Baltops-Manöver: Bundeswehr übt - unter russischer Beobachtung
Baltops-Manöver in der Ostsee :Bundeswehr übt - unter russischer Beobachtung
von Nils Metzger, Ostsee
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Über 50 Kriegsschiffe, mehr als 9.000 Soldaten: Seit drei Tagen läuft die größte Nato-Übung des Jahres auf der Ostsee. Eine Reportage von der deutschen Fregatte "Bayern".
'Baltic Operations', kurz Baltops, ist das wichtigste Marinemanöver der Nato in der Ostsee. Trainiert wird mit 9.000 Soldatinnen und Soldaten aus 17 Nationen unter anderem die Spionageabwehr unter Wasser. 05.06.2025 | 1:59 min
Einerseits ist das Baltops-Manöver Routine, denn seit Jahrzehnten übt Deutschland in diesem Rahmen mit Verbündeten. Doch die Spannungen mit Russland machen sich in diesem Jahr schnell bemerkbar.
Ab Freitagmorgen klemmt sich ein russisches Beobachtungsschiff, die über 90 Meter lange "Vasiliy Tatishchev", an den Manöververband. Von der Brücke der deutschen Fregatte "Bayern" aus ist das Boot mit seinen Antennen klar am Horizont zu erkennen. Wann immer die übenden Schiffe auf einen neuen Kurs einlenken, zieht das russische Schiff nach, bleibt aber in einigen Seemeilen Entfernung.
Deutlich höhere Verteidigungsausgaben, massive Investitionen in Luftabwehr und Waffensysteme – die Nato hat sich auf ihr größtes Aufrüstungsprogramm seit Jahrzehnten verständigt. 05.06.2025 | 3:02 min
"Das ist ein Aufklärungsfahrzeug der russischen Marine, das heute Morgen in unserem Bereich aufgetaucht ist. Es hält sich jetzt in unserer Nähe auf, sehr wahrscheinlich, um Aufklärungsarbeit durchzuführen, also das elektromagnetische Spektrum abzutasten, etwa Radarfrequenzen auszuhorchen, die wir benutzen. Und wahrscheinlich auch um Verfahren, was den Flugbetrieb angeht, in Erfahrung zu bringen", schildert Fregattenkapitän S., erster Offizier der "Bayern", die mögliche Intention des rund drei Seemeilen entfernten russischen Schiffes.
Vor allem in der großen räumlichen Nähe der Ostsee geschehe das regelmäßig bei Übungen der Nato, sagt der Offizier zu ZDF frontal.
Seit 2022 häufen sich die Fälle von mutmaßlicher Sabotage in der Ostsee. Die Kampfschwimmer der Bundeswehr bereiten sich im Marinestützpunkt Eckernförde darauf vor – doch es fehlt an Sicherheit.03.06.2025 | 16:30 min
So reagiert die "Bayern" auf das russische Schiff
Die Besatzung der "Bayern" hat den Verfolger kritisch im Blick; die Übungen gehen aber wie geplant weiter. Immer wieder landen Hubschrauber anderer Nationen auf dem Flugdeck des Kriegsschiffs. Es hat 230 Männern und Frauen Besatzung an Bord.
Man will sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, betont Fregattenkapitän Michael Klöfkorn-Dorscht, Kommandant der "Bayern":
Wir sind auf See, die russische Marine ist auf See. Wir beide dürfen hier sein, um unsere Präsenz zu zeigen im internationalen Raum. Jedes Zusammentreffen werden wir professionell und deeskalierend wahrnehmen und unsere Aufgabe fortführen.
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Michael Klöfkorn-Dorscht, Kommandant der "Bayern"
Zur Sicherheit wird an Bord dennoch eine erhöhte Warnstufe ausgegeben - Handys auf Deck sind nun untersagt, damit die Geräte nicht geortet werden können.
Die Kampfschwimmer durchlaufen ein extrem hartes Training, um immer einsatzbereit und für den Ernstfall ausgebildet zu sein. Die Eliteeinheit ist Kern des Kommando Spezialkräfte der Marine.03.06.2025 | 17:59 min
Kampf gegen U-Boote ist ein Fokus
Besonderer Fokus der "Bayern" in der deutschen Flotte ist der Kampf gegen U-Boote. Zwar ist sie mit fast 30 Dienstjahren schon älter, aber für diese kritische Aufgabe ist sie speziell ausgestattet und bewaffnet. "Wir übernehmen die Aufgabe der U-Boot-Jagd für den ganzen Verband - das ist sehr fordernd,", sagt Kapitänleutnant K. Sie leitet das Team, das in der abgedunkelten Operationszentrale des Schiffes inmitten von Bildschirm-Wänden Positionen abgetauchter Gegner sucht.
