Doctolib und Jameda: Kritik an Patientenportalen für Arzt-Termine
Kritik von Verbraucherschützern:Doctolib und Jameda: Terminbuchung mit Hürden
von Sandra Lindenberger
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Laut Verbraucherzentrale Bundesverband ist die Online-Buchung von Arztterminen auf Patientenportalen oft nicht benutzerfreundlich. Woran das liegt und welche Alternativen es gibt.
Ob Doctolib oder Jameda: An Patientenportalen führt heutzutage oftmals kein Weg vorbei, um einen Arztermin zu buchen. Die Vor- und Nachteile im Überblick.
Quelle: Westend61
Immer mehr Arzttermine werden online gebucht. Laut dem Verbraucherzentrale Bundesverband weisen die beiden meistgenutzten Patientenportale - Doctolib und Jameda - bei der Terminbuchung jedoch gravierende Mängel auf.
Welche Probleme können im Buchungsprozess auftreten und wie können Patienten in Zeiten von zunehmenden digitalen und abnehmenden analogen Alternativen sicher an einen Termin gelangen?
In dem Marktcheck zur Nutzerfreundlichkeit von Online-Arztterminportalen wurden aus der Sicht von gesetzlich versicherten Neupatienten und -patientinnen in drei Szenarien Facharzttermine in Berlin und Hamburg gesucht und der Buchungsprozess systematisch dokumentiert.
Darüber hinaus wurden in einer repräsentativen Befragung 1.000 Internetnutzer befragt, 382 davon hatten in den vergangenen zwölf Monaten einen Arzttermin über ein Patientenportal gebucht.
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Irreführende Terminanzeigen
"Mehr als vier von zehn Nutzerinnen und Nutzer sind nach unserer repräsentativen Befragung bei der Terminbuchung auf Probleme gestoßen", erklärt Lucas Auer, Referent für Digitalisierung im Gesundheitswesen des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
Mitunter werden Termine als verfügbar angezeigt, die im weiteren Verlauf mit dem persönlichen Anliegen doch nicht buchbar sind.
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Lucas Auer, Referent Digitalisierung im Gesundheitswesen, vzbv
Oder es würden keine Neupatientinnen und Neupatienten mehr aufgenommen, erklärt Auer.
Jameda biete zudem teilweise mehr als 70 verschiedene Terminarten an, bei Doctolib sei es wegen unzulänglicher Filtereinstellungen wiederum nicht machbar, gezielt nach Terminen in einer Facharztgruppe zu suchen, sagt Lucas Auer vom vzbv.
Ebenso sei es vorgekommen, dass sich hinter Terminen am Ende eine Selbstzahler-Leistung oder Privatsprechstunde verbarg, wie der Verbraucherschützer mitteilt.
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Filtereinstellungen genau prüfen
Han Hendrik Oen, Hausarzt und Internist sowie Landesvorsitzender des Hartmannbundes Westfalen-Lippe, weist darauf hin, dass ein reibungsloser Buchungsprozess nicht zuletzt auch vom Mitwirken des Patienten abhängt: Dem Mediziner zufolge solle man etwa als Patient die Filteroptionen genau prüfen - und nicht gegebenenfalls den Selbstzahler wählen, weil als solcher ein früherer Termin möglich ist.
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Konto-Zwang versus Datenschutz
Dass Patientinnen und Patienten für die Nutzung eines Portals in der Regel ein Konto anlegen müssen und nicht als Gast einen Termin buchen können, findet Verbraucherschützer Lucas Auer außerdem bedenklich:
Der Besuchsgrund und die besuchte Einrichtung können unter Umständen Schlussfolgerungen zum Gesundheitszustand zulassen.
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Lucas Auer, Verbraucherzentrale Bundesverband
Das seien Daten, die nicht in falsche Hände geraten dürften, ergänzt Auer. Manche Menschen möchten dem Experten zufolge wegen dieses Risikos kein Profil anlegen. Viele Patientenportale seien in der Vergangenheit bereits mit Datenschutzverstößen auffällig geworden.
Um Services und Produkte wie den KI-Telefonassistenten weiterzuentwickeln und deren Leistungsfähigkeit zu steigern, möchte Doctolib seit Beginn dieses Jahres die künstliche Intelligenz mit anonymisierten Daten seiner Nutzer trainieren.
Hierbei geht es sowohl um Daten (einschließlich Gesundheitsdaten), die Patienten selbst eingeben, als auch solche, die von Arztpraxen eingespeist werden. Dieser Datennutzung müssen Patientinnen und Patienten mit einem Doctolib-Konto explizit zustimmen, sie werden nicht ohne Einwilligung verwendet.
Die Genehmigung kann im Bereich "Meine Präferenzen" unter "Serviceverbesserungen" widerrufen werden.
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Wie digital sollte die Terminvergabe sein?
Ein weiteres Problem sieht der vzbv in der abnehmenden Bereitstellung alternativer Möglichkeiten zur Buchung von Arztterminen und kritisiert Praxen, die die Terminvergabe ausschließlich online anbieten. Der vzbv fordert daher unter anderem den Ausbau der Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen.
Hausarzt und Internist Han Hendrik Oen hingegen weiß aus Erfahrung: "Arztpraxen haben ein immens hohes Anrufaufkommen, aber zu wenig Personal dafür." Sie seien häufig nicht erreichbar, weil durchgehend besetzt ist, so Oen. Doctolib biete ihm zufolge als Unterstützungstool auch einen KI-basierten Telefonassistenten für Arztpraxen an.
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von Jan-Frederik Fischer, Jannik Hausmann
FAQ
Was tun bei dringlichen Anliegen?
Sowohl Oen als auch der vzbv empfehlen bei akuten Gesundheitsproblemen den Patientenservice der Kassenärztlichen Vereinigung unter der bundesweiten Rufnummer 116117 anzurufen.
Für Termine beim Facharzt rät Oen grundsätzlich dazu, im ersten Schritt den Hausarzt aufzusuchen, da dieser in dringlichen Fällen schneller einen Termin organisieren kann.
Der Service von Patientenportalen sei hingegen vor allem für Vorsorgetermine ohne Zeitdruck geeignet, so Han Hendrik Oen weiter.
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Interview
Quelle: dpa
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