Energiewende: Investitionsbereitschaft sinkt - KfW-Barometer

KfW-Energiewendebarometer:Energiewende: Zustimmung bleibt hoch, Engagement schwindet

von Karen Grass
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Die Energiewende - viele halten sie für wichtig. Allerdings: Besonders bei hohem Kostendruck schlägt die Haltung um, wie eine neue Erhebung zeigt. Die Gründe - und was helfen kann.

Ein Mann montiert Photovoltaikmodule auf dem Dach eines Wohnhauses.

Immer weniger Haushalte sind bereit, den Wandel hin zu mehr Klimaschutz selbst voranzutreiben, wie die Förderbank KfW in der jüngsten Auflage ihres jährlichen "Energiewendebarometers" feststellt. (Symbolbild)

Quelle: dpa

1.500 Euro - diese Nachzahlung stand auf Aleksandar Milivojsas letzter Nebenkostenabrechnung. Mit der Verbraucherzentrale will er checken, ob das so stimmt, zahlt die Summe unter Vorbehalt aber schon mal in Raten ab: "Auf einen Schlag kann ich mir das nämlich nicht leisten", so Milivojsa.

Er arbeitet bei einem Lieferdienst und verdient etwas über Mindestlohn. Dass er neben den eigentlichen Heizkosten auch noch den gesetzlich festgelegten CO2-Preis aufs verheizte Gas zahlen muss, dafür hat Milivojsa kein Verständnis. "Der Bevölkerung wird mit der Klimapolitik das Geld aus der Tasche gezogen", meint er.

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Energiewendebarometer zeigt soziale Kluft

Laut neuem Energiewendebarometer der Förderbank KfW ist diese Haltung kein Einzelfall: Personen mit hohem Kostendruck stehen demnach der Energiewende, die ja durch den CO2-Preis angeregt werden soll, deutlich kritischer gegenüber als andere. Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW, mahnt:

Eine Form des sozialen Ausgleichs ist bei der Energiewende dringend nötig, denn was bisher getan wird, nehmen die Betroffenen offensichtlich nicht als ausreichend wahr

Dirk Schumacher, Chefvolkswirt KfW


  • Die KfW befragt regelmäßig 4.000 repräsentative Haushalte zu ihrer Haltung zur Energiewende.
  •  83 Prozent der Befragten finden die Energiewende laut aktuellem Barometer wichtig oder sehr wichtig - ein leichter Anstieg nach 82 Prozent im Vorjahr.
  • Eine hohe Handlungsbereitschaft, zur Energiewende selbst aktiv beizutragen und etwa in Technologien wie E-Mobilität zu investieren, äußern dagegen nur 59 Prozent der Haushalte (2024: 61 Prozent; 2020: 68 Prozent).
  • Haushalte mit geringen Einkommen zeigen mit nur 52 Prozent eine besonders geringe eigene Handlungsbereitschaft. Bei den höchsten Einkommen liegt die Bereitschaft dagegen bei 66 Prozent.
  • Diese Kluft ist - wohl auch durch Inflation und gesamtwirtschaftliche Lage - in den letzten Jahren massiv gewachsen: 2023 lagen beide Einkommensgruppen noch recht nah beieinander.
  • Insgesamt nimmt die Verbreitung klimafreundlicher Technologien trotzdem weiter zu.
  • Rund 33 Prozent der befragten Haushalte (circa 13,5 Millionen) nutzen Technologien wie Wärmepumpe, Photovoltaikanlage (PV), Solarthermieanlage, Batteriespeicher, Kraft-Wärme-Kopplung, Holzpelletheizung und/oder Elektroauto. Weitere sechs Prozent (2,3 Millionen) der Haushalte planen aktuell eine Anschaffung.
  • Während in mittleren und höheren Einkommensgruppen jedes Jahr mehr Haushalte Energiewendetechnologien nutzen, sind es in unteren Einkommensgruppen jetzt gegenüber dem Vorjahr prozentual sogar weniger Haushalte.

Quelle: Energiewendebarometer KfW


Insgesamt hat sich die Zustimmung zur Energiewende laut Barometer auf hohem Niveau stabilisiert. Doch die eigene Bereitschaft, etwa in klimafreundliche Technologien zu investieren, sinkt. "Gründe dürften die wirtschaftliche Unsicherheit, der nachgebende Arbeitsmarkt und Sorgen um die eigene finanzielle Situation sein", so Schumacher.

Dass in den letzten Jahren teils Programme wie die Kaufprämie für E-Autos eingestellt wurden, verschärfe die Situation. "Durch die Streichung der Förderung fallen da einige Haushalte heraus, die diese Kaufprämie vorher über die Schwelle zum Kauf gehoben hat", meint der Chefvolkswirt.

