Weltaltentag:"Ältere Menschen sind wertvoll für die Gesellschaft"
Lebenserfahrene Menschen werden oft stereotyp über ihr Altsein definiert - dabei macht ihre Produktivität eine Milliardensumme aus. Forscher fordern ein Ende der Negativ-Debatte.
Zum Weltaltentag sind mehrere Veranstaltungen sowie Straßen-Kreide-Aktionen im öffentlichen Raum geplant
Quelle: BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen)Wer heute auf den Boden blickt, wird womöglich überrascht sein. "Ja zum Alter" steht da vielerorts mit bunter Kreide auf Straßen oder Plätze geschrieben. Zumindest, wenn es nach der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) geht, welche die Interessen der älteren Generationen in Deutschland vertritt.
Zum von den Vereinten Nationen im Jahr 1990 ins Leben gerufenen Weltaltentag will die BAGSO damit das Thema Älterwerden stärker ins Bewusstsein rücken. Mit Ideen wie der Kreide-Aktion soll gezeigt werden, wie vielfältig und engagiert ältere Menschen heute leben, und wie wichtig eine positive Haltung zum Alter für unsere Gesellschaft ist.
Die durchschnittliche Lebenserwartung der Deutschen liegt bei etwa 80 Jahren. Nie gab es mehr Hundertjährige als heute. Ein langes Leben ist ein kostbares Geschenk.
18.09.2022 | 43:37 minGesellschaftliche Ausgrenzung des Alters
Ein Umstand, der häufig zu kurz kommt, kritisiert der Alternsforscher Frieder R. Lang. "Die Sicht auf ältere Menschen ist falsch", so der Inhaber des Lehrstuhls für Psychogerontologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Für ihn werden lebenserfahrene Menschen hierzulande zu oft stereotyp über ihr Altsein definiert:
Während Rassismus und Geschlechterungerechtigkeit hart bekämpft werden, fehlt diese Sensibilität mit Blick auf die gesellschaftliche Ausgrenzung des Alters leider.
Frieder R. Lang, Alternsforscher
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Allzu oft werde Jungsein zur Leistungsnorm definiert. Was für den Psychogerontologen und Hochschullehrer dabei nahezu sträflich außer Acht gelassen wird:
Ältere Menschen sind wertvoll für die Gesellschaft. Allein die Produktivität und Wirtschaftsleistung der nachberuflich ehrenamtlich tätigen Menschen macht eine Milliardensumme aus.
Frieder R. Lang, Altersforscher
Hinzu kämen beispielsweise Leistungen der Carearbeit innerhalb von Familien.
Kinderbetreuung ohne familiäre Hilfe ist oft eine Herausforderung. Das Modell der „Leihgroßeltern“ kann hier helfen: Senioren kümmern sich ehrenamtlich um ein Enkelkind, das nicht ihres ist. Und beide Seiten profitieren.
18.06.2025 | 2:01 minDebatte über Generationenkonflikt ist abwegig
Mit alledem brächten die lebenserfahreneren Menschen unsere Gesellschaft nachhaltig voran. Von Diskussionen über einen längst bestehenden Generationenkonflikt oder einen schwindenden Zusammenhalt von Jung und Alt hält Frieder R. Lang auch deshalb wenig:
Nie zuvor war die Bindung zwischen Jung und Alt so intensiv wie heute. Großeltern übernehmen Betreuung, Eltern unterstützen ihre Kinder beim Wohnungskauf, junge Pflegerinnen kümmern sich um die Alten.
Frieder R. Lang, Alternsforscher
Die Realität sei oft weniger konfrontativ als die Schlagzeilen vermuten lassen.
Hinzu komme: Vieles, was immer wieder als Generationenkonflikt dargestellt werde, sei ohnehin mehr ein gesellschaftlicher Konflikt. "Meist geht es um Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und um Verteilungskämpfe, wenn vordergründig die vermeintliche Ungerechtigkeit zwischen den Generationen angesprochen wird", so Frieder R. Lang. Die Rente ist für ihn nur ein Beispiel.
Das Bundeskabinett hat ein erstes großes Rentenpaket verabschiedet. Kritiker sagen, es seien keine Signale der Sicherheit für junge Menschen. Noch fehlen die großen Reformen.
06.08.2025 | 2:28 minSein Appell: "Wir müssen die Grundfragen des Zusammenlebens neu verhandeln: Wie sollen Einnahmen, Sozialabgaben, Wirtschaftskraft und Produktivitätssteigerung innerhalb der Gesellschaft verteilt werden?"
"Progressive Jugend" vs. "konservative Alte"?
Auch aus Sicht von Rüdiger Maas wäre es zu einfach, die Linien klar zwischen "progressiver Jugend" und "konservativen Alten" zu ziehen. "Auch viele Rentner engagieren sich in Klimainitiativen, während nicht wenige Jüngere mit dem Lifestyle von Streaming, Fast Fashion und Billigflügen ihren ökologischen Fußabdruck vergrößern", so der Generationenforscher und Autor des Bestsellers "Konflikt der Generationen".
Die Front verlaufe nicht strikt entlang des Geburtsjahres, sondern entlang der Frage: Wer ist bereit, Privilegien zu hinterfragen? Ohnehin kann der Psychologe mit der Vorstellung, dass sich die Generationen gegenseitig verstehen müssen, nur wenig anfangen:
Es ist normal, wenn ein 70-Jähriger einen 15-Jährigen nicht versteht, sonst hätten wir uns als Gesellschaft nicht weiterentwickeln können.
Rüdiger Maas, Generationenforscher
Die kurze Formel: Kein Fortschritt ist möglich ohne einen Austausch zwischen den Generationen.
Dialog zwischen Alt und Jung als wertvolle Ressource
Anders gesagt: Während die Enkel ihren Großeltern WhatsApp erklären, können diese mit ihrem Erfahrungsschatz und ihrer Lebenserfahrung Mut machen und Wege aufzeigen.
Der Weltaltentag am 1. Oktober ist auch eine Einladung, sich selbst zu fragen: Wie oft sprechen wir über die Älteren - und wie oft mit ihnen? Denn am Ende steckt im Dialog zwischen Alt und Jung vielleicht die stärkste Ressource, die wir als Gesellschaft haben.
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