Mutmaßliche russische Spione: Prozess am OLG München begonnen
Oberlandesgericht München:Prozess gegen drei mutmaßliche russische Spione
von Christoph Schneider
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Sie sollen Sabotageakte in Deutschland geplant und militärische Ziele für Moskau ausgespäht haben: Vor Gericht bestreiten drei mutmaßliche russische Spione alle Vorwürfe.
Am Oberlandesgericht München startet der Prozess gegen drei mutmaßliche russische Spione.
Quelle: Imago
Die Festnahme des Deutsch-Russen Dieter S. im April 2024 in einem kleinen Ort nahe dem oberfränkischen Bayreuth - sie hatte etwas von einem Agentenfilm. Mehrere BKA-Beamten stürmen seine Wohnung in einem Mietshaus im kleinen Heinersreuth, nehmen den 39-Jährigen fest. In Bayreuth wird fast zeitgleich der 37-jährige Alexander J. festgenommen.
Was agentenmäßig klingt, scheint aus Sicht der Ermittler auch so gewesen zu sein. Und einen weiteren Helfershelfer ermittelt die Bundesanwaltschaft in diesem Zusammenhang, Alex D., der J. geholfen haben soll. Es geht um Spionage, durchgeführt in Deutschland für Russland.
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Mutmaßliche russische Spione: Angeklagte streiten Vorwürfe ab
Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München, gleichzeitig ein Staatsschutzsenat, hat die von der Bundesanwaltschaft erhobene Anklage gegen die drei mutmaßlichen russischen Spione zugelassen, die in Deutschland tatsächlich Sabotageaktionen geplant haben sollen. Dieter S. wird auch vorgeworfen, für einen russischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Als Kopf des Trios soll er weiter als Teil einer bewaffneten terroristischen Vereinigung in der Ukraine gekämpft haben.
Am Dienstag begann der Prozess vor dem Oberlandesgericht gegen die drei Verdächtigen. Sie alle streiten eine Tätigkeit für den russischen Geheimdienst ab. "Er ist kein Spion, er ist kein Saboteur", sagte der Verteidiger des Hauptangeklagten und mutmaßlichen Kopfes des Trios aus Bayreuth.
Er dachte, er könnte ein bisschen schauspielern und einen auf Spion machen.
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Verteidiger von Dieter S.
Er habe gehofft, als V-Mann anheuern und damit Geld verdienen zu können, so die Argumentation des 40-Jährigen und seines Anwalts. Tatsächlich habe es aber nie Verbindungen zum russischen Geheimdienst gegeben.
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Auch die beiden mitangeklagten Bekannten des Mannes bestritten die Vorwürfe rigoros. Sie hätten sich mit ihm lediglich privat unterhalten. "Unsere Nachrichten waren häufig ironisch, übertrieben oder scherzhaft", hieß es in der Erklärung des 44 Jahre alten Mitangeklagten. Sie seien "Bestandteil, einer privaten, nicht erst gemeinten Situation".
Der Fall hatte im April vergangenen Jahres politisch hohe Wellen geschlagen. Die damalige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ließ nach den Festnahmen den russischen Botschafter einbestellen und äußerte harsche Kritik.
Die Bundesanwaltschaft hatte bereits im Oktober 2024 Anklage gegen den mutmaßlichen Anführer Dieter S. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Volksrepublik Donezk" erhoben. Im Dezember 2024 kam dann eine weitere Anklage gegen alle drei Männer unter anderem wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit hinzu. Allein für diesen Tatvorwurf sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.
Bei dieser selbst proklamierten Volksrepublik handelt es sich nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft um eine pro-russische Vereinigung, die ab Frühjahr 2014 die Kontrolle über den ukrainischen Verwaltungsbezirk Donezk übernommen hat. Das Ziel der Gruppe ist die Loslösung des Gebiets von der Ukraine. Dabei kam es zu intensive Auseinandersetzungen mit den ukrainischen Streitkräften. Die Vereinigung setzte auch immer wieder Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ein.
Quelle: AFP
Außerdem wird Dieter S. die Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie zur Brandstiftung, Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen vorgeworfen. Alexander J. und Alex D. sollen ihn unterstützt haben.
Diese Anklagen wurden nun vom OLG München verbunden und unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. Bislang sind 44 Prozesstage bis kurz vor Weihnachten geplant.
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Militärische Anlagen ausspioniert
Der Hauptangeklagte Dieter S. hat sich nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft zu Sprengstoff- und Brandanschlägen auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte bereit erklärt. Außerdem habe er Sabotageaktionen gegen Bahnstrecken für Militärgütertransporte geplant.
Zur Vorbereitung soll der Angeklagte potenzielle Anschlagsziele in Bayern ausgespäht haben. Konkret: Die Einrichtungen der US-Armee in Grafenwöhr in der Oberpfalz. Auf dem Truppenübungsplatz dort bilden die amerikanischen Streitkräfte ukrainische Soldaten aus, etwa an Kampfpanzern.
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Von einigen möglichen Anschlagszielen in Deutschland hatte Dieter S. laut Anklägern schon Videos und Fotos gemacht und seinem mutmaßlichen Führungsoffizier geschickt. Dieser soll ein russischer Regierungsmitarbeiter sein, den die Ermittler den Geheimdiensten von Wladimir Putin zurechnen.
Laut Bundesanwaltschaft war das erklärte Ziel der Angeklagten, so auch die deutsche Unterstützung der Ukraine zu sabotieren. Alexander D. und Alex J. sollen Dieter S. spätestens ab März 2024 dabei geholfen haben, so die Anklage der Bundesanwaltschaft. Alle drei haben nach Angaben der Ankläger die deutsche wie die russische Staatsbürgerschaft.
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Der Verfassungsschutz hatte die Männer bereits seit Ende 2023 auf dem Schirm, die Ermittlungsbehörden griffen dann im April vergangenen Jahres zu. Dieter S. sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl gegen Alexander J. wurde Ende September 2024 außer Vollzug gesetzt, Alex D. befindet sich auf freiem Fuß. Gegen alle drei startete am Vormittag unter großen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess.
Christoph Schneider ist Redakteur in der ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz.