Langzeitstudie: Medienvertrauen bleibt stabil - mit Ausnahmen

Langzeitstudie:Medienvertrauen bleibt stabil - mit Ausnahmen

von Kai Remen
|

Das Vertrauen in Medien bleibt insgesamt stabil, hängt jedoch stark vom Thema ab. Immer mehr wird eine Verrohung der Debatten wahrgenommen. Die Ergebnisse einer Langzeitstudie.

Mikrofone
Mikrofone verschiedener Fernsehsender
Quelle: Imago

Es ist Donnerstag, früher Nachmittag. Wir stehen vor dem Mainzer Staatstheater und fragen Passanten, wie sie ihr Geld investieren. Eine klassische Straßenumfrage. Plötzlich stapft ein Mann auf uns zu, schlägt das ZDF-Mikrofon zur Seite. "Der Lügenpresse sag ich gar nichts". Es ist ein Vorfall, wie ihn Journalisten tagtäglich erleben - in Mainz wohl seltener als in anderen Bundesländern.
Screenshot: Oliver Klein
Das Team von ZDFheuteCheck kümmert sich um Faktenchecks, insbesondere bei Breaking News. Ein Blick hinter die Kulissen mit Faktenchecker Oliver Klein.28.09.2021 | 5:07 min
Bereits 2014 wird "Lügenpresse" zum Unwort des Jahres gewählt. Das Vertrauen in die etablierten Medien scheint beschädigt. Doch wie sehr wird der Berichterstattung der verschiedenen Zeitungen, Sender und Onlineangebote tatsächlich Glauben geschenkt?
Dieser Frage geht eine Langzeitstudie inzwischen seit mehr als zehn Jahren nach. Die diesjährige Auswertung zeigt, dass sich jüngste Entwicklungen fortgesetzt haben. Erstmals haben die Forscher auch zur Berichterstattung über den Nahostkonflikt und die Wahrnehmung öffentlicher Debatten gefragt.

Medienvertrauen bleibt auf stabilem Niveau

Bei der Befragung von 1.203 Menschen ab 18 Jahren stellten die Forscher der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die Frage: Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht - etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und Krisen - kann man den Medien vertrauen?
Medienvertrauen bei wichtigen Dingen

ZDFheute Infografik

Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
47 Prozent der Befragten gaben an, den Medien eher oder vollkommen zu vertrauen. Damit liegt der Wert drei Prozentpunkte über dem des Vorjahres. Gesunken ist der Anteil derer, die den Medien misstrauen - um fünf Prozentpunkte auf 20 Prozent. Dies stehe im Kontrast zur öffentlichen Wahrnehmung des Medienvertrauens, erklärt die Mitautorin der Studie, Nayla Fawzi.

Die vergangenen Jahre zeigen, dass es trotz großer Veränderungen in der Medienlandschaft eine grundsätzliche Stabilität im Vertrauen in die Medien gibt.

Prof. Nayla Fawzi, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt auf seinen Tiefstwert im Vertrauen, liegt aber trotzdem an erster Stelle aller Mediengattungen. Demnach sagten 61 Prozent der Befragten, dass man der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überwiegend oder vollkommen vertrauen könnte. Im Vorjahr waren es noch 64 Prozent. Besonders vertrauenswürdig sind demnach das öffentlich-rechtliche Fernsehen, Lokal-/Regionalzeitungen und überregionale Zeitungen.
Vertrauen in Mediengattungen

ZDFheute Infografik

Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.

Verrohung der Debatten

Auffällig seien die öffentlichen Debatten, sagt Fawzi. Diese würden zunehmen als unsachlich, aggressiv und verroht wahrgenommen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass es häufig oder sehr häufig vorkomme, dass Personen, die öffentlich auftreten, stur auf ihrem Standpunkt beharrten (69 Prozent), andere nicht ausreden ließen (68 Prozent) oder absichtlich wichtige Fakten verschweigen würden (44 Prozent).

