Experte zu Energiewende: Speicherprobleme müssen gelöst werden

Interview

Forscher Volker Quaschning:Energiewende: "Masterplan haben wir nicht"

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Energieexperte Quaschning warnt: Deutschlands Energiespeicher reichen nicht. Terra-X-Moderator Lesch spricht mit ihm darüber, was für ein Gelingen der Energiewende passieren muss.

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ZDFheute: Wir wissen beide: Nachts scheint die Sonne nicht. Das Speicherproblem ist schon so etwas wie ein Flaschenhals für den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Volker Quaschning: Wir wollen ja klimaneutral werden, das heißt, da muss mehr passieren. Wir werden einfach Überschüsse bekommen. Und dafür brauchen wir die Speicher. Sonst haben wir mittags zu viel Strom, den wir wegwerfen müssen.
ZDFheute: Wie viel Speicher bräuchten wir denn in Deutschland?
Quaschning: Man kann das Speicherproblem zweiteilen. Einmal die Sommerproblematik: Da haben wir tagsüber Sonne und müssen die Nacht überbrücken. Wir haben heute ungefähr 20 Gigawattstunden (GWh) an Batteriespeicher. Wir brauchen für die Nacht aber um die 500 Gigawattstunden. Das heißt wir müssen das, was wir an Batterien haben, 20, 25-mal erhöhen.
Und dann haben wir die Winterproblematik. Die ist deutlich schwieriger, weil wir zwei, drei Wochen überbrücken müssen. Da reichen am Ende die Batterien nicht aus. Da werden wir andere Speicher wie Gasspeicher brauchen.

Volker Quaschning
Quelle: ZDF/Hans Kranich

... ist Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin). Schwerpunkte seiner Forschung sind unter anderem die Modellierung und Simulation von regenerativen Energiesystemen, photovoltaische Eigenverbrauchssysteme mit Speichern und Energiekonzepte für eine nachhaltige Energieversorgung.

ZDFheute: Warum sind Länder wie die USA und China beim Speicherausbau weiter als Deutschland?
Quaschning: Wir haben in Deutschland gerade bei den Speichern lange Zeit hohe Abgaben gehabt. Man musste zwei Mal Netzentgelte zahlen, beim Be- und Entladen der Speicher. Das hat die Speicher wirtschaftlich unattraktiv gemacht. Deswegen wurden große Speicher bis vor wenigen Jahren gar nicht gebaut. Kürzlich wurden die Rahmenbedingungen verbessert, jetzt starten auch die Großspeicher durch. Aber da haben wir Nachholbedarf gegenüber den USA oder China.
Ein großes Silo steht auf einem Betriebsgelände in Finnland. Im Silo befinden sich 600 Tonnen Sand, damit soll Energie gespeichert werden.
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ZDFheute: Warum ist das so? Wenn ich einen Masterplan machen würde für eine Energiewende mit Erneuerbaren Energien, die so schwankend sind, dann müsste ich doch die Speicher von vornherein mitdenken.
Quaschning: Einen richtigen Masterplan haben wir nicht.

Wir gehen bei der Energiewende nach der Salami-Taktik vor: Es wird ein Schritt gemacht, dann gibt es Widerstände. Wenn diese überwunden sind, wird der nächste Schritt gemacht.

Volker Quaschning, Energieexperte

In den 90er-Jahren hat man gesagt, mehr als vier Prozent Erneuerbare gehen gar nicht. Jetzt haben wir beim Strom 60 Prozent erreicht. Als nächsten Schritt müssen wir jetzt die Speicher ausbauen. Bei einer planvollen Energiewende wären die schon lange da.
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ZDFheute: Hat Deutschland strukturelle Nachteile? Ich denke da zum Beispiel an die einheitliche Preiszone, die wir haben.
Quaschning: Wenn wir nach Skandinavien schauen: Schweden ist in verschiedene Strompreiszonen aufgeteilt. In Nordschweden hat man viel Wasserkraft, da ist der Strom billiger als in Südschweden. In Deutschland hat man eine große Einheitszone. Man möchte, dass alle das Gleiche bezahlen. Aber das sorgt dafür, dass wir die Energiewende nicht so durchführen, wie es wirtschaftlich am sinnvollsten wäre.
Ich kann in München Strom in Flensburg bestellen. Wie der von Flensburg nach München kommt, muss die Allgemeinheit regeln. Das sorgt für zusätzliche Kosten.
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ZDFheute: Was muss passieren für eine erfolgreiche Energiewende?
Quaschning: Wir haben die Ingenieure, wir haben das Know-how, wir haben die Forschung. Aber die Bereitschaft, das umzusetzen - hier müssen wir hinschauen. Mein größter Wunsch wäre, dass wir diese Skepsis ablegen und von dem Nörgler-Land zu einem Land werden, das offen für Zukunftstechnologien wird und eine Begeisterung dafür entwickelt.

Sonst haben wir nicht nur ein Klimaproblem, sondern auch ein Wirtschaftsproblem.

Volker Quaschning, Energieexperte

Denn China wartet nicht. Die starten planvoll durch. Wenn wir das nicht auch tun, muss uns klar sein: Dieselautos und Braunkohlebagger werden wir in 20 Jahren nicht mehr verkaufen.
Das Gespräch führte Harald Lesch, ZDF-Wissenschaftsmoderator der Sendungen "Terra X Harald Lesch", "Die großen Fragen" und "You Tube Lesch & Co.".
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