Deutsche Luftfahrt im Sinkflug: Klagen über hohe Standortkosten

Luftfahrt klagt über hohe Standortkosten:Deutsche Flugbranche im Sinkflug

ZDF-Korrespondent Stefan Schlösser. Im Hintergrund ist ein Bahnhof zu sehen.

von Stefan Schlösser

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Während im Rest von Europa mehr geflogen wird als vor Corona, hinkt die deutsche Luftfahrt hinterher. Die Branche macht dafür vor allem die hohen Standortkosten verantwortlich.

Ein Mann geht an zwei Lufthansamaschinen vorbei

Die deutsche Luftfahrtbranche steckt in Schwierigkeiten. Nach einem Sparkurs in der Verwaltung streicht die Lufthansa nun zahlreiche Inlandsflüge, um Kosten zu reduzieren.

20.10.2025 | 1:30 min

Lufthansa-Chef Carsten Spohr machte am Wochenende erneut Druck. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" kündigte er den Wegfall weiterer Flugverbindungen innerhalb Deutschlands an:

Ohne eine Reduzierung der Standortbelastungen werden weitere Streichungen unvermeidlich sein.

Carsten Spohr, Lufthansa-Chef

Rund hundert Flüge seien betroffen. Der Grund: Hohe Steuern und Gebühren, die zum Beispiel Strecken von München nach Münster/Osnabrück oder Dresden unrentabel machten.

Weitere Airlines reduzieren Strecken in Deutschland

Die Lufthansa ist da nicht allein. Auch andere Airlines dünnen ihr Angebot in Deutschland immer weiter aus. Nur wenige Tage zuvor hat Ryanair angekündigt, zum Winterflugplan weitere 24 Strecken an neun Flughäfen zu streichen.

Immer mehr Fluggesellschaften machen einen Bogen um Deutschland, setzen ihre Maschinen lieber an anderen Standorten in Europa ein, wo höhere Margen locken. Unisono heißt es, die Kosten für Luftverkehrsteuer, Flugsicherung und Sicherheitskontrollen seien zu hoch.

Flugzeug in der Luft

Die Flugbranche hadert mit hohen Standortkosten in Deutschland. Verbindungen werden gestrichen - die Passagierzahlen bleiben weit unter Vor-Corona-Niveau.

11.08.2025 | 2:52 min

DLR: Standortkosten seit 2019 gestiegen

Der Lobbyverband BDL rechnet vor, dass für einen typischen Mittelstreckenflug ab Frankfurt etwa 4.800 Euro an Abgaben fällig werden, in Paris 3.400, in Istanbul nur 500 Euro.

Tatsächlich zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, dass die staatlichen Standortkosten in Deutschland seit 2019 deutlich gestiegen sind. Ein Plus von 70 Prozent. Im Rest von Europa sind die Kosten dagegen nur um 39 Prozent gestiegen.

 Hessen, Frankfurt/Main: Die Gepäckhalle des Terminal 3 am Frankfurter Flughafen wird von einer Säulenkonstruktion getragen.

Am Frankfurter Flughafen wurde ein neues Terminal fertiggestellt. Die Kapazitäten werden dadurch deutlich steigen. Daran gibt es in Zeiten der Klimakrise durchaus Kritik.

08.10.2025 | 1:36 min

Luftfahrtexperte hält Klagen für überzogen

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass andere große Drehkreuze noch teurer sind. In Amsterdam liegen die Kosten nach Rechnung des DLR für einen Vergleichsflug bei rund 7.000 Euro für staatliche Gebühren und Abgaben. In Frankfurt sind es rund 4.300 Euro.

So hält Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt die Klagen auch für überzogen. Deutschland ist ein Hochlohnland, die Standortkosten sind hoch. Aber:

Wenn man sich Länder anschaut, die ein ähnliches Lohnniveau haben, also Schweiz, Österreich, Niederlande, dann fallen die Vergleiche schon sehr viel weniger drastisch aus als das, was die Industrieverbände verbreiten.

Heinrich Großbongardt, Luftfahrtexperte

Dass der Luftverkehr sich hierzulande langsamer entwickelt als im Rest von Europa, habe auch andere Gründe. Die Verlagerung von innerdeutschem Verkehr auf die Schiene sei gesellschaftlich gewollt und wurde jahrelang eingefordert.

Ein Lufthansa Airbus A319-100 landet am Frankfurter Flughafen Fraport

Bis 2030 will der Lufthansa-Konzern 4.000 Stellen abbauen. Betroffen ist davon vor allem die Verwaltung - der Personalbedarf soll hier durch mehr Digitalisierung gesenkt werden.

29.09.2025 | 0:19 min

Rezession macht Flugverkehr zu schaffen

Videokonferenzen hätten viele vor Ort-Termine überflüssig gemacht. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei viel Verkehr Richtung Osten weggefallen. Und dann ist da noch die Rezession.

Luftverkehr hängt ganz stark an der Konjunktur. Und in Deutschland hatten wir in den letzten Jahren ein sehr schwaches oder sogar negatives Wirtschaftswachstum.

Heinrich Großbongardt, Luftfahrtexperte

"Das wirkt sich unmittelbar auf das Wachstum des Luftverkehrs aus." Im Ergebnis macht es keinen Unterschied. Das Angebot sinkt, das ist Fakt. Und das ist schlecht für Verbraucher und Unternehmen.

Die Ticketpreise werden eher weiter steigen und ganze Wirtschaftsregionen werden von direkter Fluganbindung abgeschnitten. Eine Entlastung bei der Luftverkehrsteuer würde der Branche natürlich helfen. Gerne verweisen die Vertreter der Luftfahrtindustrie nach Schweden. Dort wurde die Luftverkehrsteuer in diesem Sommer gestrichen, sofort haben Airlines wieder Maschinen dorthin verlagert.

ZDF-Korrespondentin Sina Mainitz an der Börse in Frankfurt

Lufthansa will bis 2030 rund 4.000 Stellen abbauen. Prozesse in der Verwaltung sollen digitalisiert und gebündelt werden. Sina Mainitz berichtet über die Strategie von Lufthansa.

29.09.2025 | 1:27 min

Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht Entlastung vor

Die Klagen sind längst in der Politik angekommen. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht vor, dass der Luftverkehr entlastet werden soll. Dort heißt es: "Die luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben wollen wir reduzieren und die Erhöhung der Luftverkehrsteuer zurücknehmen."

Eine Ankündigung, mehr aber nicht. Und angesichts der gesamtpolitischen Lage und der geforderten Sparanstrengungen scheint das Thema in der Koalition auch keine Priorität zu haben.

Stefan Schlösser berichtet aus dem ZDF-Studio in Hessen.

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