Nach Terroranschlag in Solingen: Zähe Aufarbeitung im Landtag

Untersuchungsausschuss in NRW:Zähe Aufarbeitung nach Terroranschlag von Solingen

von Ralph Goldmann

|

Seit mehr als einem Jahr befasst sich der Landtag in Düsseldorf mit dem Terroranschlag von Solingen. Die Opposition bemängelt fehlenden Aufklärungswillen der Regierung.

Der syrische Angeklagte Issa Al H (links) erscheint vor dem Gericht in Düsseldorf, Westdeutschland, um sein Urteil zu hören, nachdem er wegen eines tödlichen Messerangriffs, bei dem im August 2024 in Solingen, Westdeutschland, während eines Sommerfestes drei Menschen ums Leben kamen, vor Gericht stand. Der Mann wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht in Düsseldorf erklärte, Issa Al H, der zu Beginn seines Prozesses im Mai 27 Jahre alt war, sei Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat gewesen und habe aus „verräterischen und niederträchtigen Motiven“ gehandelt.

Nach dem tödlichen Anschlag in Solingen im August 2024 untersucht ein U-Ausschuss mögliche Fehler von Behörden und Landesregierung. Doch die Opposition kritisiert die Aufarbeitung.

30.12.2025 | 3:02 min

Es ist ein Sommerabend im August 2024, an dem in Solingen auf dem "Festival der Vielfalt" eigentlich ausgelassen das 650. Jubiläum der Stadt gefeiert werden soll. Doch gegen 21:35 Uhr greift der Syrer Issa Al Hasan mit einem Messer scheinbar wahllos die Menge vor einer Bühne an, ersticht eine 56-Jährige und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren. Sie sterben noch am Tatort. Acht weitere werden zum Teil schwer verletzt.

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" reklamiert die Tat für sich. Der Attentäter wird 24 Stunden später gefasst und im September 2025 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung verurteilt. Seit mehr als einem Jahr soll im Landtag ein Untersuchungsausschuss mögliche Versäumnisse und Fehler der Landesregierung und der Behörden untersuchen und strukturelle Defizite bei Abschiebungen und Rückführungen in andere EU-Länder unter die Lupe nehmen.

U-Ausschuss zu Solingen-Anschlag: Erkenntnisgewinn bisher bescheiden

Es soll Zeugen und Sachverständige anhören, aber auch Innenminister Herbert Reul (CDU) und Fluchtministerin Josefine Paul (Die Grünen). Beide tragen nach Ansicht der Opposition im Landtag aus SPD, FDP und AfD die Hauptverantwortung.

Nordrhein-Westfalen, Solingen: Kerzen und Blumen liegen unweit des Tatorts am Fronhof zum Gedenken an die Opfer der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest. Beim mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen hatte ein Angreifer auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt

Der Messeranschlag in Solingen 2024 hat bundesweit für Aufsehen und Debatten gesorgt. Nun wurde der Täter zu lebenslanger Haft verurteilt. Was bleibt von der Schreckenstat?

10.09.2025 | 2:29 min

Der Attentäter hätte eigentlich 2023 den EU-Asylregeln zufolge nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Das scheiterte jedoch - auch, weil er zunächst in seiner Flüchtlingsunterkunft nicht angetroffen worden war. Seit mehr als einem Jahr tagt der Ausschuss jetzt. Kurz vor Weihnachten fand bereits die 24. Sitzung statt, es war die letzte Sitzung im Jahr 2025, 15 weitere sind für 2026 bereits terminiert. Dann sollen auch endlich Ministerin Paul und Minister Reul vernommen werden. Bislang ist der Erkenntnisgewinn nämlich durchaus bescheiden.

Opposition wirft Regierung "Blockadehaltung" vor

Das liegt nach Ansicht der Opposition aus SPD, FDP und AfD an einer "Blockadehaltung" der Regierung. Die und auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) persönlich hätten ein "Transparenzversprechen" abgegeben, sagt die SPD-Obfrau im Ausschuss, Lisa-Kristin Kapteinat. Stattdessen habe die Opposition vor dem Verfassungsgerichtshof mühsam Informationen einklagen müssen:

Wir merken, dass es offensichtlich ein großes Interesse gibt, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu blockieren.

Lisa-Kristin Kapteinat, SPD-Fraktion NRW

Mona Neubaur (Bündnis 90/Grüne, l-r), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Josefine Paul (Bündnis 90/Grüne), Ministerin für Familie und Integration von Nordrhein-Westfalen, Ursula Linda Kurzbach und Tim Kurzbach, Oberbürgermeister der Stadt Solingen, haben weiße Rosen in den Händen und gehen zum Gedenkstein.

Vor einem Jahr tötete ein islamistischer Attentäter in Solingen drei Menschen. Danach verschärfte die Bundesregierung ihre Migrationspolitik. Solingen gedenkt jetzt der Opfer.

