Verdeckte Verschuldung: Sondervermögen nicht das Problem
Interview
Volkswirt zu Verschuldung:Prinz: "Das Problem ist nicht das Sondervermögen"
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Das Sondervermögen schlägt momentan hohe Wellen. Aber der wahre Schuldenberg steckt ganz woanders, erklärt Volkswirt Aloys Prinz im ZDFheute-Interview.
Bisher konnte sich Deutschland finanziell auch nach Krisen gut erholen. (Symbolbild)
Quelle: dpa
ZDFheute: In jeder Krise nimmt der Staat neues Geld auf und dann raufen sich alle die Haare, wie Deutschland von den Schulden runter kommen soll. Wie blicken wir heute auf die Schulden von gestern?
Aloys Prinz: In der Euro-Krise sind die Schulden in den Euro-Ländern explodiert. Der Höhepunkt war 2014, dann ging das Niveau wieder zurück, aber im Schnitt blieben die Schulden rund zehn Prozentpunkte über dem Vorkrisenniveau. Und die hochverschuldeten Euro-Länder waren auch weiterhin hochverschuldet.
In Deutschland verlief es anders. Deutschland hat es nach der Euro-Krise wie auch nach der Corona-Pandemie geschafft, immer wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen. Die Zahlen zeigen es deutlich: 2008 lag die Schuldenquote bei gut 65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes BIP, Ende 2024 bei gut 62 Prozent.
So verschuldet ist Deutschland
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ZDFheute: Lässt sich daraus Hoffnung schöpfen, dass Deutschland auch mit diesen enormen Summen für Verteidigung und Infrastruktur auf lange Sicht gut umgehen kann?
Prinz: Theoretisch ja, aber es ist auch eine politische Frage. Das Problem ist nicht so sehr das Sondervermögen, weil das ein fester Betrag ist, der nicht weiter wächst - auch wenn 500 Milliarden Euro erstmal gigantisch klingen.
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Aber viel gravierender wirkt sich aus, dass die Politik permanent erlauben will, Verteidigungsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch Schulden zu finanzieren. Hier reden wir zwar nur über Prozentzahlen im einstelligen Bereich, und die hören sich im Gegensatz zu 500 Milliarden gar nicht schlimm an. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Besser wäre es daher, auch für die Verteidigungsausgaben ein weiteres Sondervermögen aufzulegen.
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Aloys Prinz, Volkswirt und Professor für Finanzwissenschaft
... ist emeritierter Professor für Finanzwissenschaft an der Universität in Münster. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Fachpublikationen. Gemeinsam mit Hanno Beck gewann er 2015 den Finanzbuchpreis für "Die große Geldschmelze", ein Werk über die globale Niedrigzinspolitik.
ZDFheute: Unsere Nachkommen müssen dafür blechen, heißt es immer wieder, daher sei Schuldenmachen ein Bruch mit dem Generationenvertrag. Wer wird am Ende alles bezahlen?
Prinz: Wenn durch Schulden Investitionen finanziert werden, die notwendig sind, dann steht der Verschuldung ein Vermögen gegenüber. Werden beispielsweise neue Schulen gebaut oder das Internet aufgerüstet, profitieren die nächsten Generationen.
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Problematisch sind Schulden allerdings, wenn sie beispielsweise Sozialleistungen finanzieren sollen. Dann verschiebt man die Verantwortung für die Schulden von heute auf die Generationen von morgen.
Und da sind wir beim eigentlichen Verschuldungsproblem in Deutschland, das ist die sogenannte 'verdeckte Verschuldung'.
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Aloys Prinz, Volkswirt und Professor für Finanzwissenschaft
Sie steckt in den öffentlichen Alterssicherungssystemen wie der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung.
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ZDFheute: Was sind denn die konkreten Konsequenzen, wenn die Schulden steigen?
Prinz: Zunächst wird die Staatsfinanzierung teurer, der Staat muss auf die Schulden entsprechende Zinsen zahlen. Und wenn diese Zinsen aus Steuern finanziert sind, stehen die Mittel für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung.
Das heißt Prioritäten setzen, denn der Staat muss gleichzeitig dafür sorgen, die Konjunktur anzukurbeln. Die Staatsverschuldung steht ja immer in Beziehung zur Wirtschaftsleistung, also zum BIP.
Und wenn wir in Deutschland die Wirtschaft nicht wieder zum Laufen kriegen, dann wird die Schuldenquote immer größer.
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Aloys Prinz, Volkswirt und Professor für Finanzwissenschaft
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ZDFheute: Verliert Deutschland unter Umständen an Bonität?
Prinz: Deutschland ist regelmäßig unter den Top 3 Ländern mit den besten Ratings. Die Bonität ist also so positiv, dass wir Kapazitäten haben, weitere Schulden zu machen. Das ist die gute Nachricht.
Aber es muss Kürzungen geben. Wir sehen es bei Frankreich, das mit höheren Schulden zu kämpfen hat als Deutschland - wie schwer es ist, den laufenden Haushalt zu finanzieren.
Länder mit hohen Schulden haben kaum finanzielle Spielräume. Das haben viele Menschen während der Euro-Krise und der Corona-Pandemie schmerzlich zu spüren bekommen.
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Aloys Prinz, Volkswirt und Professor für Finanzwissenschaft
Das Interview führte Eva Schmidt.
Quelle: dpa
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