Messeranschlag bei Stadtfest:Solingen-Prozess: Angeklagter gesteht
von Jan Henrich
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Neun Monate nach dem Anschlag in Solingen hat der Prozess begonnen. Der Angeklagte gestand die Tat. Im Zentrum steht die Frage, wie eng sie mit der Terrormiliz IS abgestimmt war.
Im Prozess um den Terroranschlag von Solingen hat der Angeklagte zum Auftakt gestanden. Bei dem Anschlag auf ein Stadtfest im vergangenen August hatte er drei Menschen getötet.27.05.2025 | 1:32 min
Im Strafprozess um den mutmaßlich islamistischen Terroranschlag von Solingen mit drei Toten hat der Angeklagte die Tat gestanden. In einer Erklärung, die seine Verteidiger für ihn abgaben, räumte der Syrer Issa Al Hasan den Messerangriff ein, bei dem drei Menschen starben. "Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ich bin bereit, das Urteil entgegenzunehmen", heißt es in der Erklärung.
Dreifacher Mord sowie zehnfach versuchter Mord - so lautet die Anklage der Bundesanwaltschaft. Al Hasan soll am 23. August 2024 gezielt mit einem Messer auf Hals- und Oberkörperbereich von Besuchern des "Festival der Vielfalt" in Solingen eingestochen haben. Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf begann heute der Prozess gegen ihn. Dabei soll auch geklärt werden, wie eng die Terrormiliz "Islamischer Staat" in die Vorbereitungen des Anschlags eingebunden war.
Nach dem Messeranschlag in Solingen begann heute der Prozess gegen den angeklagten Syrer. Ihm wird dreifacher Mord und zehnfacher versuchter Mord vorgeworfen.27.05.2025 | 2:02 min
Tat in Abstimmung mit dem IS
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft soll es dem aus Syrien stammenden Angeklagten darum gegangen sein, vermeintlich Ungläubige anzugreifen, um Vergeltung für militärische Aktionen westlicher Staaten zu üben. Er soll dazu in Kontakt mit Mitgliedern des IS gestanden haben. Anweisungen und ein Bekennervideo seien ausgetauscht worden. Wer die Kontaktpersonen waren, ist den Ermittlern nicht bekannt. Einen Tag nach der Tat hatte der IS den Anschlag für sich reklamiert. Neben Mord wird Issa Al Hasan deswegen auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
Es war das erste Mal seit dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz im Dezember 2016, dass offizielle Propaganda-Kanäle des "Islamitischen Staates" eine Tat in Deutschland so deutlich für sich reklamiert hatten.
Große Anteilnahme für die Angehörigen bei der Trauerfeier in Solingen. Bundespräsident Steinmeier hielt eine Trauerrede und forderte sehr deutlich politische Konsequenzen.01.09.2024 | 1:15 min
22 Verhandlungstage angesetzt
Die gerichtliche Aufklärung soll ein genaues Bild des Anschlags und deren Planung aufzeigen. Wie hatte sich der mutmaßliche Täter radikalisiert? Wie liefen die Vorbereitungen zur Tat ab? Bislang sind 22 Verhandlungstage dafür angesetzt. Zudem wollen sich Opfer des Anschlags, die bei der Messer-Attacke schwer verletzt wurden sowie Angehörige der Getöteten in dem Prozess einbringen. Insgesamt treten zwölf Nebenkläger vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf auf.
Zwölf islamistisch motivierte Anschläge zählt das Bundesamt für Verfassungsschutz im Zeitraum von 2016 bis 2024 in Deutschland. Insgesamt waren dabei 22 Menschen getötet worden.
August 2024: Messerangriff auf einem Stadtfest in Solingen, 3 Tote, 8 Verletzte
Mai 2024: Angriff mit einem Messer auf dem Markplatz in Mannheim, 1 Toter, 6 Verletzte
April 2023: Messerangriff in Duisburg, 1 Toter, 4 Verletzte
November 2021: Messerangriff im Zug zwischen Regensburg und Nürnberg, 3 Verletzte
Oktober 2020: Messerattacke in der Dresdener Altstadt, 1 Toter, 1 Verletzter
April 2020: Anschlagsserie auf türkischstämmige Personen in Waldkraiburg, 6 Verletzte
Juli 2017: Angriff mit einem Messer in einem Lebensmittelgeschäft in Hamburg, 1 Toter, 6 Verletzte
Dezember 2016: Angriff mit einem Lkw auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin, 13 Tote, 61 Verletzte
Juli 2016: Sprengstoffanschlag durch Selbstmordattentäter in Ansbach, 1 Toter (Täter), 14 Verletze
Juli 2016: Angriff in einem Regionalzug bei Würzburg, 1 Toter (Täter), 5 Verletze
April 2016: Sprengstoffanschlag auf einen Tempel der Sikh-Gemeinde in Essen, 3 Verletzte
Februar 2016: Messerattacke in Hannover auf einen Polizeibeamten, 1 Verletzter
Bisher soll der Angeklagte laut Medienberichten in den bisherigen Vernehmungen keine Angaben zur Tat gemacht haben.
Untersuchungsausschuss soll Versäumnisse bei Behörden klären
Neben der juristischen wirft auch die politische Aufarbeitung der Tat weiterhin Fragen auf. Allem voran, warum sich der mutmaßliche Täter überhaupt in Deutschland aufgehalten hatte. Issa Al Hasan kam im Dezember 2022 nach Deutschland und stellte hier einen Asylantrag. Die Einreise in die Europäische Union erfolgte jedoch über Bulgarien, weshalb die dortigen Behörden für sein Asylverfahren zuständig waren und sich auch zu einer Rücknahme bereiterklärt hatten. Doch die Überstellung scheiterte.
Der nordrhein-westfälische Landtag hatte im November 2024 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um mögliche Behördenversäumnisse aufzuklären.
Sicherheitspolitische Folgen der Tat
Auch in Berlin hat der Anschlag ein politisches Beben und eine Debatte über die deutsche Asylpolitik ausgelöst. Wenige Tage nach der Tat brachte die Ampel-Koalition ein Sicherheitspaket auf den Weg, unter anderem mit Verschärfungen im Waffenrecht und einer Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse für Sicherheitsbehörden. Seit September 2024 finden zudem verstärkt Kontrollen an deutschen Außengrenzen statt. Nach der Bundestagswahl hatte sich die neue Koalition aus Union und SPD darauf geeinigt, Asylsuchende in Abstimmung mit europäischen Nachbarländern an der Grenze zurückzuweisen.
Jan Henrich arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.