Mutmaßliche Kriegsverbrechen:UN fordern Ermittlungen gegen Münchner Sniper
Hat ein israelischer Scharfschütze aus Bayern im Gazastreifen unbewaffnete Zivilisten getötet? Der Druck auf die deutsche Justiz zu ermitteln wächst.
Die Vereinten Nationen machen Druck im Fall des Scharfschützen Daniel G. .
Quelle: AFPDie Vereinten Nationen fordern Ermittlungen im Fall des aus München stammenden Scharfschützen Daniel G. Als Soldat der israelischen Armee soll er mit einem Kameraden im Gazastreifen mutmaßlich unbewaffnete Zivilisten erschossen haben. Videoaufnahmen, die die Tötungen zeigen sollen, waren im Netz gelandet. Ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Bilder am Montag als "erschütternd".
Ein israelischer Scharfschütze aus München soll mit einem Kameraden in Gaza unbewaffnete Zivilisten erschossen haben. In einem Video belastet der Kamerad den Münchner und sich selbst schwer.
09.09.2025 | 12:25 minUN beklagt mangelnde Kooperation von Israel
Die Tötung und gezielte Angriffe auf Zivilisten verstießen gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte der Sprecher. Es sei wichtig, dass Israels Behörden bei derartigen Ermittlungen kooperieren - "was bislang nicht der Fall ist".
Hilfsorganisationen fordern die Weltgemeinschaft auf, Israels Bodenoffensive in Gaza-Stadt aufzuhalten. Einen neuen Fluchtkorridor könnten viele Alte und Verletzte nicht nutzen.
17.09.2025 | 1:35 minDamit steigt der Druck auf die deutsche Justiz. Linke und Grüne fordern längst Konsequenzen. So verlangt der Bundestagsabgeordnete Helge Limburg (Grüne) eine Unterrichtung durch den Generalbundesanwalt in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses am 8. Oktober.
"Das Völkerrecht gilt für jeden, für Freunde und für Feinde"
ZDF frontal und der SPIEGEL hatten zusammen mit internationalen Partnern erstmals ausführlich und mit neuen konkreten Indizien über die Vorwürfe gegen den Scharfschützen Daniel G. und seinen Kameraden berichtet. So war es möglich, mehrere mutmaßliche Opfer zu identifizieren.
Israelische Medien wie die Nachrichtenwebsite Ynet und der öffentlich-rechtliche Sender Kan 11 hatten anschließend gemeldet, dass sich G. vergangene Woche noch in Deutschland aufgehalten habe. Er sei nach der Veröffentlichung der Recherchen umgehend ausgereist.
Unabhängig überprüfen ließ sich dies nicht. Nach Informationen von ZDF frontal ist Daniel G. noch immer in München gemeldet.
Selbst, wenn er sich jetzt in Israel befinden sollte, haben die deutschen Behörden eine rechtliche und moralische Verpflichtung, den Fall zu untersuchen.
Janina Dill, Co-Direktorin des Oxford-Instituts für Ethik, Recht und bewaffnete Konflikte gegenüber dem ZDF
Zweite Anzeige gegen Daniel G.
Erste Vorwürfe gegen G. waren im Herbst 2024 laut geworden. Damals hatte ein palästinensischer Journalist über die Videoaufnahmen von Tötungen berichtet. Ihm war es gelungen, mithilfe eines Israelis und unter einem Vorwand Daniel G.s Kameraden zu einem Interview zu bewegen. Während einer vermeintlichen Pause, in der die Kamera weiterlief, belastete der Kamerad sich selbst und den Münchner G.
Kriegsverbrechen in Gaza?:Anzeige gegen israelischen Soldaten aus Bayern
Ein 22-jähriger Student, dessen Name ZDF frontal bekannt ist, hatte daraufhin Anzeige erstattet. Diese erste Anzeige landete zunächst bei der Staatsanwaltschaft München I, schließlich bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die das Verfahren nach kurzer Zeit einstellte - "mangels hinreichenden Anfangsverdachts".
Nach dem Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht sind Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit möglich, selbst wenn sich weder Täter noch Opfer oder Tatort in Deutschland befinden. Nach Informationen von ZDF frontal wurden in Deutschland in den vergangenen Monaten gegen mindestens fünf Soldaten des israelischen Militärs Anzeigen erstattet - sie sollen einen deutschen Pass besitzen oder sich zumindest in der Bundesrepublik aufgehalten haben. In keinem einzigen Fall wurde bislang Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft derzeit außerdem den Vorwurf gegen eine deutsche Staatsangehörige "wegen Beihilfe zum Mord wegen Beteiligung an der militärischen Logistik Israels".
Bundesjustizministerium lässt Bundesanwalt freie Hand
Nachdem ZDF frontal und seine Partner berichtet hatten, reichte die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) eine zweite, insgesamt 130 Seiten lange Strafanzeige gegen Daniel G. ein.
Das israelische Militär hat mit seiner Bodenoffensive in Gaza-Stadt begonnen. Das Ziel: die Ausschaltung der Hamas.
17.09.2025 | 6:42 minDie Bundesanwaltschaft wird sich nun erneut mit dem Fall befassen müssen. Generalbundesanwalt Jens Rommel betonte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, in dem er auch zum Fall des Münchner Scharfschützen G. befragt wurde, dass seine Behörde bei besonders schweren Tatvorwürfen wie Kriegsverbrechen auch dann aktiv werden könne, wenn die Taten im Ausland verübt worden sein sollen.
Theoretisch hätte das Bundesjustizministerium zwar die Möglichkeit, Ermittlungen der Bundesanwaltschaft per Weisung zu verhindern - etwa um die ohnehin schon angespannten deutsch-israelischen Beziehungen nicht weiter zu belasten. Das Ministerium teilte dem ZDF jedoch mit, im Fall Daniel G. "von seinem externen Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt keinen Gebrauch gemacht" zu haben.
Die EU-Kommission will wegen Israels Vorgehen in Gaza neue Vorschläge für mögliche Sanktionen vorstellen. Im Raum steht unter anderem die Aussetzung von Handelsvereinbarungen.
17.09.2025 | 0:24 minDaniel G. ließ mehrere Anfragen zu den Vorwürfen unbeantwortet. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Das israelische Militär erklärte, "Berichte und Beschwerden über Verstöße gegen das Völkerrecht" an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Ob dies auch im Fall der Vorwürfe gegen den Münchner Scharfschützen der Fall sei, ließen die Streitkräfte auch auf wiederholte Nachfrage offen.
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