Reiches Kurswechsel zur Energiewende: Welche Folgen hat das?

Reiches Maßnahmenpaket im Check:Was jetzt für die Solarwende zählt

von Eva Schmidt
|

Solardächer auf Eigenheimen könnten bald zu Ladenhütern werden, folgt man den Plänen von Ministerin Reiche zur Energiewende. Wie fällt ihr angekündigter "Realitätscheck" aus?

Ein Mann montiert Photovoltaikmodule auf dem Dach eines Wohnhauses.

Reiches Kurswechsel in der Energiepolitik sorgt für Verunsicherung in der Solarbranche.

Quelle: dpa

Anja Richter aus Müncheberg in Brandenburg ist ernüchtert. Um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, hat die Biologin mit ihrer Familie 25.000 Euro in ein Solardach investiert, erzählt sie gegenüber ZDFheute. Bislang allerdings bleibt sie auf dem Ökostrom sitzen: "Wir werden vertröstet auf die Zukunft."

Das Problem: Das Versorgungsnetz vor Ort ist noch nicht ausreichend ausgebaut, daher kann die Familie ihren überschüssigen Strom bislang nicht ins öffentliche Netz einspeisen. Der Verbraucherzentrale Potsdam ist diese Problematik bekannt, erklärt diese auf Anfrage, aber wie viele solcher Fälle es in Brandenburg gibt, lässt sich aktuell nicht beziffern. Die Familie hat nun in E-Mobilität investiert, damit möglichst wenig von ihrem Solarstrom ungenutzt verfällt.

sgs -Sievers mit Katherina Reiche

Die Energiekosten in Deutschland seien zu hoch, sagt Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. Deshalb seien Korrekturen bei der Energiewende vonnöten.

15.09.2025 | 8:54 min

Kein Solarstrom für die Nachbarn

Anja Richter würde gerne diesen überschüssigen Strom an die Nachbarn verschenken. Aber in Deutschland ist Nachbarschaftsstrom nicht zulässig beziehungsweise erfordert erheblichen bürokratischen Aufwand.

Die Rädchen sind nicht aufeinander abgestimmt, es gibt zu wenig Effekte für die Gemeinschaft vor Ort.

Anja Richter, Solardachbesitzerin

In diesem Punkt allerdings verspricht die Bundesregierung Abhilfe, in Zukunft soll das sogenannte "Energy Sharing" leichter werden.

Energiewende im Realitätscheck
:Reiche steuert um bei der Energiepolitik

Erstmals hat eine Bundesregierung die Gesamtkosten der Energiewende unter die Lupe genommen. Bundeswirtschaftsministerin Reiche will andere Schwerpunkte setzen. Welche das sind.
von Stephanie Barrett
Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche und der polnische Finanz- und Wirtschaftsminister Andrzej Domanski sprechen bei der Eröffnung des 3. Deutsch-Polnischen Wirtschaftsforums der Deutschen Wirtschaft
mit Video

Energie-Experte: Bau kleiner Anlagen drosseln

Stephan Sommer, Professor für Volkswirtschaft mit dem Schwerpunkt Umwelt und Energie, hält es daher für richtig, das Tempo beim Ausbau von kleinen PV-Anlagen zu drosseln und stärker nach dem Marktgeschehen auszurichten. Was beispielsweise bedeuten könnte, keine pauschale Einspeisevergütung mehr zu zahlen, sondern nur noch die Differenz zum Börsenpreis.

Was heißt das für Eigenheimbesitzer mit Solardach? "Die Wirtschaftsministerin würgt den Markt richtig ab", schätzt Günter Franke, vereidigter Sachverständiger für PV-Anlagen, die Lage ein.

Vorstellung des Monitoringberichts zur Energiewende

Weniger Subventionen, niedrigere Kosten: so will Wirtschaftsministerin Reiche die Energiewende umsetzen. Die Industrie begrüßt die Pläne. Die Opposition fürchtet um den Klimaschutz.

15.09.2025 | 1:51 min

Klimaökonom: Besser Ausbau der Netze fördern

Eine solche Investition wie eine Solaranlage sei für die Zukunft geplant, meint Franke, viele Verbraucher ließen sich daher gleich größere Anlagen bauen - für den Fall, dass vielleicht später noch E-Auto und Wärmepumpe dazu kommen. Was aber, wenn bis dahin überschüssiger Strom entsteht? Sein Fazit:

Ohne Einspeisevergütung entsteht große Verunsicherung bei Privatleuten.

Günter Franke, Experte für PV-Anlagen

Matthias Kalkuhl, Klimaökonom vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, hält es dennoch für richtig, die bisherige Förderung von kleinen Solaranlagen auf Eigenheimen zu streichen - wenn stattdessen das Geld in dringendere Projekte fließt wie den Ausbau der Netze.

Energiewende: Haushalte mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen

Lob findet Matthias Kalkuhl für die intelligenten Stromzähler in den Plänen von Katherina Reiche (CDU) - wobei, erklärt Kalkuhl, daran auch schon die Vorgängerregierung gearbeitet hat. Haushalte können mit diesen "Smart Metern" in Echtzeit erkennen, wann Strom günstig im Verbrauch ist, zum Beispiel bei viel Sonne oder Wind.

Ein Solarpark in Bayern ist zu sehen.

Bei der Solarenergie sind in Deutschland die bis 2030 gesteckten Ausbauziele zur Hälfte erreicht. Jedoch lässt die Nachfrage nach Photovoltaik bei Eigenheimbesitzern stark nach.

04.07.2025 | 1:31 min

Für Anja Richter kommt bei der aktuellen Debatte über die Zukunft der Energiewende ein Punkt zu kurz: "Die Trennung zwischen denen, die sich was leisten können, und denen, die wenig haben."

Auch der Ökonom Stephan Sommer räumt ein, dass nicht alle Haushalte über die gleichen Voraussetzungen verfügen. Wer sich ein Solardach anschafft oder eine Wärmepumpe, hat in der Regel ein Eigenheim und entsprechende finanzielle Spielräume für Investitionen.

Klimageld als sozialer Ausgleich für CO2-Preis?

Stephan Sommer befürwortet deshalb ein einkommensgestaffeltes Klimageld. Es könnte als sozialer Ausgleich dienen für den steigenden CO2-Preis auf Benzin oder Heizöl, der zur Finanzierung der Energiewende herangezogen wird.

Das Klimageld war im Koalitionsvertrag der vorherigen Ampel-Regierung zwar festgeschrieben, aber nicht umgesetzt worden. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung taucht der Begriff "Klimageld" schon gar nicht mehr auf.

Eva Schmidt ist Redakteurin in der ZDF-Hauptredaktion WIRSSUM.

Mehr zur Energiewende