Höchststrafe für Issa Al Hasan:Lebenslange Haft für Attentäter von Solingen
von Charlotte Greipl
Auf einem Stadtfest in Solingen tötete er drei Menschen und verletzte weitere schwer. Jetzt wurde Al Hasan zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.
Der Messeranschlag in Solingen 2024 hat bundesweit für Aufsehen und Debatten gesorgt. Nun wurde der Täter zu lebenslanger Haft verurteilt. Was bleibt von der Schreckenstat?
10.09.2025 | 2:29 minIm Prozess um den Messeranschlag von Solingen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf an diesem Mittwoch Issa Al Hasan schuldig gesprochen. Das Gericht verurteilte den 27-jährigen Syrer zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Das hat zur Folge, dass eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen ist. Außerdem ordnete es die anschließende Sicherungsverwahrung an.
Anschlag auf Solinger Stadtfest
Seit Ende Mai musste sich Al Hasan für den Anschlag auf dem "Festival der Vielfalt" zum 650-jährigen Jubiläum der Stadt Solingen verantworten. Zu Beginn hatte er den Prozess teilnahmslos und mit gesenktem Kopf verfolgt. Er schien in weiten Teilen geistig abwesend, äußerte sich nur spärlich.
Nach dem Messerangriff in Solingen im vergangenen August versuchen Betroffene wieder zurück ins Leben zu finden. Doch das Attentat hat auch die Stadt und das ganze Land verändert.
27.05.2025 | 2:51 minAnders jedoch an diesem Mittwoch, dem Tag der Urteilsverkündung: Al Hasan betritt den Gerichtssaal erhobenen Hauptes, sogar ein Lächeln huscht angesichts des Medienrummels über sein Gesicht.
IS-Bekennervideos zeigen "wahres Gesicht"
In seiner Urteilsbegründung schildert der Vorsitzende Richter Winfried van der Grinten ausführlich den Tatverlauf. Innerhalb weniger Sekunden hatte Al Hasan auf ihm unbekannte Personen mit einem Tranchiermesser eingestochen, drei von ihnen verstarben, acht weitere wurden teils schwer verletzt. Viele von ihnen leiden noch heute an den Folgen der Tat und befinden sich in psychologischer Behandlung.
Al Hasan, so wird aus der Urteilsbegründung deutlich, befasste sich seit 2019 mit der Ideologie des IS und radikalisierte sich nach und nach. Im Vorfeld der Tat hatte er mehrfach mit einem IS-Mitglied Kontakt, das ihn bei der Durchführung des Anschlags und der Auswahl des Messers beriet.
In weiten Teilen gestand der Syrer die Tat, behauptete aber stets, er sei von seinem Chat-Partner manipuliert worden. Doch aus Sicht des Gerichts war klar: Al Hasan handelte aus eigener Motivation und wurde nicht von außen gesteuert. Kurz vor der Tat hatte er vier IS-Bekennervideos aufgenommen, die im Prozess als Beweismittel herangezogen wurden. Der IS reklamierte die Tat für sich.
Auf dem Stadtfest in Solingen ging am 23.08.2024 ein Syrer mit einem Messer auf Feiernde los, drei Menschen starben, acht wurden verletzt. Ein Weckruf für die damalige Migrationspolitik.
23.08.2025 | 1:41 minAl Hasan behauptete zudem, er habe das Leid der Menschen im Gaza-Streifen, das er im Internet sehen konnte, nicht mehr aushalten können. Doch auch das nahm das Gericht ihm nicht ab.
Er hat damit nicht sein wahres Gesicht gezeigt.
Richter van der Grinten
Sein wahres Gesicht - das habe man in den IS-Bekennervideos sehen können.
Gutachten bestätigt Schuldfähigkeit
Neben der genauen Rekonstruktion des Anschlags lag einer der Schwerpunkte des Verfahrens auf der Frage, ob Al Hasan überhaupt schuldfähig ist.
Vor einem Jahr tötete ein islamistischer Attentäter in Solingen drei Menschen. Danach verschärfte die Bundesregierung ihre Migrationspolitik. Solingen gedenkt der Opfer.
23.08.2025 | 2:19 minEin psychiatrischer Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass Al Hasan mit einem Intelligenzquotienten von 71 unterdurchschnittlich intelligent sei. Ein IQ von 69 oder niedriger gilt als geistige Behinderung. Anzeichen für eine psychische Störung konnte der Gutachter allerdings nicht feststellen.
Allgemeine Gewalt-Faszination
Doch bei der lebenslangen Haftstrafe bleibt es für Al Hasan ohnehin nicht. Wegen seiner radikal-islamistischen Gesinnung und seiner allgemeinen Faszination für Gewalt ordnete das Gericht auch eine Sicherungsverwahrung an. Sollte wider Erwarten ein Teil der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, käme er also dennoch nicht frei.
Für Al Hasan hat die angeordnete Sicherungsverwahrung außerdem zur Folge, dass er während der Haft sozial-therapeutisch behandelt wird. Richter van der Grinten wandte sich direkt mit einem Ratschlag an Al Hasan: Dieser sollte solche Angebote nutzen und auch Gespräche mit Imamen oder Islamwissenschaftlern nicht leichtfertig ablehnen. Al Hasans Reaktion: erneutes Grinsen.
Verfahren belastend für Überlebende
Wie sich das für die Überlebenden des Attentats angefühlt haben muss, wird nach dem Ende der Urteilsverkündung deutlich. Mehrere Überlebende und Hinterbliebene des Anschlags waren in dem Verfahren als Nebenkläger und Zeugen aufgetreten, hatten das Geschehen immer wieder in Erzählungen durchleben müssen.
Es macht mich wütend, ihn jetzt so zu sehen.
Lea Varoquier, Überlebende
Lea und ihre Mutter Bärbel Varoquier überlebten den Anschlag nur knapp. Al Hasan hatte ihnen nacheinander mit dem Messer in die rechte Halsseite gestochen. Beide leiden seitdem unter den körperlichen und psychischen Folgen des Attentats.
Lea Varoquier ist froh, dass der Prozess abgeschlossen ist und hofft, im Beruf wieder Fuß fassen zu können. Ein Reporter fragt, woher sie die Kraft genommen habe, an dem Gerichtsverfahren teilzunehmen, trotz allem, was ihr und ihrer Mutter geschehen ist.
Das wisse sie selbst manchmal nicht, sagt Lea Varoquier. "Aber es braucht nach jedem Anschlag Menschen, die nach vorne gehen und sagen: Wir dürfen uns von so einem Anschlag nicht unterkriegen lassen."
Charlotte Greipl ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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