23.08.2025 | 2:19 min

Im Kern geht es um die Frage, wie im NRW-Fluchtministerium am Wochenende des Anschlags mit Informationen umgegangen und wann die Ministerin informiert wurde. Dass das Fluchtministerium die Infos nur häppchenweise herausgebe, mache die Arbeit im Ausschuss nicht gerade leichter, sagt Werner Pfeil von der FDP:

Das ist keine geordnete Aufklärung, die dadurch möglich ist.

Werner Pfeil, FDP-Fraktion NRW

Regierungskoalition verteidigt Aufarbeitung

Für Enxhi Seli-Zacharias von der AfD sind derartige Informationen gar nicht so relevant. Ihre Fraktion stelle sich vielmehr die Frage, wie Terroranschläge wie der von Solingen in Zukunft zu verhindern seien. Der Ausschuss müsse das Ziel haben, wie man Menschenleben schütze, sagt sie.

Ich finde es schade, dass man das Gefühl nicht loswird, dass man hier taktisch verzögert.

Enxhi Seli-Zacharias, AfD-Fraktion NRW

Das Fluchtministerium hatte sich bereits im November zu den Vorwürfen geäußert. Es stelle dem Ausschuss alle Akten gemäß der Beweisbeschlüsse zur Verfügung. Das seien bis dahin bereits rund 3.500 Daten und Akten gewesen. Auch von anderen Behörden lägen bereits mehr als 3.000 Akten vor. Das sei bereits eine ganze Menge, sagt Laura Postma von den Grünen:

Wir haben schon mehrere tausend Akten geliefert bekommen und wir bekommen fortlaufend neue zugestellt.

Laura Postma, Fraktion Die Grünen NRW

Der Fall Solingen: Anschlag im Auftrag des IS?

Beim Stadtfest in Solingen werden im Sommer drei Menschen getötet. Der mutmaßliche Täter Issa Al Hasan bekennt sich zur Terrormiliz IS. Kam er schon radikalisiert nach Deutschland?

26.02.2025 | 1:29 min

Auch Fabian Schrumpf (CDU) will die Vorwürfe nicht so stehen lassen. Und immerhin habe man die Erkenntnis gewonnen, dass das EU-Asyl-System dringend geändert werden müsse, allerdings auf europäischer Ebene. Und Sicherheitsbehörden müssten so ausgestattet werden, dass solch Anschläge unwahrscheinlicher werden:

Die wichtigste Aufgabe, die wir als Ausschuss haben, ist, dass ein so schreckliches Ereignis sich nach Möglichkeit nicht wiederholt.

Fabian Schrumpf, CDU-Fraktion NRW

Kurz nach dem Anschlag hatte sich die schwarz-grüne Regierungskoalition in NRW auf ein umfangreiches Sicherheitspaket geeinigt. Es sieht mehr Polizeibefugnisse und schärfere Abschieberegeln vor, aber auch die Stärkung des Verfassungsschutzes, bessere Überwachung potenzieller Extremisten, besserer Datenaustausch der Behörden, aber auch Maßnahmen gegen die irreguläre Migration. Die Arbeit im Untersuchungsausschuss soll am 13. Januar fortgesetzt werden.

Über dieses Thema berichtete ZDFheute Xpress in dem Beitrag "Solingen-Anschlag: Opposition kritisiert Aufarbeitung" am 30.12.2025 um 17:45 Uhr.

Mehr zum Terroranschlag von Solingen

  1. Der syrische Angeklagte Issa Al H (rechts) erscheint vor dem Gericht in Düsseldorf, Westdeutschland, um sein Urteil zu hören, nachdem er wegen eines tödlichen Messerangriffs, bei dem im August 2024 in Solingen, Westdeutschland, während eines Sommerfestes drei Menschen ums Leben kamen, vor Gericht stand.

    Höchststrafe für Issa Al Hasan:Lebenslange Haft für Attentäter von Solingen

    von Charlotte Greipl
    mit Video2:29

  2. Herbert Reul (CDU, l), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (3.v.r, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Tim Kurzbach (2.v.r), Oberbürgermeister der Stadt Solingen und Mona Neubaur (r, Bündnis 90/Grüne), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie von Nordrhein-Westfalen, stehen zusammen bei der Gedenfeier in Solingen.

  3. Nordrhein-Westfalen, Solingen: Besucher stehen auf dem Solinger Neumarkt während eines Gedenkkonzerts der Kotten Klub Bigband auftritt.

  4. Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Die beiden Nebenklägerinnen Lea, (l) und Bärbel V. besprechen sich mit ihrem Anwalt Athanasios Antonakis vor Beginn der Fortsetzung des Prozesses um den mutmaßlich islamistischen Terroranschlag von Solingen.

    Keine Zweifel an Tat oder Täter:40 Zeugen zum Terroranschlag von Solingen

    von Martin Schiffler
    mit Video2:51