Trump und die Pressefreiheit:Warum Populisten Medien kontrollieren wollen
Wie Populisten Medien unterwandern und Pressefreiheit bedrohen - Kommunikationsforscher Marcus Maurer über Donald Trump, die AfD, Gewalt gegen Journalisten und mediale Gegenkräfte.
Medien geraten in den USA zunehmend unter Druck, doch nicht nur dort: Populisten wollen das Informationsmonopol, erklärt Medienexperte Maurer.
Quelle: imago imagesZDFheute: US-Präsident Trump schließt unliebsame Medien von Pressekonferenzen aus, fordert den Rauswurf von Comedian-Showstars, klagt gegen Pressehäuser: Warum setzt er die Medien so unter Druck?
Marcus Maurer: Grundsätzlich haben Populisten oft ein anderes Weltbild als klassische Nachrichtenmedien - und wollen, dass dieses sich durchsetzt. Weil viele Menschen sich weiterhin über etablierte Medien informieren, stehen sie vor zwei Optionen: bessere Argumente liefern oder die Glaubwürdigkeit der anderen untergraben. Letzteres ist einfacher - also wird gezielt Vertrauen in klassische Medien erschüttert, um Menschen auf eigene Kanäle zu lenken.
Trump etwa hat sich längst ein eigenes Netzwerk geschaffen. Wer dort reinschaut, bekommt nur noch Trumps Sicht der Dinge - Populisten wie Trump wollen ein Informationsmonopol, das politische Steuerung erleichtert. In Deutschland sind wir davon noch weit entfernt.
Nach Comedian Stephen Colbert ist nun auch Jimmy Kimmel abgesetzt und Präsident Trump fordert, dass weitere aus dem Programm verschwinden. Die Pressefreiheit in den USA ist damit in höchster Gefahr.
19.09.2025 | 2:36 minZDFheute: Trumps Eingriffe in die Pressefreiheit werden aber auch in Deutschland genau beobachtet - oft mit Sorge, teils mit Freude. Wie steht es Ihrer Ansicht nach um die Pressefreiheit in der Bundesrepublik?
Maurer: Zwar verfolgen populistische Parteien auch hier das Ziel, Menschen von klassischen Nachrichtenmedien wegzulocken - etwa hin zu ihren eigenen Social-Media-Kanälen. Doch das deutsche Mediensystem ist deutlich weniger polarisiert. In den USA existieren seit langem parteinahe Medien; der Schritt zu Trumps persönlichem Kanal war daher kurz.
… ist Professor für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Kommunikation am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Maurer erforscht, wie politische Kommunikation und Medieninhalte Einstellungen, Emotionen und gesellschaftliche Meinungsbildung beeinflussen.
In Deutschland dagegen wirkt der öffentlich-rechtliche Rundfunk als stabilisierendes Element, das sich an alle richtet. Solange diese mediale Mitte existiert, fällt es Populisten schwerer, das Vertrauen in Medien zu erschüttern. Zwar versucht die AfD seit Jahren, den Begriff "Lügenpresse" zu etablieren - doch der Einfluss bleibt begrenzt.
Mirko Drotschmann erklärt, wie man Populisten erkennt und welche Parteien als populistisch gelten.
19.12.2024 | 12:59 minZDFheute: Wie kopieren Populisten in Deutschland Trump?
Maurer: Die AfD versucht, eigene Medienkanäle zu etablieren - besonders über Facebook und TikTok. Ziel ist es, Menschen zu erreichen, die das Vertrauen in klassische Nachrichtenmedien verloren haben. Auch ein eigenes Fernsehprogramm wurde angestoßen. Doch der Einfluss bleibt begrenzt: Die AfD erreicht vor allem ihre Anhänger, nicht die breite Bevölkerung.
Gleichzeitig entstehen sogenannte Alternativmedien, die häufig konservative bis rechtspopulistische Positionen vertreten - oft mit fragwürdiger journalistischer Qualität. Das Problem: Wir haben in Deutschland zu wenige seriöse konservative Medien.
Täglich prasseln Schlagzeilen auf uns ein, komplexe Inhalte werden verkürzt. Wir glauben, etwas zu wissen und haben keine Ahnung. Fakten werden von Emotionen überlagert.
