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Brainlab verpatzt Start:Warum sind Börsengänge so schwierig?
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Brainlab sollte der größte Börsengang des Jahres werden. Doch in letzter Minute wurde er abgesagt. Warum sind Börsengänge so schwierig, obwohl der Dax von Rekord zu Rekord springt?
Der Dax ist in ungekannten Höhen unterwegs, dennoch gibt es kaum neue Börsengänge in Deutschland.
Quelle: dpa
Das waren noch Zeiten. Börsengang Deutsche Telekom. Großes mediales Tamtam. Die sogenannte Volksaktie wurde vom Volk gefeiert und in Massen gekauft. Begriffe wie Preisspanne oder Zeichnungsfrist machten die Runde.
Vor 25 Jahren: Aktienfieber in Deutschland
Fast schon nervös wurde dem ersten Kurs entgegengefiebert, den der Makler morgens um kurz nach neun an der Frankfurter Börse in die Welt hinausrief. Das Aktienfieber hatte die Deutschen gepackt.
Dann aber kam der Neue Markt. Fast jeden Tag mehrere Börsengänge, bis der Markt gesättigt war und zudem einige Verbrecher versucht hatten, mit fragwürdigen Geschäftsmodellen an das große Geld zu kommen. In diesem Moment wandten sich die Deutschen in Scharen von der Börse ab.
2025 ist ein schwaches Jahr für Börsengänge
25 Jahre später sind Börsengänge auch deshalb eher etwas für Kenner und haben fast schon etwas Intimes. Vorstand und ein paar Gäste oder Mitarbeiter feiern den ersten Kurs auf dem Parkett und machen ein kleines Firmenvideo. Von Erlösen, wie dem der Telekom (etwa 34 Milliarden Euro - bis heute ein Rekord) können die meisten Firmen nur träumen. Manche müssen sogar kurz vor knapp den eigenen Börsengang wieder abblasen.
So geschehen vor kurzem bei Autodoc, einer Art Ebay für Autoersatzteile. Und nun auch beim großen Hoffnungsträger Brainlab, einer Medizintechnik-Softwarefirma aus München. Brainlab wäre nach aktuellem Ermessen am unteren Ende der Preisspanne in den Handel gestartet. Offenbar zu wenig für die Verantwortlichen bei Brainlab.
Börsengänge "unabhängig von Dax-Rekorden"
Man zog die Reißleine, sagte den Börsengang ab und erklärte das mit einem nicht "optimalen Umfeld". Dies scheint aber schon länger nicht optimal zu sein. Denn außer zwei kleineren Börsengängen oder sogenannten IPOs ("Initial Public Offering") gab es in diesem Jahr in Frankfurt noch überhaupt keine neue Aktie auf dem Parkett. Und das, obwohl der Dax in ungekannten Höhen unterwegs ist.
Wie lässt sich das erklären? Christian Reindl, Fondsmanager bei Union Investment, glaubt, dass Börsengänge "unabhängig von Dax-Rekorden" zu sehen sind. Der Dax profitiere von starken Zuwächsen bei den ETFs. Insgesamt fließe auch mehr Geld in Werte großer Unternehmen, IPOs fänden aber "in der Regel im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen statt".
Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte bei der DekaBank, sieht auch ein strukturelles Problem am deutschen Kapitalmarkt: die Größe.
Der IPO-Markt in Deutschland spielt weder hinsichtlich der Anzahl von Börsengängen noch im Hinblick auf die erzielten Volumina international eine Rolle.
Joachim Schallmayer, DekaBank
"Zur Einordnung: Auf Deutschland entfallen global rund drei bis fünf Prozent der über neue Börsengänge erzielten Emissionsvolumina." Die Höhe des eingesammelten Geldes ist also gemessen an der Größe der Volkswirtschaft ziemlich gering.
Amerika ist die Nummer eins
Die wahre Musik spielt in den USA oder China. Der Wert aller amerikanischen Aktien zusammen entspricht laut Schallmayer etwa dem 1,8-Fachen des US-Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland liegt das Verhältnis beim 0,4-Fachen". Für Christian Reindl, Fondsmanager von Union Investment, spielt noch etwas anderes eine Rolle: "Das Umfeld in den USA ist definitiv ein anderes als in Deutschland." Die Aktienkultur sei "grundverschieden und in der Bevölkerung ganz anders verankert als in Deutschland".
Privatanleger spielen in Deutschland praktisch keine Rolle.
Christian Reindl, Union Investment
Die Aktienkultur ging mit dem Neuen Markt in die Binsen. Eine wichtige Stütze für Börsengänge fehlt damit in Deutschland gänzlich.
Angekündigte Investitionsprogramme heben Stimmung
Bleiben fast nur noch die sogenannten institutionellen Anleger. Also Fondsgesellschaften, Banken oder Versicherungen. Doch das überall kolportierte Interesse an Europa und speziell Deutschland scheint in Sachen IPOs dort derzeit auch nicht sonderlich groß zu sein.
"Die allgemeine Stimmung des Marktes gegenüber Deutschland, hat sich erst mit der Ankündigung der Investitionsprogramme im März aufgehellt", sagt Reindl. "Die Effekte daraus wird der IPO-Markt frühestens im zweiten Halbjahr, aber eher noch ab dem Jahr 2026 spüren."
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