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Wenig Förderung für geringe Einkommen

Allerdings hätten laut Auswertungen vor allem Menschen mit hohen Einkommen die Kaufprämie genutzt, sagt Nelly Unger, Mobilitätsexpertin beim Öko-Institut. "Es gibt im Verkehrsbereich bis auf das Deutschlandticket und Sozialtickets im ÖPNV generell kaum Förderung, die speziell vulnerablen Gruppen wie Menschen mit geringen Einkommen hilft", so Unger.

Menschen wie Lieferfahrer Aleksandar Milivojsa. Er fährt mit seinem privaten Pkw aus, ein Gebrauchtwagen: "Ein neues Auto zu kaufen, ist unmöglich", sagt er. Erst recht kein E-Auto. Wie sollen Menschen wie er auf umweltfreundliche Technologien umsteigen?

"Eine Option wäre ein sozial gefördertes E-Auto-Leasing für vulnerable Privatpersonen und Kleinstunternehmen mit Raten von 50 bis 100 Euro pro Monat", sagt Expertin Unger. In Frankreich war ein entsprechendes Programm für Privatpersonen sehr erfolgreich. Denkbar sei ein Volumen von etwa 100.000 geleasten Autos pro Jahr.

Das Problem:

  • Kosten für fossile Energien könnten in den kommenden Jahren steigen, da der deutsche CO2 -Preis in den europäischen Emissionshandel ohne fixe Preisobergrenze übergehen soll. Laut KfW sind statt bisher 55 Euro je Tonne CO2 dann Preise zwischen 51 und 391 Euro möglich.
  • Haushalte mit geringen Einkommen fühlen sich durch Energiekosten und den CO2-Preis auf fossile Energien oft besonders belastet, haben aber häufig weniger eigene Handlungsmöglichkeiten, da sie etwa zur Miete wohnen oder sich kein E-Auto leisten können.
  • Bisher gibt es in Deutschland kein politisches Konzept, wie die Energiewende sozial abgefedert werden soll, die Bundesregierung will aber in dieser Legislatur einen sogenannten Klimasozialplan vorlegen.

Lösungsansätze:

  • Fachleute sprechen sich für einkommensgestaffelte Förderprogramme aus. Und tatsächlich hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag versprochen: "Ein Programm für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen (...), um den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität gezielt zu unterstützen." Noch fehlt aber ein konkreter Vorschlag dazu.
  • Im Bereich Mobilität empfehlen Fachleute neben sozialen Leasingprogrammen oder einkommensabhängigen E-Auto-Kaufprämien einen massiven Ausbau des ÖPNV, auch auf dem Land.
  • Im Bereich Wärme könnten Förderprogramme für Heizungstausch oder energetische Sanierungen einkommensgestaffelt und für geringe Einkommen entsprechend erhöht gestaltet werden.
  • Auch gezielte Förderung für Vermietende, die bei Einbau neuer Heiztechnologien die Miete auf einem sozialverträglichen Niveau halten, seien denkbar. In Ballungsräumen sei außerdem die kommunale Wärmeplanung mit Fernwärme und Co. zentral für die Energiewende.

Quellen: Öko-Institut, Koalitionsvertrag CDU/CSU/SPD


SGS Vinke

"Wir müssen sehr schnell in die erneuerbaren Energien investieren, weil wir nur so unseren Wohlstand werden sichern können", so die Klimafolgenforscherin Kira Vinke von der DGAP.

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Volkswirt: Subventionen fossiler Energien kontraproduktiv

Fachleute sehen aber auch die Wirtschaft in der Pflicht. Mit bezahlbaren E-Auto-Modellen, Ladeinfrastruktur und Akzeptanzmaßnahmen. "Einige Bundesländer verpflichten Wind- und Solarparkentwickler dazu, anliegenden Kommunen eine Abgabe zu zahlen, oder die Anwohnenden finanziell zu beteiligen, etwa durch vergünstigte Stromtarife oder die Förderung lokaler Vereine", sagt Franziska Mey vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit am Helmholtz-Zentrum für Geoforschung.

Solche Maßnahmen können plakativ sichtbar machen, wie die Bevölkerung von der Energiewende profitieren kann.

Franziska Mey, Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit am Helmholtz-Zentrum für Geoforschung

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Die Energiekosten in Deutschland seien zu hoch, sagt Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. Deshalb seien Korrekturen bei der Energiewende vonnöten.

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Doch statt Vorteile der Energiewende hervorzuheben oder sie sozial gerechter auszugestalten, werde mit dem Fokus der Bundesregierung auf neue Gaskraftwerke das Tempo der Energiewende verlangsamt, so Mey.

Chefvolkswirt Schumacher ergänzt: Neue Subventionen fossiler Energien, etwa die geplante Übernahme der Gasspeicherumlage für private Haushalte aus dem Klima- und Transformationsfonds des Bundes, seien potenziell kontraproduktiv. Eine Entlastung solle nämlich möglichst so gestaltet sein, dass es dennoch eine Lenkungswirkung hin zu klimafreundlichen Technologien gebe.

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