Nations League: Kleines Finale als Charaktertest für DFB-Elf

Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft rund elf Monate nach ihrem Aus im EM-Viertelfinale gegen Spanien nach Stuttgart zurückkehrt, geht es darum, die jüngste Enttäuschung durch die 1:2-Niederlage gegen Portugal am Ort einer anderen großen Enttäuschung zu überwinden. Frankreich heißt nun der Gegner im Spiel um Nations-League-Platz drei am Sonntag.

Die Partie gegen die Equipe Tricolore bietet für die deutsche Nationalelf die Gelegenheit, sich auch ohne Titel mit einem positiven Erlebnis aus dem Final Four der Nations League zu verabschieden, ehe es in drei Monaten mit der WM-Qualifikation weitergeht. 

Julian Nagelsmann ahnt, dass es für seine Belegschaft psychologisch nicht so leicht werden dürfte, den Vergleich der Halbfinal-Verlierer zu bestreiten. Es gibt ja vordergründig betrachtet wenig zu gewinnen. Inhaltlich aber sieht das anders aus, findet der Bundestrainer.

Ein Sieg ist eher am Rande das Ziel. Wichtiger ist dem Bundestrainer die Art und Weise des Auftritts. Wird der Charaktertest bestanden, ermöglicht das auch eher ein gutes Ergebnis.

Nagelsmann sagt es so: "Wenn wir ein Topspiel liefern, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir auch gewinnen." Sehen will er vor allem Konzentration, Leidenschaft und Zusammenarbeit, also jene Elemente, die er gegen Portugal ebenso vermisste wie Joshua Kimmich. "Wir haben am Sonntag die Chance, eine Reaktion zu zeigen", sagt der Kapitän. Zu verstehen ist das als Forderung.

Kimmich scheint aber guter Hoffnung zu sein, dass gegen Frankreich nun ein Auftritt mit den geforderten 100 Prozent Einsatz folgt. Auch übergeordnet sieht der 30-Jährige offenbar keinen Anlass zu Pessimismus. "Ich bin schon der Meinung, dass wir gefestigter sind als vor anderthalb Jahren", sagt Kimmich zur Frage, ob er sich sorge mit Blick auf die WM in einem Jahr.

Kimmichs Verweis gilt jener Phase, in der es der DFB-Elf gegen die Grande Fußballnation zweimal gelang, nach Enttäuschungen ein Erfolgserlebnis zu feiern und die Stimmung zu drehen: Zunächst im September 2023 durch ein 2:1, das sich allerdings nicht als nachhaltige Wende erwies. Und zuletzt im März 2024 durch ein 2:0 in Frankreich, auf das fünf Siege und zwei Remis folgten, ehe es zum EM-Aus gegen Spanien in Stuttgart kam.

Es ist allerdings ein gefühltes Downgrade bei der Nationalmannschaft, wenn nach der jüngsten Euphorie wegen einiger vielversprechender Auftritte nun wieder die Grundlagen des Spiels im Fokus stehen. Zu tun hat das auch mit dem Qualitätsverlust durch die vielen Ausfälle, darunter einiger Stammkräfte wie Jamal Musiala und Antonio Rüdiger.

Andererseits bietet die Partie in Stuttgart nun auch die Gelegenheit, an einer Enttäuschung zu wachsen. Man müsse auch dieses Spiel nutzen, "um uns zu entwickeln", sagt Nagelsmann.

In der Mannschaft scheint das Bewusstsein dafür vorhanden zu sein. Innenverteidiger Robin Koch spricht davon, es sei nach dem missratenen Auftritt gegen Portugal "extrem wichtig, dass wir die Saison mit einem guten Spiel abschließen".

Und Stürmer Niclas Füllkrug sagt: "Wir haben mit der Nationalmannschaft nicht viele Spiele. Wir müssen jedes Spiel nutzen, um besser zu werden, damit wir die WM auch erfolgreich bestreiten können." Hilfreich dafür soll die Begegnung mit dem WM-Zweiten von 2022 sein. Füllkrug formuliert es so: Die Partie um Platz drei sei "ein Spiel gegen einen sehr, sehr guten Gegner, das wir unbedingt gewinnen wollen - ich zumindest."