"Die Analyse der Umwelt ist für die U-Boot-Jagd sehr wichtig. Wassertiefe oder alles, was auf dem Meeresgrund liegt. Wracks, Kabel, Pipelines. Dafür ist die Ostsee ein enorm spannendes Gebiet.
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Kapitänleutnant K.
Damit hat auch kaum jemand die kritische Infrastruktur am Meeresgrund so detailliert im Blick wie die "Bayern". Bei einem potenziellen Konflikt mit Russland könnte sie auch Konvois vor lauernden U-Booten in Nord- und Ostsee beschützen - für die Versorgung des Bündnisses und der bedrohten baltischen Staaten essenziell.
Seit 2022 häufen sich die Fälle von mutmaßlicher Sabotage in der Ostsee. Die Kampfschwimmer der Bundeswehr bereiten sich im Marinestützpunkt Eckernförde darauf vor – doch es fehlt an Sicherheit.03.06.2025 | 16:30 min
Es gehe darum, "Präsenz zu zeigen und einen Teil zur Abschreckung beizutragen", schildert Kommandant Klöfkorn-Dorscht die Aufgabe seines Schiffs bei Baltops. "Es gibt verschiedene Bedrohungsszenarien, ob aus der Luft, unter Wasser, über Wasser oder auch asymmetrischer Kriegsführung in Form von Terroristen oder Schnellbooten.
Und die müssen wir lösen innerhalb der Verfahren, die wir in der Nato haben. Und als Sieger aus dem möglichen Gefecht gehen.
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Michael Klöfkorn-Dorscht, Komandant
Schießübung der Bordkanone: Drohnen im Visier
Auch der Kampf gegen Drohnen steht auf dem Ausbildungsprogramm. Vor der dänischen Küste sind die Schiffe dafür in ein extra eingerichtetes Schießareal gefahren.
Eine Schattenflotte, die Russland zugerechnet wird, soll in der Ostsee für diverse Sabotageakte verantwortlich sein. Die Anrainerstaaten beraten auf einem Krisentreffen.29.04.2025 | 1:51 min
Von der Küste starten kleine Zieldrohnen, die die Besatzung erfassen und mit der Bordkanone abschießen müssen. Dabei zielen sie bewusst einen festgelegten Abstand daneben - um die Drohnen nicht jedes Mal ersetzen zu müssen. Auch bei den größten Militärübungen muss aufs Geld geachtet werden.
Viermal hintereinander feuert die "Bayern" Salven mit je drei Schüssen ab. Mit dem Ergebnis ist die Besatzung zufrieden. Für viele von ihnen ist es das erste Mal, dass sie die Abwehr solcher Zieldrohnen üben. Anders als Kampfjets oder Raketen sind sie auf dem Zielradar viel schwerer zu erkennen.
Sie gelten als Elitesoldaten der Marine: Die Kampfschwimmer der Bundeswehr durchlaufen ein extrem forderndes Training, um jederzeit für den Ernstfall gerüstet zu sein. 04.06.2025 | 2:32 min
Übung erfordert maximale Konzentration
Technik ist dabei nur eine Hälfte des Erfolgs - genauso kommt es darauf an, dass die auf mehreren Decks verteilte Besatzung von Schützen über Steuer bis zu den verantwortlichen Offizieren klar und präzise miteinander kommunizieren. Höchste Konzentration für viele der meist jungen Soldaten an den Konsolen.
Insgesamt geht die Baltops-Übung noch bis zum 20. Juni und endet zeitgleich zur Kieler Woche. Intensive Tage für die "Bayern".
Das russische Beobachtungsschiff konnte sie - zumindest vorübergehend - abschütteln. Denn wenn die "Bayern" mit über 29 Knoten volle Fahrt aufnimmt, kommt der aufdringliche Verfolger nicht hinterher.
Die Marine klagt aktuell über fehlenden Nachwuchs: Von knapp 15.000 militärischen Dienstposten blieb im letzten Jahr jeder fünfte unbesetzt. Die Herausforderungen aber wachsen.