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Analyse
Finanzpaket von Union und SPD:Das "Nein" der Grünen und die Folgen
von Christian Hauser, Kevin Schubert
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Die Reform der Schuldenbremse, das Sondervermögen: Für ihre Pläne brauchen Union und SPD die Grünen, die heute "Nein" sagen. Ist das schon das letzte Wort?
Falls CDU, CSU und SPD gedacht haben, die Grünen würden ihr milliardenschweres Finanzpaket schon durchwinken, dann wurden sie heute eines Besseren belehrt. Eine kurze Begrüßung, drei Sätze Anlauf - mehr brauchen die grüne Parteispitze und die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag nicht, um bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Fahrt zu kommen.
Den Anfang macht die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Sie greift Friedrich Merz direkt an, spricht vom Sondervermögen als "Spielgeld" und "Schatzkiste" von Union und SPD. Dröges Botschaft, die später von ihrer Kollegin Britta Haßelmann sowie den Parteichefs Felix Banaszak und Franziska Brantner unisono wiederholt wird: "Diesem Sondervermögen" können die Grünen unmöglich zustimmen.
Entsprechend deutlich räumt Brantner auch mit der Erwartungshaltung auf, dass die Grünen dem Paket am Ende sowieso zustimmen - Stichwort staatspolitische Verantwortung. "Wir werden uns nicht erpressen lassen", sagt Brantner.
Das milliardenschwere Verteidigungs- und Infrastrukturpaket kann nur mit einer Grundgesetzänderung beschlossen werden. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Im alten, 20. Bundestag sind dafür 489 Stimmen notwendig. CDU/CSU und SPD kommen allerdings nur auf 403 Sitze. Die Grünen verfügen über 117 Sitze und könnten Schwarz-Rot zur Mehrheit verhelfen.
Union und SPD wollen die Machtverhältnisse des alten Bundestages nutzen. Im neuen, 21. Bundestag haben CDU/CSU, SPD und Grüne gemeinsam keine Zweidrittelmehrheit mehr. AfD und Linke verfügen gemeinsam über eine Sperrminorität.
Union und SPD wollen die Machtverhältnisse des alten Bundestages nutzen. Im neuen, 21. Bundestag haben CDU/CSU, SPD und Grüne gemeinsam keine Zweidrittelmehrheit mehr. AfD und Linke verfügen gemeinsam über eine Sperrminorität.
Wie viel von dieser demonstrierten Entschlossenheit ist Verhandlungstaktik? Könnten die Grünen am Ende tatsächlich ihre Zustimmung verweigern? Ein Überblick.
Was heißt das "Nein" der Grünen für die weiteren Verhandlungen?
Vom Tisch ist eine Einigung damit nicht. "Wir werden auch in den nächsten Tagen an Gesprächen teilnehmen, wenn sie dahingehend ausgerichtet sind, dass man zu einer wirklich zukunftsorientierten Lösung kommt", sagt Katharina Dröge.
Auch Union und SPD üben sich in Optimismus. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann etwa verweist auf noch anstehende Verhandlungen, unter anderem ein erstes Treffen am Montagabend. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ist sich sicher: "Das wird nicht das letzte Wort der Grünen sein." Er mahnt: "Die Sicherheitslage erfordert eine andere Haltung. Wir sind bereit, weiter zu verhandeln." SPD-Chef Lars Klingbeil nimmt die Bedenken der Grünen zwar "sehr ernst", gibt die Zuversicht auf eine Einigung aber ebenfalls nicht auf.
Das "Nein" der Grünen ist insofern durchaus als Stärkung der eigenen Verhandlungsposition zu sehen. In den kommenden Jahren dürften Union und SPD nur selten auf die Grünen angewiesen sein. Jetzt kann die Partei noch einmal mitgestalten, Union und SPD Kompromisse abringen.
Eine Garantie, dass das Grüne "Nein" deshalb ein "Ja" wird, gibt es aber auch nicht. Denn noch etwas zeigt sich im "Nein" der Grünen deutlich: eine Kränkung. "Seit Wochen" habe man Union und SPD gesagt, "dass man mit uns über eine vernünftige Reform der Schuldenbremse verhandeln sollte", sagt Dröge. Verhandelt hätten Union und SPD jedoch nur unter sich. Auch Parteichef Felix Banaszak kritisiert den "politischen Stil", erst etwas zu vereinbaren - und danach "denen vorzulegen, die man braucht, um es umzusetzen".
Dabei dürfte zusätzlich schmerzen, dass Union und SPD mit ihrem Finanzpaket auch grüne Wahlkampfforderungen umsetzen. Die Partei hatte mit einer Grundsanierung der Infrastruktur geworben, wollte einen Deutschlandfonds an eine Reform der Schuldenbremse koppeln. Kanzlerkandidat Robert Habeck hatte zudem deutlich mehr Geld für die Bundeswehr gefordert und im "Spiegel"-Interview eine Zielmarke von 3,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung als Ziel ausgerufen.
