DIW schlägt "Boomer-Soli" als Mittel gegen Altersarmut vor

Entlastung der Rentenkassen:DIW: Rentner sollen "Boomer-Soli" zahlen

|

Aus Solidarität der jungen Generation gegenüber, sollten finanziell gut gestellte Rentner einen "Boomer-Soli" zahlen, schlägt das DIW vor.

Münzen liegen auf einer Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung.
Quelle: dpa

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat einen Solidaritätsmechanismus innerhalb der älteren Generation vorgeschlagen, um einkommensschwache Rentnerinnen und Rentner zu unterstützen.
Dies soll dem Problem teilweise niedriger Alterseinkünfte in den geburtenstarken Jahrgängen um die 1960er Jahre begegnen, die aktuell in Ruhestand gehen. Das DIW schlug als Lösung einen "Boomer-Soli" vor, der auf sämtliche Alterseinkünfte erhoben werden soll. Die Baby-Boomer der 50er und 60er Jahre gehen jetzt nach und nach in den Ruhestand. Das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland gerät dadurch zunehmend unter Druck, betonen die Experten des Berliner Instituts. 
ZDF-Redakteur Thomas Gill blickt zurück auf seine eigene Generation
Die Boomer-Generation hat das Lebensgefühl der letzten Jahrzehnte geprägt. ZDF-Redakteur Thomas Gill blickt zurück auf seine eigene Generation und zieht eine ganz persönliche Bilanz.15.05.2024 | 3:05 min

Ziel: Weniger Altersarmut - Mehr Stabilität

Dieser "Boomer-Soli" könnte Altersarmut reduzieren und das Rentensystem in Deutschland stabilisieren, erklärte dazu das DIW unter Berufung auf eine aktuelle Studie des Instituts. Das Ziel sei, Menschen mit hohen Alterseinkünften moderat zur Kasse zu bitten. Vorgeschlagen wird dafür eine Abgabe von drei bis vier Prozent der Bezüge.

Freigrenze zwischen 902 und 1.048 Euro im Monat

Die Forscher rechnen vor: Eine Sonderabgabe von zehn Prozent auf alle Alterseinkünfte würde - bei einem Freibetrag von monatlich rund 1.000 Euro - die 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit den höchsten Einkommen nur moderat belasten. Je nachdem, ob Kapitaleinkünfte mit einbezogen würden, würde das gewichtete Nettoeinkommen dieser Haushalte um drei bis vier Prozent sinken. Umgekehrt würden die gewichteten Einkommen der 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit den niedrigsten Einkommen um zehn bis elf Prozent steigen.
Zwei Rentner sitzen auf einer Bank.
Dänemark erhöht das Renteneintrittsalter bis 2040 schrittweise auf 70 Jahre. Deutschland und andere Länder folgen mit 67 Jahren. Leere Kassen sind ein Problem in ganz Europa.30.05.2025 | 1:35 min
Ein "Boomer-Soli" könne hier für einen Ausgleich innerhalb der älteren Generation sorgen. "Er träfe in erster Linie gut versorgte Ruheständler, denen es nicht allzu weh tut, einen zusätzlichen Beitrag zu leisten", argumentierte Bach.

Wenn alle Babyboomer im Ruhestand sind, wird das Rentensystem noch deutlich stärker unter Druck kommen als bisher.

Peter Haan, DIW-Experte

Auch der DIW-Steuerfachmann Stefan Bach warnt:

Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden.

Stefan Bach, DIW-Steuerfachmann

Plan: Soli auch auf Betriebsrenten oder Pensionen

Der Soli würde dem Vorschlag zufolge auf alle Einkommen von Ruheständlern erhoben, also neben gesetzlichen, privaten und betrieblichen Renten auch auf Pensionen und sonstige Versorgungsbezüge sowie möglicherweise auch auf Einkünfte aus Vermögen. Daraus könnten dann zielgerichtete Zuschüsse zur gesetzlichen Rente finanziert werden.
Phillipp Türmer, Dunja Hayali und Florian Köbler (rechts)
Sollten auch Beamte in die Rentenkassen einzahlen? Ja, sagt Phillipp Türmer, Juso-Bundesvorsitzender. Florian Köbler, Bundesvorsitzender Deutsche Steuer-Gewerkschaft argumentiert dagegen. 15.05.2025 | 11:13 min
Der "Boomer-Soli" wäre unmittelbar umsetzbar. Die Einnahmen sollten nicht in den allgemeinen Bundeshaushalt fließen, "sondern in ein Sondervermögen, das für die Umverteilung der Alterseinkünfte geschaffen wird und nur für deren Zweck verwendet werden darf". Vorgeschlagen werden Freibeträge, vor allem das oberste Einkommensfünftel würde belastet. 

DIW rät zu Augenmaß - Gefahr Anreize zu verlieren

Das DIW geht davon aus, dass es mit seinem Modell gelingen könnte, den Anteil der Menschen in Altersarmut von derzeit mehr als 18 Prozent auf weniger als 14 Prozent zu verringern.
Das Institut warnt allerdings auch davor, es mit der Umverteilung zu übertreiben. Ansonsten sinke der Anreiz für Erwerbstätige mit mittleren und höheren Einkommen, angemessen für das eigene Alter vorzusorgen.

Absage an reine Umverteilung im Rentensystem

Einer Umverteilung nur innerhalb des Systems der gesetzlichen Rente, wie sie 2023 der Sachverständigenrat für Wirtschaft vorgeschlagen hatte, erteilt das DIW hingegen eine Absage. Das Institut weist darauf hin, dass diese gerade bei wohlhabenderen Haushalten häufig nur eine geringe Rolle spiele - im Gegensatz zu Betriebsrenten und Einkünften aus Vermögen.
Bärbel Bas
Einig sind sich die Parteien, dass mehr Menschen wieder arbeiten müssen. Drei Millionen sind in Deutschland derzeit ohne Job. Sie wieder zu vermitteln, würde viel Geld sparen. 11.07.2025 | 2:29 min

Die Rentenpunkte in der gesetzlichen Rente sind kein guter Indikator für ein hohes oder niedriges Haushaltseinkommen – von daher wäre es wenig zielgenau, nur innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung umzuverteilen.

Maximilian Blesch, DIW-Rentenexperte

Dieses Modell würde laut DIW auch Rentner mit mittleren Einkünften relativ stark belasten, beim "Boomer-Soli"-Modell würden diese hingegen weniger stark belastet werden. Die DIW-Fachleute schreiben:

Die Politik wird in den kommenden Jahren bei der Rente mutige und weitreichende Reformen umsetzen müssen.

DIW-Bericht

Union und SPD wollen in den nächsten Wochen unter anderem eine künftige Absicherung des Rentenniveaus für die kommenden Jahre auf den Weg bringen. Dann soll sich eine neuerliche Rentenkommission Gedanken über die Zukunft machen. Die Einsetzung einer solchen Kommission hatten die Koalitionspartner in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart.
Prof. Martin Werding | Mitglied Sachverständigenrat Wirtschaft
"Das Rentensystem fortsetzen", aber Beiträge müssen langsam umgeschichtet werden, sagt Prof. Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft.16.04.2025 | 10:16 min
Quelle: AFP, dpa
Thema

Mehr Hintergründe zum Generationenvertrag