Festakt zum Tag der Deutschen Einheit:Merz und Macron beschwören "Aufbruch" und "Einheit"
In seiner Rede zum Einheitstag richtet Kanzler Merz den Blick nach vorn. Frankreichs Macron warnt vor einem "Verfall unserer Demokratien" und ruft zu einem stärkeren Europa auf.
Bei der Feier anlässlich der deutschen Wiedervereinigung vor 35 Jahren hat Kanzler Merz eine "gemeinsame Kraftanstrengung" gefordert. Diese solle zu einer neuen Einheit führen.
03.10.2025 | 1:16 minAm 35. Jahrestag der Deutschen Einheit versucht Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Trübsal im Land zu drehen und einen Neustart anzuspornen. Das macht er nicht zum ersten Mal, aber nun mit besonders nachdrücklichen Appellen: "Wagen wir einen neuen Aufbruch", fordert Merz beim Festakt zum Nationalfeiertag in Saarbrücken.
Es ist die große Bühne für den Kanzler. Die Spitzen des Staats sind in den äußersten Westen des Landes gereist. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) richtet die Feier zum Einheitsjubiläum unter dem Motto "Zukunft durch Wandel" aus. Vor den 900 Gästen wirbt die saarländische Ministerpräsidentin in einer nachdenklichen Rede für den Schutz der Demokratie und Stolz auf das Erreichte.
Bundeskanzler Merz fordert zum Tag der Einheit 2025 eine "neue Einheit". Macron betont Europas Aufrüstung zum Schutz des Friedens - die Reden im ZDF spezial.
03.10.2025 | 147:34 minEhrengast ist der französische Präsident Emmanuel Macron, der - teilweise auf Deutsch - eine gefeierte Rede hält zur deutsch-französischen Freundschaft, zu Europa und zum Erhalt von Rechtsstaat und Demokratie.
Merz: "Zuversicht und Tatkraft"
Doch zunächst ist der Kanzler am Pult für eine Ansprache. "Nach 35 Jahren deutscher Einheit und in einer schwierigen Zeit für unser Land sollten wir uns neu sammeln und mit Zuversicht und Tatkraft nach vorn blicken", sagt der CDU-Chef.
Lassen Sie uns eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen für eine neue Einheit in unserem Land.
Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler
Die Menschen sollten sich Veränderungen zutrauen und sich nicht von Ängsten lähmen lassen. "Erinnern wir uns an die Zuversicht, mit der unsere ostdeutschen Landsleute vor 35 Jahren ihren Aufbruch wagten." Positiver Geist könne Kraft freisetzen, "Pessimismus und Larmoyanz" vergeude nur Energie, so Merz.
Die Errungenschaften der friedlichen Revolution in der DDR 1989 und der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 streift Merz nur kurz bei diesem Festakt, wo das Saarländische Staatsorchester spielt, das Staatsballett einen "Dialog" tanzt und der Rapper EstA eine Hymne auf das Saarland singt - aber keine einzige Person aus Ostdeutschland redet.
Zum 35. Mal wird der Tag der Deutschen Einheit gefeiert, dieses Jahr in der saarländischen Hauptstadt.
03.10.2025 | 2:01 minMerz: Lebensweise als Gesamtdeutsche verteidigen
Für Merz stehen die Kategorien westdeutsch und ostdeutsch ganz offensichtlich nicht im Mittelpunkt. An einer Stelle sagt er auch, man verteidige "unsere Lebensweise in dieser rauer gewordenen Welt nicht als Westdeutsche oder als Ostdeutsche - wir verteidigen sie als Deutsche."
Wichtig ist ihm die historische Dimension des Jetzt mit den Herausforderungen durch Autokratien, technischer Revolution und einem angeschlagenen Weltwirtschaftssystem:
Unsere Nation steht mitten in einer wichtigen, vielleicht entscheidenden Phase ihrer neueren Geschichte.
Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler
Einiges in dieser Grundsatzrede wirkt bekannt, so etwa die Forderung nach Reformen, die Merz in solche Sätze packt: "Vieles muss sich ändern, wenn Vieles so gut bleiben oder gar besser werden soll, wie es in unserem Land bisher ist." Die Dimension müsse von allen verstanden werden. Deutschland wolle ein demokratisches, rechtsstaatliches, wirtschaftlich starkes und soziales, auch ein europäisches Land bleiben.
Wieder spricht Merz vom Ausbau der Verteidigung und mahnt junge Leute, freiwillig Wehrdienst zu leisten. Wieder beschwört er neue wirtschaftliche Größe durch technologischen Fortschritt, wieder spricht er von Reformen des Sozialstaats. Konkret wird er nicht.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hält seine Rede im Rahmen der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit.
Quelle: epaMacron: "Wir werden zusammenstehen"
Macron scheint mit Merz in vielem auf einer Linie. Der französische Präsident schlägt einen weiten Bogen von der deutsch-französischen Aussöhnung über die Kapitalmarktunion der EU und die Verteidigungsanstrengungen bis zum Kampf gegen Falschinformationen.
Er warnt: "Es geschieht etwas in unseren Ländern, ein Verfall unserer Demokratien." Macron bekräftigte seine Kritik an den Onlinenetzwerken, die von "Propaganda-Beauftragten autoritärer Regime" ausgenutzt würden. "Wir waren unendlich naiv, unseren demokratischen Raum sozialen Netzwerken anzuvertrauen, die in der Hand US-amerikanischer oder chinesischer Unternehmen sind", sagt er weiter.
Seit über drei Jahrzehnten sind Ost- und Westdeutschland wieder vereint. Vieles ist seitdem zusammengewachsen, Unterschiede und Unzufriedenheit bestehen aber dennoch.
03.10.2025 | 2:36 minMit Blick auf den Ukraine-Krieg ruft Macron erneut zum Ausbau der europäischen Verteidigung auf: Der Moment der Wiederaufrüstung sei gekommen. Europa müsse entscheiden, weiter "in glücklicher oder unglücklicher Vasallenschaft" zu bleiben oder "endlich eine Militärmacht zu werden", betonte Macron mit Blick auf das transatlantische Verhältnis. Dies bedeute nicht, aufzurüsten, um Krieg zu führen, sondern um andere von Angriffen abzuhalten.
Am Ende fordert Macron Wagemut und Entschlossenheit wie vor 35 Jahren und ruft den Deutschen zu: "Wir werden zusammenstehen, um diese Einheit zu stärken." Auf Deutsch schließt Macron seine Rede:
Es lebe die deutsch-französische Freundschaft, es lebe das geeinte Europa.
Emmanuel Macron, französischer Präsident
Trotz guter Chemie zwischen Macron und Merz bleibt der Fortschritt begrenzt. Streit um FCAS und innenpolitische Probleme in Frankreich bremsen die deutsch-französische Zusammenarbeit.
03.10.2025 | 2:08 minRehlinger lobt Menschen in Ostdeutschland
Bundesratspräsidentin Rehlinger (SPD) würdigt in ihrer Rede den Einsatz der Menschen in Ostdeutschland für die deutsche Einheit. Mutige Menschen seien für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen, obwohl sie Angst vor der Staatssicherheit gehabt hätten.
Ohne sie wären wir heute nicht hier. Wir verneigen uns vor diesem Mut.
Anke Rehlinger (SPD), Ministerpräsidentin im Saarland
Rehlinger hinterfragt, dass die Bilanz der deutschen Einheit meist an den Angleichungen der östlichen Bundesländer an die westlichen gemessen werde: "Warum fragen wir eigentlich so selten danach, was Bayern oder Schleswig-Holstein oder das Saarland von ihren Mitbürgern im Osten gelernt haben?"
Es sei keine gute Idee, wenn der Osten sich an den Westen angleichen müsse. Die Einheit sei nicht nur eine "innerdeutsche Angleichungsaufgabe". Vielmehr sei Deutschland vor allem "gemeinsam vereint im Wandel", betont die SPD-Politikerin. "Die Transformation in der Lausitz ist kaum anders als in Völklingen."
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