35 Jahre Einheit: Wie Jugendliche im Osten auf die DDR blicken

35 Jahre Deutsche Einheit:Wie Jugendliche im Osten auf die DDR schauen

ZDF-Reporterin Katrin Lindner am Flughafen BER
von Katrin Lindner
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Wenn Jugendliche von DDR, Wende und Deutscher Einheit hören, ist das für sie nur schwer nachvollziehbar. In manchen Familien haben die Eltern das erlebt, viele aber nicht mehr.

Schüler einer 12. Klasse sitzen am ersten Schultag nach den Sommerferien zu Unterrichtsbeginn im Gymnasium Bürgerwiese in einem Klassenzimmer auf ihren Plätzen.

Immer mehr Jugendliche kennen die Wende nur noch aus Filmen und Erzählungen. Das Land Brandenburg will nun in Workshops Schülern die Zeit der SED-Diktatur näherbringen.

02.10.2025 | 1:43 min

Fabian Peiske und seine Freunde kommen auf ihren geliebten Mopeds der Ost-Kult-Marke Simson zum Workshop nach Jüterbog. Diese Mopeds haben schon die Jugendlichen in der DDR geliebt. Das ist geblieben, doch so vieles ist seit der Wende anders geworden.

Genau darum geht es bei ihrem Schulprojekt: um eine Zeit, in der vielleicht ihre Eltern lebten, die für sie aber schwer nachzuvollziehen ist. Mit Papier, Tinte und Comiczeichnern aus Berlin wollen sie in diese Zeit eintauchen.

"ZDF.reportage: Jung im Osten – Wie wir wirklich leben": Jason aus Flurstedt und andere Jugendliche sitzen auf Simson-Mopeds und lächeln in die Kamera. Im Hintergrund verläuft eine schmale Landstraße, an der Bäume stehen.

In ihren Dörfern und Städten sorgen junge Ostdeutsche ganz unterschiedlich dafür, dass es lebendig bleibt. Was sie am Westen nervt: Die ihnen aufgedrückten Stempel.

14.07.2024 | 30:12 min

Wie Jugendliche sich das Leben in der DDR vorstellen

In seinem Comic malt Fabian eine Flucht aus der DDR - mit Moped natürlich - und meint nachdenklich: "Wäre ich jetzt in der DDR großgewachsen und hätte es mir nicht gefallen - hätte ich es auch probiert." Die Flucht meint er und zeichnet an einer Sprechblase: "Heute ist die große Nacht".

Neben ihm sitzt die 16-jährige Sophie Osterman. Ihre Zeichnungen sehen ganz anders aus. Sie hat Fridolin gemalt: "Das ist ein Frosch, der in der Zeit gelebt hat und dazu kommt, dass Fridolin ein X als Mund hat, weil man nicht richtig reden konnte." Bei ihrer Erklärung hält sie sich ein Kreuz aus zwei Fingern vor ihren Mund und erklärt: "Das symbolisiert das Verschwiegene, das man nicht seine Meinung sagen kann."

Symbolbild: Eine aufgehende Sonne, davor einige Menschen und Autos im Halbdunkel, einige davon auf dem Rest der Berliner Mauer sitzend. Darüber liegend der Umriss eines zweigeteilten Deutschlands.

Vor 35 Jahren wurde Deutschland wiedervereinigt. Doch der Verdruss nimmt zu - vor allem im Osten. Wie blicken die Menschen heute auf ihre Heimat, ihr Leben und das "System" Bundesrepublik?

30.09.2025 | 43:55 min

Zeitzeugin warnt vor Rückkehr zu alten Mustern

Drei Tage lang geht der Workshop, den das Schiller Gymnasium in Jüterbog in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Aufarbeitungsbeauftragten von Brandenburg zu den Folgen der Kommunistischen Diktatur anbietet. Die Jugendlichen malen einen Zeitstrahl - vom Anfang bis zum Ende der DDR. Und sie hören Jana Schulze zu. Sie war zur Wendezeit so alt wie sie und ging in ihre Schule.

Sie erzählt ihnen von der DDR, von Diktatur, Angst, Schulalltag und das alles nicht ohne Grund. Es mache ihr Angst, dass es wieder Menschen gebe, die nach dem Sozialismus riefen.

Das macht mir Angst, denn ich habe das erlebt, auch wenn nur mit 15 Jahren, ich möchte das nicht nochmal erleben. Da möchte ich nicht mehr hin.

Jana Schulze, lebte als Jugendliche in der DDR

Jana Schulze sagt das sehr eindringlich. Sie weiß, als Jugendliche hatte sie damals noch nicht so viel auszuhalten wie Ältere. Aber das Eingesperrtsein, die "Heldenverehrung" von Menschen, die ihr nichts bedeuteten und dazu noch verordnete Mitgliedschaften in der Freien Deutschen Jugend - das war ihr zu viel. Selbst vermeintlich kleine Dinge: dass jeder in der Klasse von den Zensuren der anderen wusste, störte die damals 15-Jährige.

Zwei junge Punks stehen gemeinsam mit einer älteren Dame auf einem Platz draußen um einen runden Tisch und trinken Bier.

Das Leben der Jugendlichen in der schwierigen Nachkriegszeit in Ost-Deutschland: Die DDR setzte Grenzen, und doch konnten sich junge Menschen hier und da Freiräume erkämpfen. | Folge 1 der Serie "Jugend in der DDR"

30.09.2021 | 45:14 min

DDR-Wissen bei Jugendlichen und Lehrern schwindet

Die Mitarbeiter der Aufarbeitungsbeauftragten des Landes Brandenburg bieten diese Workshops seit 15 Jahren an und stellen fest: Das Wissen um diese letzte deutsche Diktatur nimmt ab. Referentin Silvana Hilleger beobachtet:

Inzwischen sind auch die Lehrerinnen und Lehrer weit weg davon und das wirkt sich zum Teil auch aus, weil das in den Universitätslehrplänen keine große Rolle spielt.

Silvana Hilleger, Referentin der Aufarbeitungsbeauftragten von Brandenburg

Und sie ergänzt, dass die DDR und die Diktaturgeschichte in den Lehrplänen auch nur eine relativ geringe Rolle spielen würden.

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Mehr DDR im Unterricht gefordert

Das kennt auch Nico Lamprecht vom Verband der Geschichtslehrer. Er kritisiert, dass die lehrplanmäßige Verankerung sehr unterschiedlich ist und beobachtet, dass in der "alten" Bundesrepublik eine Tendenz zu Gleichgültigkeit zunimmt. Die Erlebnisse von 1989/90 und davor würden verblassen.

In den ehemaligen DDR-Gebieten nehmen sogar 'Ostalgie-Wellen' zu, gern in Verbindung mit antidemokratischen Narrativen beziehungsweise Haltungen.

Nico Lamprecht, Verband der Geschichtslehrer

Er nennt als Beispiel die Zuschreibung der DDR als angeblich fürsorglicher Sozial- oder sogar Rechtsstaat. Das müsse sich ändern, denn fachlich fundierte Kenntnisse zur DDR und Bundesrepublik in den Jahren 1949 bis 1989 seien wichtig für künftige mündige Staatsbürger. Seine Forderung lautet: mehr DDR im Unterricht.

Katrin Lindner ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Brandenburg.

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