Die Verrohung der Debatten wird immer stärker wahrgenommen. Dabei geht es nicht nur um Politik, sondern auch um den Austausch auf Social-Media.

Prof. Nayla Fawzi, Mitautorin Langzeitstudie Medienvertrauen.

Ein Auspuff der mit Bauschaum sabotiert wurde.
Russland führt hybride Angriffe auf Deutschland aus. Dabei bedient sich der Kreml an Spionen, Sabotage, Drohnen zur Ausspähung, Desinformation und übt mutmaßlich Anschläge aus.18.05.2025 | 5:26 min
Knapp ein Drittel nimmt wahr, dass sich Menschen öffentlich häufig unhöflich und respektlos verhalten oder dass sie andere beschimpfen und beleidigen. Ein starker Anstieg: Jahr 2022 hatten nur 18 Prozent der damals Befragten Beschimpfungen und Beleidigungen als häufige Phänomene im öffentlichen Diskurs wahrgenommen.

Berichterstattung über Nahost und den Krieg in der Ukraine

Erstmals befragten die Forscher die Teilnehmer der Studie auch zu ihrem Vertrauen hinsichtlich der Berichterstattung über den Nahost-Konflikt. Die Ergebnisse dort unterscheiden sich deutlich von denen der Berichterstattung über andere Krisen.
Vertrauen in Berichterstattung über bestimmte Themen

ZDFheute Infografik

Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Demnach sehen die Deutschen die mediale Berichterstattung über den Krieg im Gazstreifen am kritischsten. Während das allgemeine Vertrauen bei 47 Prozent überwiegend oder vollkommen vorhanden ist, liegt es bei der Berichterstattung über Nahost nur bei 27 Prozent. Keinerlei Vertrauen in die Bericherstattung über Gaza haben ebenfalls 27 Prozent.

Die Menschen differenzieren in ihrem Medienvertrauen stark zwischen Themen. Die gleiche Berichterstattung wird von verschiedenen Bevölkerungsgruppen deutlich unterschiedlich bewertet.

Prof. Nayla Fawzi

Anders sieht es beim Vertrauen in Berichte über den Krieg in der Ukraine aus (40 Prozent). Dies zeige, dass das Vertrauen nicht nur vom Ereignistyp Krieg bestimmt werde, sondern von weiteren Faktoren, so die Studie. Im Fall des Ukrainekriegs könnten die längere Etablierung des Themas, die größere geografische Nähe und ein zuletzt geringeres Ausmaß an öffentlichen Demonstrationen höhere Vertrauenswerte begünstigt haben.

Nachrichten | heute
:Faktencheck beim ZDF

Das Team von ZDFheuteCheck kümmert sich um Faktenchecks, insbesondere bei Breaking News. Ein Blick hinter die Kulissen mit Faktenchecker Oliver Klein.
von Matthias Wiesel
Detailansicht Nachrichtenstudio
5:07 min

Lehren für den Journalismus

Bei der Bewertung der Ergebnisse sei wichtig zu verstehen, dass ein "blindes Vertrauen" gar nicht gewollt sei, erklärt Professorin Fawzi. Ein gesundes Maß an Skepsis brauche es immer. Für die Medien sei jedoch wichtig, dass sie auch dem "abgeneigtem Publikum" erklärten, wie man arbeite.

Viele Menschen wissen zu wenig darüber, welche Aufgaben den Medien in Demokratien zukommen und nach welchen Prinzipien sie arbeiten.

Prof. Nayla Fawzi

Fawzi sieht Handlungsbedarf. Der Journalismus müsse fragen, warum sich Teile des Publikums entfernt haben und deren Sorgen und Themen aufgreifen. "Dabei dürfen Medien jedoch nicht deren Narrative übernehmen, wenn sich diese außerhalb des demokratischen Spektrums befinden", so die Expertin.
Kai Remen ist Reporter und Redakteur im ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.

Mehr zum Thema