Untersuchungsausschuss in NRW:Zähe Aufarbeitung nach Terroranschlag von Solingen
von Ralph Goldmann
Seit mehr als einem Jahr befasst sich der Landtag in Düsseldorf mit dem Terroranschlag von Solingen. Die Opposition bemängelt fehlenden Aufklärungswillen der Regierung.
Nach dem tödlichen Anschlag in Solingen im August 2024 untersucht ein U-Ausschuss mögliche Fehler von Behörden und Landesregierung. Doch die Opposition kritisiert die Aufarbeitung.
30.12.2025 | 3:02 minEs ist ein Sommerabend im August 2024, an dem in Solingen auf dem "Festival der Vielfalt" eigentlich ausgelassen das 650. Jubiläum der Stadt gefeiert werden soll. Doch gegen 21:35 Uhr greift der Syrer Issa Al Hasan mit einem Messer scheinbar wahllos die Menge vor einer Bühne an, ersticht eine 56-Jährige und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren. Sie sterben noch am Tatort. Acht weitere werden zum Teil schwer verletzt.
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" reklamiert die Tat für sich. Der Attentäter wird 24 Stunden später gefasst und im September 2025 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung verurteilt. Seit mehr als einem Jahr soll im Landtag ein Untersuchungsausschuss mögliche Versäumnisse und Fehler der Landesregierung und der Behörden untersuchen und strukturelle Defizite bei Abschiebungen und Rückführungen in andere EU-Länder unter die Lupe nehmen.
U-Ausschuss zu Solingen-Anschlag: Erkenntnisgewinn bisher bescheiden
Es soll Zeugen und Sachverständige anhören, aber auch Innenminister Herbert Reul (CDU) und Fluchtministerin Josefine Paul (Die Grünen). Beide tragen nach Ansicht der Opposition im Landtag aus SPD, FDP und AfD die Hauptverantwortung.
Der Messeranschlag in Solingen 2024 hat bundesweit für Aufsehen und Debatten gesorgt. Nun wurde der Täter zu lebenslanger Haft verurteilt. Was bleibt von der Schreckenstat?
10.09.2025 | 2:29 minDer Attentäter hätte eigentlich 2023 den EU-Asylregeln zufolge nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Das scheiterte jedoch - auch, weil er zunächst in seiner Flüchtlingsunterkunft nicht angetroffen worden war. Seit mehr als einem Jahr tagt der Ausschuss jetzt. Kurz vor Weihnachten fand bereits die 24. Sitzung statt, es war die letzte Sitzung im Jahr 2025, 15 weitere sind für 2026 bereits terminiert. Dann sollen auch endlich Ministerin Paul und Minister Reul vernommen werden. Bislang ist der Erkenntnisgewinn nämlich durchaus bescheiden.
Opposition wirft Regierung "Blockadehaltung" vor
Das liegt nach Ansicht der Opposition aus SPD, FDP und AfD an einer "Blockadehaltung" der Regierung. Die und auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) persönlich hätten ein "Transparenzversprechen" abgegeben, sagt die SPD-Obfrau im Ausschuss, Lisa-Kristin Kapteinat. Stattdessen habe die Opposition vor dem Verfassungsgerichtshof mühsam Informationen einklagen müssen:
Wir merken, dass es offensichtlich ein großes Interesse gibt, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu blockieren.
Lisa-Kristin Kapteinat, SPD-Fraktion NRW
Vor einem Jahr tötete ein islamistischer Attentäter in Solingen drei Menschen. Danach verschärfte die Bundesregierung ihre Migrationspolitik. Solingen gedenkt jetzt der Opfer.
23.08.2025 | 2:19 minIm Kern geht es um die Frage, wie im NRW-Fluchtministerium am Wochenende des Anschlags mit Informationen umgegangen und wann die Ministerin informiert wurde. Dass das Fluchtministerium die Infos nur häppchenweise herausgebe, mache die Arbeit im Ausschuss nicht gerade leichter, sagt Werner Pfeil von der FDP:
Das ist keine geordnete Aufklärung, die dadurch möglich ist.
Werner Pfeil, FDP-Fraktion NRW
Regierungskoalition verteidigt Aufarbeitung
Für Enxhi Seli-Zacharias von der AfD sind derartige Informationen gar nicht so relevant. Ihre Fraktion stelle sich vielmehr die Frage, wie Terroranschläge wie der von Solingen in Zukunft zu verhindern seien. Der Ausschuss müsse das Ziel haben, wie man Menschenleben schütze, sagt sie.
Ich finde es schade, dass man das Gefühl nicht loswird, dass man hier taktisch verzögert.
Enxhi Seli-Zacharias, AfD-Fraktion NRW
Das Fluchtministerium hatte sich bereits im November zu den Vorwürfen geäußert. Es stelle dem Ausschuss alle Akten gemäß der Beweisbeschlüsse zur Verfügung. Das seien bis dahin bereits rund 3.500 Daten und Akten gewesen. Auch von anderen Behörden lägen bereits mehr als 3.000 Akten vor. Das sei bereits eine ganze Menge, sagt Laura Postma von den Grünen:
Wir haben schon mehrere tausend Akten geliefert bekommen und wir bekommen fortlaufend neue zugestellt.
Laura Postma, Fraktion Die Grünen NRW
Beim Stadtfest in Solingen werden im Sommer drei Menschen getötet. Der mutmaßliche Täter Issa Al Hasan bekennt sich zur Terrormiliz IS. Kam er schon radikalisiert nach Deutschland?
26.02.2025 | 1:29 minAuch Fabian Schrumpf (CDU) will die Vorwürfe nicht so stehen lassen. Und immerhin habe man die Erkenntnis gewonnen, dass das EU-Asyl-System dringend geändert werden müsse, allerdings auf europäischer Ebene. Und Sicherheitsbehörden müssten so ausgestattet werden, dass solch Anschläge unwahrscheinlicher werden:
Die wichtigste Aufgabe, die wir als Ausschuss haben, ist, dass ein so schreckliches Ereignis sich nach Möglichkeit nicht wiederholt.
Fabian Schrumpf, CDU-Fraktion NRW
Kurz nach dem Anschlag hatte sich die schwarz-grüne Regierungskoalition in NRW auf ein umfangreiches Sicherheitspaket geeinigt. Es sieht mehr Polizeibefugnisse und schärfere Abschieberegeln vor, aber auch die Stärkung des Verfassungsschutzes, bessere Überwachung potenzieller Extremisten, besserer Datenaustausch der Behörden, aber auch Maßnahmen gegen die irreguläre Migration. Die Arbeit im Untersuchungsausschuss soll am 13. Januar fortgesetzt werden.
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