Sondervermögen von Union und SPD ein "Mogelpaket"?
Interview
Sondervermögen von Union und SPD:Ökonom: Schulden-Pläne sind ein "Mogelpaket"
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Der Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schularick hat die Sondierer von SPD und Union beraten und den großen Finanzplan empfohlen. Mit dessen Umsetzung ist er jedoch unzufrieden.
Saskia Esken, Lars Klingbeil und Friedrich Merz nach einer Sondierungsrunde zwischen SPD und Union. (Archivbild)
Quelle: dpa
Im Sondierungspapier einigten sich Union und SPD darauf, für Verteidigungsausgaben die Schuldenbremse aufzuweichen und für Infrastruktur ein Sondervermögen aufzusetzen.
Der Ökonom Moritz Schularick hatte dazu geraten, diese Investitionen über Kredite zu finanzieren. Nun bemängelt er im ZDFheute-Interview, dass die aktuellen Schuldenpläne von Union und SPD nur zu ökonomisch sinnlosen Wahlgeschenken führen.
Im Wahlkampf hatten sich Friedrich Merz und die Union für Haushaltsdisziplin und Schuldenbremse ausgesprochen. Nach der Wahl soll diese nun aufgeweicht werden.11.03.2025 | 10:13 min
Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft und Gast in der ZDF-Sendung "maybrit illner" am 13. März, meint: "Damit ist für die Zukunft und die Wachstumschancen der deutschen Volkswirtschaft nichts getan".
ZDFheute: Sie haben SPD und Union beraten. Wurden Sie richtig verstanden und jetzt kommt, was Sie wollten?
Moritz Schularick: Teilweise ja, teilweise nein. Also die Ausnahme von der Schuldenbremse bei den Verteidigungsausgaben oberhalb von 1 Prozent ist grundsätzlich eine gute und sinnvolle Regelung, und ich würde die gerne so im Grundgesetz sehen.
Quelle: picture alliance / Sebastian Rau/photothek.de
... ist seit 2023 Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW).Als Professor der Volkswirtschaftslehre unterrichtet Schularick unter anderem an der Pariser Universität Sciences Po und wurde mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ausgezeichnet, Deutschlands höchstdotiertem Forschungspreis.
Neben der monetären Makroökonomie und der Wirtschaftsgeschichte befasst sich Schularick mit den globalen Finanzmärkten und Politischer Ökonomie.Er hat mehrere Studien zu den Ursachen von Finanzkrisen und zur Transformation des Finanzsystems durchgeführt.
Bei dem Sondervermögen für die Infrastruktur hat man in einem entscheidenden Punkt zum jetzigen Stand nicht ordentlich zugehört. Denn es wurde nicht verankert, dass es um zusätzliche Investitionen geht, die aus dem Sondervermögen finanziert werden sollen.
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Zurzeit droht da ein großer Verschiebebahnhof von Investitionen, die sowieso im Haushalt standen, die dann ins Sondervermögen gehen. Und der Platz, der dann im Haushalt bleibt, wird für teure und ökonomisch sinnlose Wahlgeschenke, wie die Senkung der Mehrwertsteuer für Gaststätten, Pendlerpauschale oder die Mütterrente verwendet. Das sind konsumtive Ausgaben, die unsere Wachstumsfähigkeit nicht verbessern.
Damit ist für die Zukunft und die Wachstumschancen der deutschen Volkswirtschaft nichts getan.
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Morgen ist eine Sondersitzung des Bundestags geplant, in dem es um das Milliardenpaket für Infrastruktur und Verteidigung von Union und SPD geht.12.03.2025 | 1:31 min
Das hat man nicht unterbunden und dementsprechend nicht gut zugehört. Wir müssen gucken, dass wir in die Zukunft investieren und, dass wir die Investitionsquote nach oben bekommen.
ZDFheute: Welche Partei hat am meisten von sich in dieses Sondierungspapier reinbringen können?
Schularick: Sicherlich gibt es da eine bayerische Handschrift: Stichwort Mütterrente, Stichwort Gastro. Aber ich denke insgesamt ist auch die SPD nicht schlecht weggekommen.
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Es ist eher erstaunlich in meiner Perspektive, dass Friedrich Merz und Carsten Linnemann es jetzt doch so machen, obwohl sie sich vorher genau wegen des Risikos der "Wahlgeschenke" gegen das Aufweichen der Schuldenbremse positioniert haben.
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Also entweder hat man sich da über den Tisch ziehen lassen oder man fügt jetzt noch in den nächsten zwei Tagen das Wort zusätzlich ein.
ZDFheute: Haben CDU und SPD bei Robert Habeck und den Grünen abgeschrieben?
Schularick: Richtig ist, dass sehr viel von dem, was die Kernforderungen von Robert Habeck und den Grünen waren, nämlich eine Öffnung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und ein großes Sondervermögen für Investitionen, jetzt übernommen wurden.
Allerdings auch da der Unterschied, dass es bei Robert Habeck um zusätzliche Investitionen ging und diesen wichtigen Zusatz haben die Sondierer bisher nicht in die Planung reingeschrieben.
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Also einiges wurde vielleicht auch falsch abgeschrieben.
Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Gute Schulden, schlechte Schulden - hat Merz sich verzockt?" sehen Sie diesen Donnerstag, 13. März 2025, um 22:15 Uhr im ZDF live im TV und in der ZDFmediathek, auch auf Abruf.
Es diskutieren: Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, die Parteivorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Franziska Brantner, der Volkswirtschaftler und Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick,Eva Quadbeck, Chefredakteurin „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND), und Gabor Steingart, Journalist, Herausgeber von "The Pioneer".
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ZDFheute: Wenn jetzt nur Schulden für Verteidigung durchkommen, wäre das nicht schlimm?
Schularick: Nein, das würde ich für durchaus sinnvoll halten. Es ist ja dem neuen Bundestag dann überlassen mehr in Infrastruktur zu investieren. Nur muss er das dann halt entweder aus dem regulären Haushalt bezahlen, oder er muss mit den neuen Mehrheitsverhältnissen zu kreditfinanzierten Lösungen kommen.
Ich trage das Sondervermögen für Infrastruktur auch mit, schließlich hatte ich den Vorschlag mit Kollegen gemacht. Dabei ist aber unbedingt notwendig, dass es um zusätzliche Investitionen geht. Sonst ist das ein Mogelpaket.