Staatsschulden wachsen: Droht weltweit eine neue Finanzkrise?

Überbordende Staatsschulden:Droht weltweit eine neue Finanzkrise?

ZDF-Korrespondent Frank Bethmann

von Frank Bethmann

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Rekordverschuldungen, höhere Zinsen, geopolitische Spannungen. Die Staatsausgaben steigen, Reformen bleiben aus. Noch ist das globale Finanzsystem stabil, aber wie lange noch?

Regen über Frankfurt, dunkle Panoramaaufnahme der Stadt

Viele Staaten geben wesentlich mehr Geld aus, als sie haben - auch im Euroraum. (Symbolbild)

Quelle: dpa | Boris Roessler

Die weltweiten Überschuldungsrisiken haben 2025 ein besorgniserregendes Niveau erreicht. Für dieses Jahr prognostiziert der Internationale Währungsfonds einen Anstieg der globalen Staatsschulden auf 95 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Der Vergleich mit dem BIP, der Wirtschaftskraft also, ist deswegen von Relevanz, weil er etwas über die Tragfähigkeit dieser Schulden aussagt. In der Euro-Zone hat man in der Vergangenheit festgelegt, dass die Schulden einzelner Mitglieder nicht über 60 Prozent dieser Wirtschaftskraft steigen sollten. Gegenwärtig erfüllen die meisten Euro-Staaten dieses Kriterium nicht mehr.

  • Für die Entstehungsrechnung (Produktionsansatz) werden die Bruttowertschöpfung der Produzenten und die Nettogütersteuern herangezogen. Bruttowertschöpfungen sind die Produktionswerte abzüglich der Vorleistungen. In der Landwirtschaft sind das z.B. die Ernteprodukte abzüglich der Kosten für Saat, Dünger, Erntemaschinen etc. Eine Nettogütersteuer ist die Differenz zwischen den Steuern auf Güter und Dienstleistungen (z.B. Mehrwertsteuer), die von den Unternehmen gezahlt werden, und den Subventionen, die sie erhalten.
  • Bei der Verwendungsrechnung (Ausgabenansatz) wird das BIP anhand der privaten und staatlichen Konsumausgaben, der Investitionen sowie des Außenbeitrags, also der Differenz aus Exporten und Importen bestimmt.

  • Die Verteilungsrechnung (Einkommensansatz) berücksichtigt das Einkommen von Arbeitnehmern, Unternehmen und Eigentümern von Produktionsfaktoren.


Verschuldungen der Staaten: Trendumkehr nicht erkennbar

Die durchschnittliche Quote der EU lag bislang für dieses Jahr bei 83 Prozent des BIPs, dürfte aber weiter gestiegen sein, wenn am Dienstag Eurostat neueste Zahlen veröffentlicht. Eine Umkehr dieser Entwicklung ist nicht erkennbar.

Container an einem Frachtterminal in Frankfurt.

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Im Gegenteil: Das wirtschaftliche Umfeld bleibt instabil, die Herausforderungen bleiben groß. Für Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank sind es jedoch nicht die Schuldenquoten, die besorgniserregend sind, "sondern die offensichtliche Unfähigkeit der Politik die steigende Verschuldung zu stoppen".

Die Politik ist nicht in der Lage, die immer weiter steigenden Forderungen nach sozialem Ausgleich, Infrastrukturinvestitionen und Klimareparatur zu priorisieren, dass es auch finanzierbar bleibt.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt DekaBank

Staatsdefizite in Europa: "Kritischer als zur Zeit der Griechenlandkrise"

Für Folker Hellmeyer ist die Situation der Eurozone bezogen auf die Staatsdefizite inzwischen "kritischer als zur Zeit der akuten Griechenlandkrise". 2015 drohte Griechenland die Staatspleite, damals auch eine echte Belastungsprobe für den Euro.

