Faschismus-Forscher: USA "sind nicht mehr demokratisch"

Interview

Faschismus-Forscher Jason Stanley:USA "sind nicht mehr demokratisch"

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Früher seien viele für Meinungsfreiheit in die USA gekommen, sagt Faschismus-Forscher Stanley. Das sei mit US-Präsident Trump vorbei. Welche Probleme Stanley in Deutschland sieht.

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03.10.2025 | 53:20 min

ZDFheute: Professor Stanley, wie ist es um die Meinungsfreiheit in den USA bestellt?

Jason Stanley: Die Meinungsfreiheit wird jetzt fürchterlich angegriffen, durch diese Regierung. An den Universitäten. In der Presse. Wenn man kein amerikanischer Bürger ist, hat man überhaupt keine Meinungsfreiheit. Viele Leute kommen nach Amerika, um Meinungsfreiheit zu genießen, und das ist jetzt völlig vorbei, wenn man die Regierung kritisiert. Und wenn man keine amerikanische Staatsangehörigkeit hat, dann wird man rausgeschmissen.

Jason Stanley (r.) im Gespräch mit Mitri Sirin, der mit dem Rücken zur Kamera steht.
Quelle: ZDF

… ist Professor für Philosophie mit Schwerpunkt Faschismus. Der US-Wissenschaftler forschte und lehrte an der Elite-Universität Yale. Er wird nun den USA den Rücken kehren und an die Universität Toronto in Kanada wechseln. Stanley hat deutsch-jüdische Vorfahren, die 1939 wegen des drohenden Krieges in die USA emigrierten. Laut ihm wiederhole sich die Geschichte.


ZDFheute: Dann läuft man Gefahr, dass man zurückgeschickt wird oder festgehalten wird.

Stanley: Auf jeden Fall, das haben wir schon gesehen und es wird immer schlimmer.

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ZDFheute: Was erleben wir da gerade?

Stanley: Faschismus natürlich. Trump ist ein Autokrat.

Es ist wichtig, dass man versteht, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr demokratisch sind.

Sehen Sie die Doku "Am Puls mit Mitri Sirin - Ist unsere Meinungsfreiheit in Gefahr?" am 3. Oktober um 19:20 Uhr im ZDF oder streamen Sie sie jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.


ZDFheute: Ist das nicht ein bisschen übertrieben?

Stanley: Nein, im Jahr 1934 gab es den Faschismus in Deutschland. Viele Leute haben damals gedacht, okay, was jetzt passiert, ist komisch, aber das wird irgendwann einmal vorbei sein, das wird nicht schlimmer werden. So ist das am Anfang.

Man sollte jetzt Angst haben, wenn man die Welt versteht und wenn man die Vergangenheit versteht.

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ZDFheute: Woran machen Sie das fest, dass Amerika in den Faschismus rutscht?

Stanley: Faschismus ist eine Ideologie, die auf einer großen Austauschtheorie basiert. Die Idee ist, dass nicht-weiße Einwanderer unsere Nation an ihr Ende bringen. Wir sehen jetzt, was Trump mit Minderheiten macht. Er sagt den Universitäten, dass sie nicht so viele schwarze Studenten und Professoren haben dürfen, sonst sei das Rassismus gegen Weiße.

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ZDFheute: Wenn wir auf die Politik der USA schauen, wie gefährlich ist das für Deutschland, wie gefährlich für die Welt?

Stanley: Das ist jetzt global. Wie Sie wissen, ist J.D. Vance nach Deutschland gekommen und hat sich mit der AfD getroffen.

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ZDFheute: Er hat gesagt, in Deutschland gäbe es keine Meinungsfreiheit.

Stanley: Genau. Das war zur selben Zeit, als sie in den USA sehr viele Leute an Universitäten und anderswo ins Gefängnis geworfen haben, wegen ihrer politischen Aussagen.

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ZDFheute: Es gibt eine Liste von mehr als 200 Begriffen, die unter der Trump-Regierung in offiziellen Dokumenten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verwendet werden sollen, auch in Förderanträgen für Forschungsprojekte.

Stanley: Ja, es gab sehr viele Ausdrücke, die man nicht mehr benutzen darf in der Universität. Zum Beispiel "Frauen" oder "Klima". Demokratie basiert auf Wahrheit. Im Faschismus muss man die Wahrheit angreifen, weil die Partei bestimmt, was wahr ist. Der Führer bestimmt, was wahr ist. Das ist, was wir jetzt sehen.

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ZDFheute: Sie gehen jetzt von Yale nach Toronto und an die dortige Universität. Warum gehen Sie nicht nach Deutschland?

Stanley: Für mich ist die AfD noch peinlicher als Trump. Deutschland hat der Welt immer gesagt, wir sind Weltmeister bei der Vergangenheitsbewältigung.

Und jetzt hat Deutschland eine Partei, die vielleicht schlimmer ist als Trump.

Ich habe Angst vor der AfD und ich will nicht, dass meine Kinder in einem Land aufwachsen, in dem die AfD an die Macht kommen könnte.

Das Interview führte Mitri Sirin am 5. August 2025.

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