1.7.1990: Der Tag, an dem die D-Mark kam

Als das DDR-Geld Geschichte war:1. Juli 1990: Der Tag, an dem die D-Mark kam

von Katrin Lindner
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Ein Kraftakt vor 35 Jahren. Rund 25 Millionen Konten in der DDR wurden umgestellt: 1:1 und 2:1. Löhne, Gehälter, Renten, Miete und Pachten wurden ab dem 1.7.1990 in D-Mark gezahlt.

Rostock: In der Bundesbank-Filiale Rostock liegen D-Mark-Geldscheine und Münzen auf dem Tisch.
Am 1. Juli 1990 begann die Währungsunion, die DDR-Bürgern den Umtausch ihrer Ersparnisse ermöglichte. Der wirtschaftliche Umbruch führte für viele Ostbetriebe zum Konkurs.30.06.2025 | 1:31 min
Auch vor 35 Jahren stand Werner Gniosdorz schon in seiner Backstube in Potsdam, als für die Mark der DDR die D-Mark kam. Er war gewohnt von seinen Schrippen fast 6.000 Stück pro Tag zu produzieren. Doch mit der D-Mark verkaufte er nur noch rund ein Drittel.
Er erinnert sich ganz genau, wie die Umsätze sich entwickelten, denn Bäckermeister Werner Gniosdorz hatte damals erst ein Jahr die Geschäftsführung der Bäckerei Braune von seinem Vater übernommen und schreibt auch heute noch alle Umsätze am Ende es Tages auf:

Die Leute hatten Westgeld und konnten sich für ihr Geld auch im Westen Schrippen kaufen und das haben wir sehr deutlich gemerkt.

Werner Gniosdorz, Bäckermeister

Bäckerei
Nach der Währungsunion 1990 brach bei Bäckermeister Gniosdorz in Potsdam der Umsatz stark ein, Löhne mussten in D-Mark gezahlt werden. Trotz Herausforderungen existiert die Bäckerei heute noch, geführt von seiner Tochter.30.06.2025 | 1:27 min

Vor den Sparkassen bildeten sich lange Schlangen

Der erste Bank-Schalter öffnete punkt 0 Uhr am 1. Juli 1990 am Alexanderplatz in Berlin. Die Massen drängten sich davor und feierten. Rund 15.000 Filialen bereiteten den Umtausch in der ganzen DDR vor, ob in Gera, Görlitz, Dresden, Kühlungsborn - vor den Sparkassen bildeten sich lange Schlangen.
460 Tonnen Banknoten im Wert von 27,5 Milliarden D-Mark hatten in gepanzerten Fahrzeugen den Weg über die innerdeutsche Grenze genommen - mit Polizeischutz natürlich - und wurden von der Ostsee bis ins Erzgebirge verteilt.
Berlin: DDR-Mark-Geldbündel liegen in der Berliner Niederlassung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Am 1. Juli 1990 erhielten Millionen Ostdeutsche die D-Mark in ihre Geldbörsen. Mit der neuen Währung veränderte sich das private und geschäftliche Leben grundlegend.30.06.2025 | 1:31 min

Die ganze Republik stellte um

Auch Werner Gniosdorz musste ab dem 1. Juli die Löhne seiner Bäcker, Konditoren und Verkäufer in D-Mark zahlen. Die Westgehälter waren für ihn nicht machbar: Er erhöhte deshalb den Stundenlohn pro Monat um zehn Pfennige.
Die ganze Republik stellte um: Gehälter, Renten, Mieten, Pachten, Stipendien im Kurs 1:1. Bei den Sparguthaben galt dieser Kurs bis für die meisten DDR-Bürgerinnen und Bürger bis zu einem Wert von 4.000 Mark (Unter-15-Jährige konnten 2.000 Euro und über 60 Jährige 6.000 DDR-Mark 1:1 umtauschen). Für das Ersparte darüber galt der Kurs 2:1.
23.12.2013, Mecklenburg-Vorpommern, Rostock: In der Bundesbank-Filiale Rostock liegen D-Mark-Geldscheine und Münzen auf dem Tisch.
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Zukunftsangst machte sich breit

Doch die Freude über die starke Währung, die auf der ganzen Welt getauscht werden konnte und ihre schwache Schwester, die Ost-Mark, Geschichte werden ließ, kannte auch Schattenseiten. Historiker Manfred Görtemaker spricht von einer Schocktherapie:

Das heißt hier wurde von einem Tag auf den anderen alles umgestellt. Auf DM und damit brachen ganze Märkte weg - insbesondere im Osten.

Manfred Görtemaker, Historiker

Denn in Osteuropa konnten sie die Rechnungen in D-Mark nicht bezahlen. Viele Betriebe überlebten das nicht. Zukunftsangst machte sich breit. Viele Unternehmen waren in der neuen Zeit mit D-Mark nicht kreditwürdig.
Eine 100 Mark Banknote der DDR und ein 100 D-Mark Schein der BRD. Beide sind blau.
Am 1. Juli 1990 wurde die D-Mark in den neuen Bundesländern eingeführt. Ein Umbruch, der für Zehntausende zum Schock wurde, weil sie ihre Jobs verloren.30.06.2025 | 1:26 min

Nur wenige Innungsbetriebe sind geblieben

Doch Werner Gniosdorz hat es geschafft. Aber das hat er auch seinem Ur-Ur-Großvater zu verdanken, der einst die Bäckerei kaufte und somit war der junge Chef kreditwürdig mit seinem Unternehmen in der Potsdamer Innenstadt. Nur wenige Innungsbetriebe aus dieser Zeit sind noch geblieben.
Doch seine Bäckerei macht weiter - vor wenigen Monaten hat seine Tochter Birgit Gniosdorz die Bäckerei übernommen und lächelt, wenn sie daran denkt, wie sparsam ihr Vater mit jedem Gramm Magarine oder Butter ist:

Ich merke, dass er aus einem anderen Wirtschaftssystem kommt, heute ist Personal die größte Herausforderung, das war damals nicht so, da gab es ausreichend Personal.

Birgit Gniosdorz, Bäckermeisterin

Birgit Gniosdorz weißt nicht, was die Zukunft bringen wird, doch sie will es wie ihr Vater machen: das Familienunternehmen durch alle harten Zeiten lenken.
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