Heute, sagt der Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Netfonds, sind die beiden Säulen der EU, Frankreich und Deutschland, wirtschaftlich angeschlagen. Und was aus seiner Sicht noch gravierender ist: "Notwendige Reformen werden nicht angegangen."

Protest in Frankreich. Die Demonstranten halten große Plakate in die Luft

Im hochverschuldeten Frankreich gehen hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu demonstrieren. Viele fürchten Sozialkürzungen.

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Die aber bräuchte es dringend, so Hellmeyer, denn nur so käme die Wirtschaft wieder in Schwung, ließen sich die Staatsausgaben und damit auch die Staatsschulden senken. Die fehlende Reformbereitschaft mahnt auch der Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger, an:

Im Endeffekt wird die Verschuldung dadurch stetig größer, da das Wachstum der Volkswirtschaften nicht ausreicht, diese zu stabilisieren.

Alexander Krüger, Chefvolkswirt Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe

Auch Deutschland droht EU-Defizitverfahren

3,4 Billionen Euro beträgt Frankreichs Schuldenstand. Niemand hat in Europa - real betrachtet - höhere Schulden. Deutschlands Last ist in etwa nur halb so hoch, doch die heimische Staatsschuld wächst rasant.

Vorstellung des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2025 in der BPK in Berlin

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In den kommenden Jahren droht daher auch Berlin ein Kontrollverfahren durch die EU. "Es sind die Staaten", sagt Kater, "die noch nicht mitbekommen haben, dass die Zinsen jetzt wieder positiv sind und man sich damit auch als Staat nicht alles leisten kann, was Politiker gerne ihren Wählern versprechen".

IWF fordert Regierungen zu Kursänderung auf - vor allem die USA

Auch der IWF empfahl den Regierungen, jüngst auf seiner Jahrestagung, die Verschuldung zu reduzieren und gleichzeitig die Haushaltspuffer zu stärken, um künftigen Finanz- und Wirtschaftskrisen vorzubeugen.

Zahlreiche Ökonomen warnen in diesen Tagen davor, dass die Schulden in Kombination mit den gestiegenen Kapitalmarktzinsen in einen neuen Finanzkollaps münden könnten. Vor allem der Schuldenkurs der Amerikaner wird kritisch gesehen.

"Die explodierende Zinslast in den USA", sagt Krüger, "ist beängstigend." Und führt inzwischen dazu, dass der amerikanische Staat, wie US-Medien berichten, zwei Billionen Dollar jährlich mehr ausgebe, als er einnehme.

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Finanzkrise? - "Kontrollleuchten zeigen das überhaupt nicht an"

Weit weniger kritisch sieht Hellmeyer das "Finanzrisiko USA". US-Präsident Trump, so der Netfonds-Analyst, "macht zwar eine Politik, die nicht rechtskonform ist mit internationalen Normen, zum Beispiel mit denen der Welthandelsorganisation", aber es sei eine Politik, die stark auf Reformen setze:

Sie senken die Steuer. Sie fahren die Bürokratie herunter. Das ist eine Kostenentlastung für den Staat.

Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt Fondsgesellschaft Netfonds

Die, so die Theorie, dazu führen soll, dass die weltgrößte Volkswirtschaft irgendwann damit beginnt, ihren prekären Schuldenberg von 36 Billionen Dollar abzubauen.

Einen konkreten Plan dafür, vermisst der DekaBank-Chefvolkswirt Kater allerdings. Dennoch glaubt er nicht an einen nahenden globalen Herzinfarkt: "Die Kontrollleuchten am Instrumentenpult der Finanzmärkte zeigen das überhaupt nicht an".

Anders als in anderen Finanzkrisenzeiten sind die Bilanzen, das heißt die Verschuldungszahlen, der großen anderen volkswirtschaftlichen Bereiche, der Privaten Haushalte und des Unternehmenssektors insgesamt, gesund.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt DekaBank

Die große Frage ist, wie lange bleibt das noch so.

Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.

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