Rente: Kann ein "Boomer-Soli" das System stabilisieren?
Analyse
Rettung des Rentensystems?:"Boomer-Soli": Von Rentnern für Rentner
von Sina Mainitz
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Ein "Boomer-Soli" soll für Ausgleich innerhalb älterer Generationen sorgen und das deutsche Rentensystem stabilisieren. Ist das die Rettung?
Ein neuer Vorschlag des DIW soll Altersarmut verringern.
Quelle: dpa
Als der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) 1986 gesagt hat, "die Rente ist sicher", glaubte das vielleicht manch einer. Fast 40 Jahre später weiß jeder, die Rente ist alles andere als sicher und wird künftig immer weniger dazu beitragen, den Lebensstandard zu sichern.
Hinzu kommt ein weiteres, gravierendes Problem: der demografische Wandel. Wenn ältere Arbeitnehmer der Babyboomer-Generation aus dem Berufsleben ausscheiden, wird das Rentensystem extrem belastet.
"Boomer-Soli" als Lösung?
Nun hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) einen Solidaritätsmechanismus innerhalb der älteren Generation vorgeschlagen. Damit sollen einkommensschwache Rentnerinnen und Rentner unterstützt werden.
Dies soll dem Problem teilweise niedriger Alterseinkünfte in den geburtenstarken Jahrgängen um die 1960er Jahre begegnen, die aktuell in Ruhestand gehen. Das DIW schlägt nun einen "Boomer-Soli" vor, der auf sämtliche Alterseinkünfte erhoben werden soll.
"Die Rentenpolitik hat es in den vergangenen Jahren versäumt, ausreichend finanzielle Rücklagen aufzubauen", sagte DIW-Forscher Peter Haan. Steuerexperte Stefan Bach ergänzt:
Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden.
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Peter Haan, DIW-Forscher
Der nun diskutierte "Boomer-Soli" träfe in erster Linie gut versorgte Ruheständler, denen es nicht allzu weh tue, einen zusätzlichen Beitrag zu leisten. Es gelte, die Altersarmut einzudämmen.
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Besonders wohlhabende Senioren sollen beitragen
Die Forscher rechnen vor: Eine Sonderabgabe von zehn Prozent auf alle Alterseinkünfte würde - bei einem Freibetrag von monatlich rund 1.000 Euro - die 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit den höchsten Einkommen nur moderat belasten. Je nachdem, ob Kapitaleinkünfte mit einbezogen würden, würde das gewichtete Nettoeinkommen dieser Haushalte um drei bis vier Prozent sinken.
Umgekehrt würden die gewichteten Einkommen jedes fünften Rentnerhaushalts mit den niedrigsten Einkommen um zehn bis elf Prozent steigen. Ziel ist es also, einkommensschwache Rentner um bis zu 11 Prozent zu entlasten, während wohlhabendere Senioren mit rund drei bis vier Prozent stärker zur Rentenfinanzierung beitragen sollen.
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Das IW Köln und der Bund der Steuerzahler sehen den "Boomer-Soli" kritisch. Denn dieser Vorstoß würde das grundlegende und faire Prinzip der Rentenversicherung aushebeln.
Dieses Prinzip besagt, dass die Höhe der Rente davon abhängt, wie viel man selbst eingezahlt hat. Außerdem würde der Vorschlag die Motivation für Eigeninitiative und private Altersvorsorge stark einschränken. Menschen, die heute arbeiten und für ihr Alter vorsorgen, müssten nun damit rechnen, später zusätzlich belastet zu werden.
Die Haushalte mit Rentnern über 65 Jahren besitzen im Schnitt über 172.500 Euro Nettovermögen, dazu zählen Finanzvermögen und Immobilien. Laut IW ist auch problematisch, dass die Alterseinkommen der Ehepartner keine Rolle spielen, Vermögen und sonstige Einkünfte ebenso wenig. Außerdem unterscheidet der Vorschlag nicht zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten.
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Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, wirbt schon lange für eine Reform des Rentensystems, unter anderem für ein höheres Renteneintrittsalter. Dem ZDF sagte sie, dass die Lasten nicht nur auf die Jungen übertragen werden sollten. Hinzu komme ein weiterer Aspekt:
Wir sagen nie, die Renten sollen gekürzt werden, sondern deren Anstieg.
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Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen
Der "Boomer-Soli" würde dem Vorschlag zufolge auf alle Einkommen von Ruheständlern erhoben, also neben gesetzlichen, privaten und betrieblichen Renten auch auf Pensionen und sonstige Versorgungsbezüge sowie möglicherweise auch auf Einkünfte aus Vermögen. DIW-Rentenexperte Maximilian Blesch erklärte dazu:
Die Rentenpunkte in der gesetzlichen Rente sind kein guter Indikator für ein hohes oder niedriges Haushaltseinkommen - von daher wäre es wenig zielgenau, nur innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung umzuverteilen.
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Das DIW geht davon aus, dass es mit seinem Modell gelingen könnte, den Anteil der Menschen in Altersarmut von derzeit mehr als 18 Prozent auf weniger als 14 Prozent zu verringern. Konkret vorgeschlagen wird eine Abgabe von zehn Prozent auf Alterseinkünfte, ab einer Freigrenze von je nach Modell 902 oder 1.048 Euro monatlich.
Rente ist Dauerthema
Eine Umverteilung ausschließlich innerhalb des Systems der gesetzlichen Rente hatte der Sachverständigenrat für Wirtschaft bereits vor zwei Jahren vorgeschlagen. Dieses Modell würde aber laut DIW auch Rentnerinnen und Rentner mit mittleren Einkünften relativ stark belasten. Beim "Boomer-Soli"-Modell würden diese hingegen weniger stark belastet.
Gesprächsstoff gibt es viel rund um die Rente. Sie bleibt ein Dauerthema im deutschen Bundestag - bislang aber lassen ganz konkrete Änderungen auf sich warten.
Sina Mainitz ist Redakteurin und Moderatorin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
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