Worauf kommt es nun an?
Entscheidend wird nun, "was Union und SPD zusammen den Grünen anbieten, ob sie auf die Forderungen eingehen", sagt ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Patricia Wiedemeyer. "Vorstellbar ist es schon noch, dass eine Grundgesetzänderung geben wird, vielleicht aber auch nur im Bereich Verteidigung." Da sähen die Grünen die Notwendigkeit. Die Kosten für die Infrastruktur könne dann möglicherweise erst der neue Bundestag angehen.
Am Abend sagt Co-Parteichef Banaszak im ZDF heute journal: "Wir haben uns eine Woche Zeit gegeben, um zu gucken, ob es eine Gesamteinigung gibt." Am Abend waren die Grünen-Fraktionsvorsitzenden mit Union und SPD zu Gesprächen zusammengekommen. Über den Verlauf wollte sich Banaszak im ZDF nicht äußern. Er sagte dazu, das Gespräch habe dazu gedient, "überhaupt in den Verhandlungsmodus zu kommen".
Nach der ersten Lesung im Bundestag am Donnerstag bleiben vier Tage für weitere Verhandlungen. Am Dienstag, 18. März, stimmt der Bundestag final über das Finanzpaket ab. Verhelfen die Grünen dann nicht zur Mehrheit, wäre alles, was Union und SPD sich bislang ausgedacht haben, schon wieder Geschichte.
Was kritisieren die Grünen konkret am Sondervermögen?
Deutschland brauche jetzt Investitionen in Wirtschaft, Klimaschutz und die Zukunftsfähigkeit des Landes und keine Steuersenkungen in Form einer neuen Pendlerpauschale, einer Agrardiesel-Reform oder einer Soli-Abschaffung, sagt Dröge.
Wenn Merz anbiete, das Wort "Klima" in die Begründung des Sondervermögens aufzunehmen, "dann hat er, glaube ich, noch nicht verstanden, dass wir das mit den Klimazielen in Deutschland ernst meinen und der festen Überzeugung sind, dass wir hierfür auch Investitionen brauchen, die konkret den Klimaschutz voranbringen und unsere Ziele auch erreichen lassen", kritisiert Brantner.
Bereits am Sonntag hatten zudem drei Grünen-Minister aus den Bundesländern Überarbeitungsbedarf angemeldet. Eine Forderung: Der Anteil, den die Länder für Investitionen in Infrastruktur bekommen sollen, sollte auf 200 Milliarden Euro verdoppelt werden.
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Die Grünen haben am Montagabend einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt, um höhere Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit zu ermöglichen. Anders als Union und SPD wollen die Grünen einen größeren Anteil dieser Ausgaben aus dem regulären Bundeshaushalt finanzieren. Erst ab einer Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen Ausgaben für "Gesamtverteidigung und sicherheitspolitische Aufgaben" nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Dies sieht der von der Fraktion beschlossene Entwurf vor. Die Grünen hatten SPD und Union angeboten, dies gemeinsam noch mit dem alten Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu beschließen.
Die Grünen wollen zudem Sicherheit breiter definieren. "Dazu gehören die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, auch in Systemen kollektiver Sicherheit, der Ausbau nachrichtendienstlicher Fähigkeiten, die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, Maßnahmen der Auslandshilfe im Krisenfall, die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und der Schutz der Zivilbevölkerung, außerdem der Schutz der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur", heißt es in dem Beschluss, der für die Sondersitzung des Bundestages am Donnerstag eingebracht wurde.
Quelle: Reuters
Die Grünen wollen zudem Sicherheit breiter definieren. "Dazu gehören die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, auch in Systemen kollektiver Sicherheit, der Ausbau nachrichtendienstlicher Fähigkeiten, die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, Maßnahmen der Auslandshilfe im Krisenfall, die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und der Schutz der Zivilbevölkerung, außerdem der Schutz der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur", heißt es in dem Beschluss, der für die Sondersitzung des Bundestages am Donnerstag eingebracht wurde.
Quelle: Reuters
Wo hakt es noch bei der Verteidigung?
Auch die Grünen sind für eine deutliche Ausweitung des Wehretats. Die Pläne von Union und SPD greifen ihnen jedoch "zu kurz", wie Haßelmann am Montag sagt. Die Partei vermisst mehrere Aspekte in der Einigung von Union und SPD, darunter:
- Krisenresilienz
- Bündnisfähigkeit
- Unterstützung der Ukraine
All das müsse bei einer Grundgesetzänderung mitgedacht werden, findet Haßelmann. "Wir sind in den Debatten längst weiter als dieser Entwurf."
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