehen noch weitere Programme an, die wir gewinnen wollen. Und von daher aus einer Position der Stärke heraus, das zu gestalten, ist dann auch unsere Absicht.
Paul Glaser, TKMS-CFO
Thyssenkrupp plant einen radikalen Umbau. Das Unternehmen soll in eine Holding umgewandelt werden, alle Geschäftsbereiche verselbstständigen und für Dritte öffnen, um eine strategische Neuausrichtung zu erreichen.
27.05.2025 | 1:48 minTKMS-CEO Burkhard erhofft sich neue Aufträge aus Kanada
Der Vorstandsvorsitzende Oliver Burkhard kündigte an, noch am Montag gemeinsam mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nach Kanada zu reisen. Dort erhofft sich TKMS neue U-Boot-Aufträge. "Wir sind das maritime Powerhaus in Europa", sagte Burkhard selbstbewusst.
TKMS beschäftigt aktuell rund 9.000 Mitarbeitende. Der Vorstandschef Burkhard, ein ehemaliger Gewerkschafter, verspricht der Belegschaft eine klare Perspektive:
Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten definitiv mehr Beschäftigung sehen, mehr Umsatz, höhere Auftragsbücher.
Oliver Burkhard, TKMS-CEO
Deutschlands größte Stahl-Firma "Thyssenkrupp Steel" will am geplanten Abbau von 11.000 Stellen festhalten. IG Metall kündigte bereits erbitterten Widerstand an.
02.06.2025 | 0:21 minAbspaltung zahlt sich aus
Über die Abspaltung vom Mutterkonzern sagt TKMS-CEO Burkhard: "Die Eigenständigkeit ermöglicht uns künftig, an Agilität und Flexibilität zu gewinnen. Das wird unseren Kunden und unseren Partnern in der Nato bei der dringend nötigen Modernisierung ihrer maritimen Streitkräfte zugutekommen."
Für die Aktionäre von Thyssenkrupp ist die Rechnung aufgegangen: Für je 20 Thyssenkrupp-Aktien wurde ihnen automatisch ein TKMS-Anteilsschein ins Depot gebucht. Ein attraktives Geschäft, denn TKMS plant, 30 bis 50 Prozent des Nettogewinns als Dividende an die Anteilseigner auszuschütten. An dieser Vorgehensweise gibt es allerdings auch Kritik: Während die Allgemeinheit für die hohen Rüstungsausgaben aufkomme, würden die Gewinne privatisiert, so das Argument.
Das Thyssenkrupp-Universum besteht aus zahlreichen Sparten:
Der Bereich ist führender Zulieferer der Automobilindustrie, der zum Beispiel Lenksysteme und Teile für Motoren herstellt. So wie die gesamte Branche steht auch Thyssenkrupps Autosparte unter Druck. Im März gab der Konzern bekannt, 1.800 Jobs abbauen zu wollen, um rund 150 Millionen Euro Kosten zu senken. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2023/2024 betrug 7,5 Milliarden Euro.
Das im Oktober 2023 neu geschaffene Segment bündelt Schlüsseltechnologien zur Dekarbonisierung der Industrie. Dazu gehört Thyssenkrupp Nucera, das Elektrolyse-Anlagen zur Herstellung von umweltfreundlichem Wasserstoff baut. Im Geschäftsjahr 2023/2024 setzte Decarbon Technologies 3,9 Milliarden Euro um.
Thyssenkrupp Material Services ist einer der weltweit größten Händler und Lieferanten für Roh- und Werkstoffe. Sie haben etwa 15.000 verschiedene Artikel im Angebot, dazu gehören alle Arten von Stahl, Metalle, die kein Eisen enthalten, sowie Kunststoffe und Rohstoffe wie Kohle oder Erze. Diese Sparte beliefert Luftfahrt- und Automobilunternehmen sowie die Bauindustrie. Material Services wird als potenzieller Börsenkandidat gehandelt und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2023/2024 einen Umsatz von 12,1 Milliarden Euro.
Die Sparte ist Deutschlands größter Stahlhersteller und produziert Qualitätsflachstahl, der zum Beispiel für den Bau von Autos, Maschinen und Lebensmittelverpackungen gebraucht wird. Aktuell steckt Steel Europe in Schwierigkeiten, weil die USA hohe Zölle auf Stahl verhängen und günstigerer Stahl aus Asien den Markt überschwemmt. Zudem haben die Abnehmerindustrien selbst Probleme, fahren teils ihre Produktion herunter und können daher weniger Stahl einkaufen. Im Geschäftsjahr 2023/2024 setzte Steel Europe 10,7 Milliarden Euro um.
Die Aufzugsparte wurde im Februar 2020 für 17,2 Milliarden Euro verkauft und ist seitdem nicht mehr Teil des Konzerns. TKE ist ein weltweit führendes Unternehmen für vertikalen Transport und urbane Mobilität und erzielte im Geschäftsjahr 2023/2024 einen Umsatz von 9,3 Milliarden Euro.
Die Marinesparte Thyssenkrupps ist Weltmarktführer für nicht-nuklear betriebene U-Boote. Am 20. Oktober 2025 wurde sie an der Börse notiert, im Rahmen der Abspaltung wurden 49 Prozent der Anteile an die Aktionäre von Thyssenkrupp übertragen. Die Thyssenkrupp AG hält weiterhin eine strategische Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent. Der Umsatz von TKMS im Geschäftsjahr 2023/2024 betrug knapp 2 Milliarden Euro.
Quelle: ZDF
Thyssenkrupp auf dem Weg zur Finanzholding
Die Mutter Thyssenkrupp hält weiterhin 51 Prozent der Anteile. Dennoch ist der heutige Börsengang ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur strategischen Neuausrichtung des Essener Konzerns. Miguel López, Vorstandsvorsitzender der Thyssenkrupp AG, plant, den Konzern zu einer Finanzholding umzubauen. Er erklärte:
Mit der Notierung von TKMS verbinden wir unternehmerische Eigenständigkeit mit der Stabilität eines starken Ankeraktionärs.
Miguel López, Vorstandsvorsitzender Thyssenkrupp AG
Deutschlands größte Stahl-Firma "Thyssenkrupp Steel" will am geplanten Abbau von 11.000 Stellen festhalten. IG Metall kündigte bereits erbitterten Widerstand an.
02.06.2025 | 0:21 minNach dem Verkauf der Aufzugssparte TK Elevator und dem Börsengang von Nucera ist TKMS die dritte große Abspaltung. Die Zukunft der verbleibenden Bereiche ist noch offen.
Die Stahlsparte soll restrukturiert werden, plant den Abbau von 11.000 Stellen und auch die Autosparte kündigte Jobstreichungen an. Der profitable Werkstoffhändler Material Services wiederum gilt als nächster Börsenkandidat.
Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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