Traumatisch erlebte Geburten:Wie man ein Geburtstrauma erkennt und damit umgehen kann
von Louisa Hadadi
Die Geburt des Kindes - ein ganz besonderer Tag. Doch viele Frauen erleben die Geburt traumatisch, einige leiden lange darunter. Wie man ein Trauma erkennt und was helfen kann.
Im besten Fall verläuft die Geburt eines Kindes ohne Komplikationen. Doch was bedeutet es, eine Geburt als gewaltvoll zu erleben? Hebamme und Traumaberaterin Martina Kruse gibt Antworten.
28.10.2025 | 6:48 minGewalt in der Geburtshilfe umfasst sowohl körperliche als auch psychische Gewalt wie beispielsweise Anschreien oder Respektlosigkeit. Nicht jede Frau, die während der Geburt Gewalt erfährt, leidet dauerhaft unter dieser Erfahrung. Je nach Schätzung erleben zwischen neun bis 50 Prozent der Gebärenden die Geburt traumatisch.
Das Geburtstrauma ist das einzige Trauma, das mit Glückwunschkarten und Luftballons einhergeht.
Prof. Dr. Susan Garthus-Niegel, Psychologin, Medizinische Fakultät, TU Dresden
Unerwartete Komplikationen, Todesangst oder Gefühle eines Kontrollverlustes können für Betroffene traumatisch sein. Unerheblich ist, ob die Situation tatsächlich bedrohlich ist. Auch empfundene Gefahren können traumatisch sein.
Frauen werden in der Medizin häufig nicht ernst genommen, auch bei der Geburtshilfe. Für Vera Jansen Wiedenbeck und ihr Kind endete eine traumatische Geburt fast tödlich.
29.10.2025 | 1:54 minWann die Gebärende ein Trauma entwickelt
Aus dem traumatischen Erlebnis entwickelt sich in etwa fünf Prozent der Fälle eine langfristige posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Verschiedene Faktoren bedingten, ob es zu einer PTBS kommt, so Susan Garthus-Niegel, Psychologin und Professorin an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden.
Entscheidend sei, was die Gebärende mitbringe, was unter der Geburt passiere und wie sie die Geschehnisse bewerte und verarbeite.
Ob man eine geburtsbezogene PTBS entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig sind zum einen sogenannte frühere Vulnerabilitätsfaktoren: Hat jemand schon einmal Komplikationen bei der Schwangerschaft oder Gewalt erlebt? Gibt es psychische Vorbelastungen?
Zum anderen ist ausschlaggebend, was unter der Geburt passiert und wie die betroffene Person das wahrnimmt. Gab es eine bedrohliche Situation oder einen Kontrollverlust? Wurde unklar oder respektlos mit der Betroffenen geredet?
Psychische Belastungen nach der Geburt bleiben oft unerkannt. Mit dem Programm "UplusE" sollen neben den Kindern auch die Eltern im Rahmen der U-Untersuchungen im Auge behalten werden.
10.10.2025 | 5:23 minInnerlich auf die Geburt vorbereiten
Es könne helfen, die Geburt gedanklich durchzugehen. Garthus-Niegel empfiehlt, einen Ablaufplan für die Geburt zu erstellen. Darin kann die Gebärende festhalten, wie sie sich die Entbindung wünscht, und zugleich bedenken, was passiert, falls etwas anders verläuft.
Gleichzeitig ist die Geburt eine Blackbox, bei der ich überhaupt nicht weiß, was kommt.
Martina Kruse, Hebamme und Traumafachberaterin
Letztendlich bleibe der Geburtsverlauf unvorhersehbar, weiß auch Hebamme und Traumafachberaterin Martina Kruse. Ein Ablaufplan könne Orientierung bieten und helfen, während der Geburt flexibler zu reagieren.
Sophie Altmann ist schwanger. Statt Vorfreude empfindet sie Erschöpfung und Gereiztheit. Sie leidet unter einer pränatalen Depression - ohne es zu wissen.
21.10.2025 | 1:13 minVertrauen und Nähe rund um die Geburt
Neben einer guten innerlichen Vorbereitung auf die Geburt spielt auch die soziale Komponente eine wichtige Rolle.
Eine vertrauensvolle Beziehung zur Hebamme sowie die Unterstützung durch Freund*innen und Familie können wesentlich dazu beitragen, dass sich die Gebärende getragen und sicher fühlt - vor allem in herausfordernden Momenten.
Der neue Hebammenhilfevertrag sollte für bessere Arbeitsbedingungen sorgen, doch viele Hebammen sind enttäuscht. Hebamme Christiane Warta über die aktuelle Situation.
