Geheimdienste: Moskaus Helfernetzwerk

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Geheimdienste:Moskaus Helfernetzwerk

von Hannes Munzinger und Elisa Simantke
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Wenn der Kreml ruft, stehen sie bereit. Russische Geheimdienste unterhalten ein weltweites Netzwerk an treuen Zuarbeitern. Auch in Deutschland.

Gebäude des russischen Militärgeheimdienstes GRU. (Archivbild)
Gebäude des russischen Militärgeheimdienstes GRU. (Archivbild)
Quelle: Imago

In Europa häufen sich Vorfälle, bei denen Russlands Geheimdienste offenbar sogenannte "Wegwerfagenten" für Sabotage- und Spionageaktionen anheuern.
In Deutschland wurden erst Anfang Mai drei ukrainische Staatsbürger festgenommen, die Brand- und Sprengstoffanschläge geplant haben sollen. Den Auftrag dazu sollen sie laut Ermittlern aus Russland erhalten haben.
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Am Dienstag begann in München der Prozess gegen drei weitere Männer, die Sabotageakte im Auftrag russischer Dienste geplant haben sollen.

Netz von Aushilfsagenten

Außerdem pflegt Russland offenbar ein Netzwerk an Aushilfsagenten, wie Recherchen von ZDF Frontal, dem Spiegel und internationalen Medienpartnern jetzt zeigen. Sie verbergen sich unter dem Deckmantel von Hilfsorganisationen und Kulturvereinen, lancieren Propaganda.
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Diese sogenannten "Brückenköpfe" würden als Mittler zwischen russischem Geheimdienst und der Pro-Putin-Diaspora im Ausland eingesetzt, bestätigt ein europäischer Geheimdienst. Sie seien vertrauliche Kontaktpersonen, die "zwar ebenfalls von einem Geheimdienstoffizier beauftragt" würden, aber darauf achteten, "dass sie sich im Rahmen der Gesetze des Landes bewegen", in dem sie wohnen.

Geld aus russischer Stiftung

Das Geld für dieses Netzwerk fließt den Recherchen zufolge aus der russischen "Stiftung für die Unterstützung und den Schutz der Rechte von im Ausland lebenden Landsleuten", kurz Pravfond. Offiziell unterstützt Pravfond im Ausland lebende russische Staatsbürger mit Rechtshilfe.
Laut europäischen Geheimdiensten ist die Stiftung aber eine von Spionen durchsetzte Organisation. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, sie diene "der Verbreitung von Propaganda und Desinformation". Die EU hat Pravfond im Juni 2023 sanktioniert.
Zehntausende E-Mails, die ZDF Frontal aus dem Inneren der Stiftung vorliegen, zeigen: Ihre Arbeit geht unvermindert weiter.

Die Recherche über die "Stiftung für die Unterstützung und den Schutz der Rechte von im Ausland lebenden Landsleuten”, kurz Pravfond, basiert auf mehr als 49.000 E-Mails und 22.000 Dokumenten aus dem Innersten der Stiftung. Sie wurden dem dänischen Rundfunk “DR” zugespielt. DR teilte die Daten mit dem ZDF, dem SPIEGEL, Standard und zahlreichen anderen Medien, die sie gemeinsam auswerteten.

Koordiniert wurde die Recherche vom Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP). Die Recherchen erscheinen in den kommenden Tagen weltweit unter dem Titel "Dear Compatriots" (übersetzt “Liebe Landsleute”).

Erfurter Blogger offenbar Brückenkopf in Deutschland

Auch in Deutschland soll es laut Aussagen von mehreren westlichen Geheimdiensten einen solchen Brückenkopf des russischen Geheimdienstes geben - ein in Erfurt lebender Blogger. Pravfond unterstützt ihn großzügig. Bis zu 180.000 Euro soll er in den vergangenen fünf Jahren über einen von ihm gegründeten Verein erhalten haben.
Der Deutschrusse wird aber wohl nicht nur fürs Schreiben bezahlt. Nebenbei baute er offenbar für Russland wichtige Strukturen in der russischsprachigen Community auf. Er wirbt für kostenlose Rechtsberatung durch einen russischsprachigen Anwalt in Berlin.
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Kontakte zur AfD

E-Mails, die dem ZDF und internationalen Recherchepartnern vorliegen, erhärten den Verdacht. So schreibt der Erfurter Blogger an Pravfond im Januar 2024, er habe "nützliche und konstruktive" Kontakte mit dem damaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Eugen Schmidt und plane ein Treffen mit einem weiteren AfD-Parteikollegen.
Beide sind im Vorstand des Vereins "VADAR e.V.", der sich die "Abwehr der Diskriminierung und der Ausgrenzung Russlanddeutscher sowie russischsprachiger Mitbürger" zur Aufgabe gemacht hat.
In dem Bericht an Pravfond schreibt der Erfurter Verbindungsmann weiter, man sei sich einig, dass diese Kontakte nicht öffentlich werden sollten, wegen des "zweifelhaften Rufes" der AfD in der deutschen Gesellschaft und der russischen Diaspora.
Schmidt bestätigte dem ZDF den Kontakt, zuletzt im Jahr 2023, der sich ausschließlich "um die Beschlagnahmung von Fahrzeugen mit russischen Kennzeichen in Deutschland" gedreht habe. Finanzielle Zuwendungen an den Verein habe es nicht gegeben.

Im Auftrag des russischen Militärgeheimdienstes

Ein europäischer Geheimdienst sagt, der Erfurter Deutschrusse "wurde als Brückenkopf von Pravfond beauftragt, Verbindungen zu Vadar herzustellen". Ein Mitarbeiter eines anderen europäischen Geheimdienstes sagt über den Mann in Erfurt, dass dieser bereits 2016 von einem Agenten des russischen Militärgeheimdiensts GRU mit Aufgaben in Deutschland betraut wurde.
Mit einem weiteren GRU-Mann ließ sich der Blogger 2016, 2017 und 2019 auf Konferenzen in Russland fotografieren - die Nähe zu Geheimdiensten ist damit seit Jahren öffentlich dokumentiert.
Der für Spionageabwehr und ausländische Geheimdienstaktivitäten in Deutschland zuständige Verfassungsschutz wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Russlands Verbindungsmann macht unterdessen unbeirrt weiter, effektiv und unauffällig, unter den Augen deutscher Sicherheitsbehörden.

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