SPD und Union: Das milliardenschwere "Deutschland-Doping"

Analyse

Sondierungen von SPD und Union:Das milliardenschwere "Deutschland-Doping"

Sina Mainitz
von Sina Mainitz
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In den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD geht es um eine mögliche Koalition und um neue Schulden. Unter Ökonomen stoßen die auf ein geteiltes Echo.

Friedirch Merz und Lars Klingbeil geben eine Pressekonferenz zu den Sondierungsgesprächen zwischen der Union und der SPD.
Union und SPD kündigten nach ersten Sondierungen an, einen 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf für die Modernisierung der Infrastruktur einzurichten.05.03.2025 | 1:17 min
Es braucht Zeit, bis sich alle einig werden in Berlin. Eine neue Regierung formiert sich nicht von heute auf morgen. Was aber gemunkelt wird: Es könnte teuer werden für deutsche Steuerzahler. Milliarden Euro sind vorgesehen, die marode Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen von den Beschränkungen der Schuldenbremse ausgenommen werden.
Zudem könnte ein neues Sondervermögen für Infrastruktur mit der Laufzeit von zehn Jahren geplant sein, das Volumen: 500 Milliarden Euro. Nicht nur bei den Teilnehmern am Verhandlungstisch, sondern auch unter Ökonomen stößt das auf ein geteiltes Echo.
ZDF-Reporter Schmiese berichtet aus Berlin
Die Parteien im Bundestag sind sich uneinig über das Finanzpaket von Union und SPD. ZDF-Reporter Schmiese berichtet aus Berlin.05.03.2025 | 1:22 min

Viel Zuspruch für Pläne von Union und SPD

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der Bank ING, etwa sagt:

Die Entwicklungen der letzten Tage haben die wahrscheinlich nächste deutsche Regierung zu einem historischen Schritt veranlasst, indem sie ein Steuerpaket ankündigte, das endlich den Beginn besserer Jahre für die Wirtschaft markieren könnte.

Carsten Brzeski, ING-Diba

Die Welt ist im Wandel - seit der Vereidigung von Donald Trump erst recht. Die geplanten Zölle gegen die EU, der Streit mit dem ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus und die Folgen, die anhaltende Wirtschaftsflaute Deutschlands. Das alles zwingt zum Handeln. Jens Südekum, Professor für International Economics an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, sagt:

Die Einigung der Sondierer ist ein 'Gamechanger', ein wuchtiges und gutes Paket. Die Freistellung der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse erlaubt einen dauerhaften Aufbau der militärischen Fähigkeiten.

Jens Südekum, Professor für International Economics, Düsseldorf

Katharina Dröge, Bundestags Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen spricht bei einem Statement nach dem Treffen mit dem Kanzlerkandidaten der Union , Merz, im Bundestag.
Union und SPD haben sich bei ihren Sondierungsgesprächen auf ein umfassendes Finanzpaket geeinigt. Aber nicht nur die Grünen zweifeln und zögern.05.03.2025 | 1:50 min

Es gibt auch mahnende Worte

Militärisch unabhängiger von den USA werden, ist ein Ziel. Die finanziell geplante Offenherzigkeit ein ganz anderes. Drum gibt es mahnende Worte, das Geld solle nicht mit der Gießkanne ausgegeben werden:
Union und SPD brauchen noch weitere Parteien, um dieses Paket mit einer Grundgesetzänderung zu beschließen. Zwei Drittel des alten Bundestags müssen zustimmen. Doch genau das könnte schwierig werden. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte im ZDF:

Das, was da vorgeschlagen wird, ist die faktische Aushöhlung der Schuldenbremse und eine gigantische Gelddruckmaschine. Und da kann es natürlich keine Zustimmung der Freien Demokraten geben.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr im ZDF

Britta Haßelmann  B'90/Grüne | Fraktionsvorsitzende
"Wie wir uns am Ende verhalten, ist vollkommen offen", so Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, zum Milliardenpaket der Union und SPD. Es würden sich noch "zentrale Fragen" dazu stellen.06.03.2025 | 5:23 min
Gegenstimmen hagelt es auch seitens der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Man könnte meinen, in wirtschaftlich kriselnden Zeiten ist kein Platz mehr für Klimaschutz. Genau hiervor warnt Greenpeace. Ihr Geschäftsführer Martin Kaiser mahnt an, dass die Klimakrise im Vergleich zum Ukraine-Krieg eine nicht minder existentielle Bedrohung darstellt.
Kaiser kritisierte, dass in den Plänen von Union und SPD "die Menschheitsaufgabe Klimaschutz bisher mit keinem Wort auftaucht". Auch die Jugend dürfte mit weiterem Schuldenmachen nicht einverstanden sein, schließlich trägt sie eines Tages die Hauptlast.
ZDF-Reporter Bethmann berichtet von der Börse
Deutschland droht ein drittes Jahr der Rezession in Folge. Die Rekordinvestitionen könnten neuen Schwung in die Wirtschaft bringen. ZDF-Reporter Bethmann berichtet von der Börse.05.03.2025 | 1:03 min

Sorge vor wieder aufflammender Inflation

So die Milliarden-Geldspritze tatsächlich kommen sollte, ist es wichtig, das Geld in die richtige Richtung zu lenken. Nur dann kann es zu einem echten "Gamechanger" werden, wie es manch einer beschreibt. Die Krux an der Sache - Geld alleine macht auch im Fall der deutschen Wirtschaft nicht glücklich und gesund.

Die Standortqualität ist seit den Merkel-Jahren auf breiter Front erodiert. Die Unternehmen leiden auch unter Bürokratie, hohen Steuern, Energiekosten und Lohnnebenkosten sowie Mängeln im Bildungsbereich.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank AG

Von heute auf morgen ist das Ruder nicht herumzureißen. Auch bleibt die Sorge vor einer wieder aufflammenden Inflation, sollte demnächst tatsächlich die gigantische Summe von 500 Milliarden Euro locker gemacht werden. Der Schuldenstand Deutschlands würde relativ zum Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren kräftig steigen. Dennoch sind die Gespräche über das Sondervermögen ein Signal von Aufbruchstimmung in Deutschland und von Selbstbestimmung, was die Verteidigung Europas angeht.
Bis vor kurzem konnte man sich auf die USA verlassen - doch der Wandel im Weißen Haus zwingt zum Umdenken.

Ja, es wird zu Einwänden von Ökonomen kommen, doch letztlich gilt: Klein-Klein geht in Anbetracht der geopolitischen Entwicklungen nicht mehr.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

Sina Mainitz arbeitet in der ZDF-Redaktion Wirtschaft und Finanzen.

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