07.11.2025 | 5:30 minGebärende nicht allein lassen - besonders in Notsituationen
In Notsituationen habe man keine Zeit mehr, alles adäquat mit der Patientin zu besprechen. Dass sich die Patientin schnell hilflos fühlt, sei logisch. Wichtig sei deshalb, die Gebärende bestmöglich mitzunehmen, erklärt Dr. Andrea Hocke, Leiterin der Gynäkologischen Psychosomatik am Universitätsklinikum Bonn.
"Ich glaube, manchmal hilft es schon zu sagen: 'Ich weiß, das ist eine schwierige Situation, und ich würde Ihnen gern mehr erklären, nur haben wir gerade keine Zeit. Aber mir wäre wichtig, dass wir das nachbesprechen'", so Hocke.
Woran erkenne ich ein Trauma?
Eine PTBS hat vier Kernsymptome: Das Wiedererleben, die Vermeidung, die Übererregung und die negative Stimmungsveränderung:
Beim Wiedererleben drängt sich das während der Geburt Erlebte immer wieder gedanklich, emotional und körperlich auf. Das kann sich durch Flashbacks, Alpträume, plötzliche Bilder der Geburt oder körperliche Reaktionen auf ein gefühltes Wiedererleben äußern.
Symptomatisch für eine PTBS ist außerdem, dass man bestimmte Orte oder Situationen wie Krankenhausbesuche, Arzttermine oder das Stillen des Kindes meidet oder Geburtstage des Kindes nicht feiern möchte, weil sie an das Erlebte erinnern.
Die Übererregung äußert sich beispielsweise durch Schlafprobleme, Schreckhaftigkeit und eine innere Anspannung.
Negative Stimmungsveränderungen können auch symptomatisch sein. Wer Schuld empfindet, eine emotionale Distanz zum Baby aufbaut und das Gefühl hat, nicht mehr dieselbe Person zu sein, könnte eine geburtsbezogene PTBS haben.
Nach einer Geburt treffen Mütter auf neue Herausforderungen. Mütterpflegerinnen können hier unterstützen: Sie helfen im Alltag und sind für das psychische Wohlbefinden der Mütter zuständig.
09.10.2025 | 3:10 minTipps zum Umgang mit einem Trauma
Ein Geburtstrauma kann große Auswirkungen auf die gesamte Familie haben. Wichtig ist daher, das Trauma zu erkennen, ernst zu nehmen und zu bearbeiten - nicht nur für die Betroffene, sondern für die ganze Familie. Die traumatisierte Person müsse wertgeschätzt und mit ihrem Leiden ernst genommen werden - auch wenn man es selbst nicht so empfindet. Aussagen wie "Hauptsache, dem Kind geht’s gut" helfen nicht.
Wer vier Wochen nach dem Erlebnis merkt, dass das Unwohlsein bleibt, sollte sich Unterstützung oder therapeutische Hilfe suchen. Bei der Traumatherapie sollte berücksichtigt werden, dass man kein Individuum, sondern eine Person mit Kind behandelt. So könne eine behandelte Bindung zum Kind heilend wirken, sagt Psychologin Garthus-Niegel.
Viele junge Mütter stehen ohne familiäre Netzwerke da, ihre Partner steigen oft früh wieder in den Beruf ein. Es gibt Angebote, die Unterstützung bieten.
09.10.2025 | 4:53 minAnlaufstellen und Hilfsangebote für Betroffene
Mithilfe eines Fragebogens wird nach diagnostischen Kriterien geprüft, ob jemand infolge der Geburt eine PTBS entwickelt hat.
Es gibt eine Langversion mit 29 Fragen und einen Fragebogen für Partner. Eine Kurzversion mit fünf Fragen in englischer Sprache liegt ebenfalls vor.
- Überregional: Schatten & Licht e. V.
- Raum Dresden: Dresdner Netzwerk Schwangerschaft und Wochenbett
- Raum Köln: Kölner Netzwerk für Schwangerschaft und Psyche
- Raum Hamburg: FINE e. V.
- Raum Berlin: Berliner Versorgungsnetzwerk Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe
- Raum Bremen: Netzwerk seelische Gesundheit rund um die Geburt
Beim Hilfetelefon Schwierige Geburt unter der Nummer 0228 9295 9970 sind mittwochs von 12 bis 14 Uhr und donnerstags von 19 bis 21 Uhr Fachberaterinnen anonym erreichbar.
Eine Online-Selbsthilfegruppe ist zweimal im Monat erreichbar, organisiert von Phönix-Geburten e. V.
Mother Hood e. V. ist eine Betroffenenorganisation, die auch einen Austausch in Regionalgruppen ermöglicht.
Für eine Traumaberatung gibt es - je nach Stadt - unterschiedliche Anlaufstellen, etwa bei Pro Familia, in Hebammenzentren oder in Kliniken.
Louisa Hadadi, Redakteurin ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz.
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