IWF-Prognose für Deutschland: "Laufen rückwärts in die Zukunft"

Interview

Schwache IWF-Prognose für Deutschland:Ökonom: "Wir laufen rückwärts in die Zukunft"

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Beim Treffen der Finanzwelt in Washington hat sich der Blick auf Deutschland gewandelt. Allerdings nur bedingt zum Positiven, wie einer der Architekten des Sondervermögens erklärt.

Eurobanknoten liegen auf einem Tisch (gestellte Aufnahme)

IfW-Präsident Moritz Schularick betont, die Regierung müsse geschaffene finanzielle Spielräume in echte Investitionen übersetzen.

Quelle: dpa

In den vergangenen Jahren war der Tenor bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) meist derselbe: Deutschland müsse endlich mehr investieren, um die Grundlage für künftiges Wachstum zu legen. Der Ton wurde dabei immer mahnender - bis zu diesem Jahr. Durch den historisch großen Schuldentopf - das sogenannte Sondervermögen - und die nicht mehr limitierten Verteidigungsausgaben hören die deutschen Teilnehmer diesen Vorwurf nun nicht mehr.

sgs-wolf-bethmann

Der IWF rechne für 2025 mit einem Weltwirtschafts-Wachstum von 3,2 Prozent, da man die Auswirkungen der Zölle "noch gar nicht spüren" werde, so Frank Bethmann von der Frankfurter Börse.

14.10.2025 | 1:39 min

So auch Moritz Schularick. Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel - einer der Architekten des Sondervermögens - weilt ebenfalls in der US-Hauptstadt. ZDFheute traf ihn zum Interview.

ZDFheute: Trotz der angekündigten Rekordinvestitionen: Der IWF erwartet fürs kommende Jahr deutlich weniger Wirtschaftswachstum für Deutschland als die Bundesregierung selbst - 0,9 Prozent gegenüber 1,3 Prozent. Warum?

Schularick: In der Tat gibt es hier einen Unterschied in der Prognose.

Man geht offenbar davon aus, dass wir diese Investitionen nicht so schnell auf die Straße, auf die Schiene und in die Glasfaser bekommen wie wir eigentlich wollen.

ZDFheute: Aus dem IWF heißt es, Deutschland müsse die nun geschaffenen finanziellen Spielräume effizient nutzen. Man klang da nicht vollständig überzeugt, dass das geschieht.

Schularick: Ich denke, die Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, ob sie eben diesen Spielraum in wirklich echte Investitionen übersetzt. Es ist jetzt relativ früh, aber der Rest der Welt ist sicher nicht überrascht von der Geschwindigkeit, mit der Deutschland sich bewegt - alle warten darauf, dass nun wirklich die Initialzündung kommt.

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25.09.2025 | 0:58 min

ZDFheute: Viele Kritiker monieren, dass die versprochene Zusätzlichkeit der Investitionen vielfach umgangen und Ausgaben aus dem Kernhaushalt verlagert werden. Teilen Sie den Eindruck?

Schularick: Dass wir jetzt schon an dem Punkt wären um zu sagen, das funktioniert alles nicht - dafür ist es in der Tat ein bisschen zu früh. Aber eine Reihe von Warnzeichen haben wir schon bekommen - dafür, dass in den letzten Monaten dann offenbar doch einige Dinge wichtiger waren als die Zukunft des Landes.

Ich erinnere gerne an das 1000-Köpfe-Programm für die Wissenschaft, für das wir 25 Millionen Euro reserviert haben, während wir gleichzeitig mehrere Milliarden für Steuersenkungen für Restaurantbesuche ausgeben.

Die Zukunft aber ist Forschung und Entwicklung - die Zukunft sind nicht Restaurantbesuche.

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08.10.2025 | 1:50 min

ZDFheute: Die mangelnde Zukunftsorientierung der deutschen Wirtschaftspolitik wird auch beim IWF kritisiert - zumindest hinter verschlossenen Türen.

Schularick: Ich glaube, da hat der IWF durchaus ins Schwarze getroffen.

Wir gucken immer noch viel zu sehr auf das, was mal war, auf die Industrien von gestern - und laufen sozusagen rückwärts in die Zukunft.

Wir müssen uns umdrehen und gucken: Was wird das Wachstum von morgen bringen? Da ist sicherlich hilfreich, wenn unsere Brücken wieder funktionieren, auch unsere Straßen besser sind und die Bahn wieder pünktlich ist. Aber dadurch holen wir den technologischen Rückstand, den wir haben, nicht auf. Das heißt: Da muss noch viel mehr passieren, vor allem bei Forschung und Entwicklung und Hochtechnologie-Investitionen.

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ZDFheute: Wie groß ist Ihre persönliche Sorge - als einer der Architekten des Sondervermögens - dass am Ende Deutschlands Schuldenstand massiv angewachsen ist, ohne dass im Gegenzug das Notwendige passiert ist?

Schularick: Meine größte Sorge ist, dass wir bei der Verteidigung nicht in dem Tempo vorankommen, wie wir müssten. Wir sind nicht gut darin, die Produktionskapazitäten auszuweiten, wir sind immer noch in einem Manufakturbetrieb unterwegs und nicht im industriellen Betrieb.

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ZDFheute: Und mit Blick auf die Infrastruktur?

Schularick: Das ist ja ein einmaliger Betrag - und ich bin schon optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren Fortschritte sehen werden, die sich dann auch in Wachstum niederschlagen. Sodass die Schuldentragfähigkeit dann nicht gefährdet ist.

Aber wie gesagt: Die große Aufgabe dieser Bundesregierung ist, das Geld, das sie jetzt hat, richtig auszugeben.

Und da ist nach den Erfahrungen der letzten Monate das Glas - naja, wenn man großzügig ist - halbvoll. Aber man könnte es auch halbleer nennen.

Das Interview führte Daniel Pontzen, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.

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