20.02.2025 | 28:01 minZDFheute: Als der Norddeutsche Rundfunk jüngst eine Moderatorin ausgetauscht hat, haben sich Politiker von Markus Söder (CSU) bis Heidi Reichinnek (Linke) kritisch zu Wort gemeldet, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte deswegen sogar, die Rundfunkbeiträge einzufrieren. Wie bewerten Sie das?
Maurer: Die Forderung Linnemanns ging sicher zu weit. Dennoch lässt sich die dahinterliegende Motivation nachvollziehen: Studien zeigen, dass konservative Positionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterrepräsentiert sind.
Wenn dann eine Moderatorin mit konservativer Haltung - möglicherweise wegen einer Petition - nicht mehr eingesetzt wird, kann eine Partei durchaus öffentlich fragen, was dahintersteckt. Die Irritation ist verständlich. Dennoch kann man deswegen natürlich nicht fordern, den Rundfunkbeitrag einzufrieren.
In den Angeboten deutscher Nachrichtenmedien ist die Vielfalt an Themen und Akteuren insgesamt hoch - auch bei ARD, ZDF und Deutschlandradio. Eine Studie der Uni Mainz zum Thema "Perspektivenvielfalt" kommt zu dem Schluss, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht einseitiger berichte als die privaten Anbieter. Für die Studie analysierte ein Team um den Kommunikationswissenschaftler Marcus Maurer fast 10.000 Beiträge aus öffentlich-rechtlichen und privaten Nachrichtenformaten im Zeitraum April bis Juni 2023.
Bestimmte Themen wie die Wirtschaftspolitik und die damaligen Regierungsparteien SPD und Grüne dominierten den Ergebnissen zufolge zwar die Medienberichterstattung, dennoch sei die Vielfalt an Themen und Akteuren in den untersuchten neun öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten (Fernsehen, Hörfunk und Online-Medien wie ZDFheute) insgesamt hoch gewesen. Gleiches galt auch für die 38 reichweitenstarken privatwirtschaftlich organisierten Nachrichtenmedien (Fernsehen, Print- und Online-Medien), die als Vergleich dienten.
Die Studie hat die Positionierung der Nachrichtenformate entlang grundlegender gesellschaftlicher Konfliktlinien untersucht. In acht der neun untersuchten öffentlich-rechtlichen Formate sowie in allen untersuchten Vergleichsmedien stellten die Redaktionen der Studie zufolge sowohl Parteien links der Mitte als auch Parteien rechts der Mitte überwiegend negativ dar. Die öffentlich-rechtlichen Formate fielen hier im Vergleich insgesamt weder durch eine besonders negative, noch durch eine besonders ausgewogene Berichterstattung auf. Sie berichteten allerdings weniger negativ über die Regierungsparteien als die Vergleichsmedien.
"Unsere Studie zeigt zwar, dass in den Nachrichtenformaten von ARD, ZDF und Deutschlandradio durchaus an der ein oder anderen Stelle Raum für eine Stärkung konservativer und marktliberaler Positionen wäre. Insgesamt trifft die Behauptung, die Nachrichtenformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien im Vergleich zu anderen Nachrichtenmedien besonders einseitig, aber nicht zu", fasste Maurer die Ergebnisse zusammen.
ZDFheute: In Deutschland ist die Pressefreiheit im Grundgesetz verankert. Gleichzeitig nimmt die Aggression gegen Journalisten zu. Wird der Staat seiner originären Aufgabe hinreichend gerecht, die freie Presse zu schützen?
Maurer: Natürlich ist es erschütternd, wenn Journalistinnen und Journalisten auf Demonstrationen angegriffen werden. Doch das geschieht nicht, weil der Staat die Pressefreiheit missachtet - sondern weil sich solche Vorfälle nicht immer verhindern lassen. Die Pressefreiheit gilt als hohes Gut, und es wird viel dafür getan, sie zu schützen.
Auch wenn die Realität manchmal traurig ist, sollte man dem Staat keinen grundsätzlichen Vorwurf machen. Die Motivation, Medienfreiheit zu sichern, ist da - und das ist entscheidend.
Das Interview führte Marcel Burkhardt.
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