Industriestrompreis reicht nicht:Chemie- und Pharmabranche fordert mehr Entlastungen
von Eva Schmidt und Sybille Schultz
Lichtblick am Ende einer Woche schlechter Nachrichten: Die Chemie- und Pharmabranche begrüßt den Industriestrompreis der Bundesregierung. Aber: Sie fordert weitere Entlastungen.
GlaxoSmithKline Biologicals stellt Impfstoffe für den Weltmarkt her: Der saisonale Grippe-Impfstoff wird in rund 70 Ländern vertrieben.
Quelle: ImagoEs geht um die Zukunft eines der größten und wettbewerbsfähigsten deutschen Industriezweige. Zählt man angrenzende Branchen wie Glas oder Kunststoffe hinzu, arbeiten hier 585.000 Menschen. Und für sie begann die Woche mit einem Dämpfer.
Am Montag berichtete das ifo-Institut, wie stark sich die Stimmung in der Chemie- und Pharmabranche verschlechtert habe. Ein wesentlicher Grund für den Pessimismus: die schlechte Auftragslage.
In der Chemieindustrie sind die Umsätze und Produktionen im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Grund dafür sind unter anderem die Zollpolitik der USA sowie hohe Energiepreise.
17.07.2025 | 0:24 minChemie: Produktion, Umsatz und Auslastung sinken
Am Dienstag dann warnte die Chemie- und Pharmabranche selbst vor einem "Knockout". Wie der Branchenverband VCI mitteilte, waren im dritten Quartal Produktion, Umsatz und Auslastung der Anlagen zurückgegangen.
In Zahlen heißt das: Die Produktion ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,5 Prozent geschrumpft, der Umsatz um 2,3 Prozent und die Auslastung der Industrieanlagen sank laut VCI auf 70 Prozent - sie bleibt damit unter der als rentabel geltenden Schwelle.
Das Minus ging zwar ausschließlich auf das Konto der Chemieindustrie, doch auch der Pharmabereich ist nicht mehr das Zugpferd, das er einmal war.
Industriestrompreis nur Teilentlastung
Mit dem Industriestrompreis hat die Koalition nun eine Forderung der Branche erfüllt: Für die Zeit von 2026 bis 2028 soll ein Preis von fünf Cent je Kilowattstunde gelten. Dies sei "ein nützlicher Baustein, ersetze aber keine echte Standortoffensive", so die Reaktion von Wolfgang Große Entrup vom Branchenverband VCI. Er fordert "eine Entlastung auf breiter Front".
Union und SPD haben sich im Koalitionsausschuss auf die Einführung eines Industriestrompreises sowie den Bau von Gaskraftwerken verständigt.
13.11.2025 | 2:55 minFür die Mollstimmung macht der Verband ein ganzes Paket an Problemen verantwortlich. Denn es sind nicht nur die Strompreise: Hinzu kommen aus Sicht der Industrie auch die hohen Gaspreise, zu viel Bürokratie, US-Zölle und Konkurrenz aus China zu Dumpingpreisen.
Und geht es um die Verantwortung der Politik, ziehen sowohl der Unternehmensverband VCI als auch die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie, IG BCE, an einem Strang.
Koalitionsvertrag: Viel versprochen, wenig geliefert
Aus der Ankündigung im schwarz-roten Koalitionsvertrag, "Deutschland zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort" machen zu wollen, sei noch nicht viel gefolgt, erklärte die Gewerkschaft auf Anfrage von ZDFheute.
Die Wirtschaft steckt in der Krise - und es geht kaum voran. Viele Versprechungen, doch bislang hat Schwarz-Rot die Erwartungen der deutschen Wirtschaft nicht erfüllt.
26.10.2025 | 3:57 minDie Politik solle ihren Beitrag zur Transformation leisten, was zum Beispiel heißt: Schnellerer Ausbau von Stromtrassen, damit große Chemiewerke wie BASF in Ludwigshafen angebunden werden können an Windparks in der Nordsee.
Den stärksten Einfluss auf die Krise in der Chemie- und Pharmaindustrie hat nach Einschätzung von Anna Wolf vom Ifo-Institut der Standort Deutschland, der "an Attraktivität verliert". Die größten Probleme seien die Energiepreise und die starke Bürokratie.
Unter der Überschrift „Entlastungskabinett“ hat die Bundesregierung in Berlin Vorhaben zur Entbürokratisierung beschlossen. Nur ein erster Schritt aus Sicht von Unternehmern.
05.11.2025 | 2:33 minIG BCE: Lohnverzicht rettet nicht die Branche
Insbesondere die Berichtspflichten im Rahmen des Klimaschutzes, die sogenannten ESG-Kriterien, erforderten hohen Aufwand, so die Branchenanalystin gegenüber ZDFheute. Hinzu kämen die im internationalen Vergleich hohen Steuern und Personalkosten.
Personalkosten sind die einzige Schraube, an der die Unternehmen drehen können.
Anna Wolf, Ifo-Institut
Dem widerspricht die Gewerkschaft BCE allerdings vehement. Der Lohn- und Gehaltsanteil am Umsatz in der chemischen Industrie sei im Vergleich mit anderen Branchen gering: 2024 habe er bei rund 15 Prozent gelegen. Mit Lohnverzicht sei die Chemie- und Pharmaindustrie daher nicht zu retten.
Überangebot aus China setzt Branche unter Druck
Und es gibt eine weitere bittere Pille für die Chemie- und Pharmabranche. "Wie in vielen Branchen kreiert China auch in der chemischen Industrie ein Überangebot. Der Markt ist hart umkämpft", so Hubertus Bardt, volkswirtschaftlicher Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft, im Gespräch mit ZDFheute.
Die Importe aus China übersteigen Deutschlands Exporte um rund 87 Milliarden Euro. ZDF-Wirtschaftsexpertin Stephanie Barrett erklärt die Gründe.
04.11.2025 | 1:38 minChina subventioniert seine Industrie, so dass es seine Produkte günstiger auf dem Weltmarkt anbieten kann als beispielsweise Deutschland. Dem müsse man aber nicht tatenlos zusehen, sagt die IG BCE und fordert "Anti-Dumping-Zölle" und eine Stärkung der europäischen Lieferketten:
Wer hier verkaufen will, muss auch hier investieren und Jobs schaffen.
Hubertus Bardt, Institut der deutschen Wirtschaft
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