Fünf Prozent fürs Militär - geht das überhaupt?

FAQ

Verteidigungsbudget soll steigen:Fünf Prozent fürs Militär - geht das überhaupt?

von Oliver Klein, Jan Schneider, Nils Metzger
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Trump fordert Militärausgaben der Nato-Länder von fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, jetzt ist auch Deutschland dafür. Wo soll das Geld herkommen und wo wird es gebraucht?

Der deutsche Außenminister Johann Wadephul spricht mit Journalisten bei seiner Ankunft zum informellen NATO-Außenministertreffen in Belek nahe Antalya, Türkei.
Außenminister Wadephul sagt, Deutschland unterstütze die USA in ihrem Vorhaben, die Verteidigungsausgaben der Nato-Partner auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu erhöhen.15.05.2025 | 0:26 min
Schon lange fordert US-Präsident Donald Trump die Länder der Nato auf, sehr viel mehr Geld für Verteidigung auszugeben - fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung sollen es jeweils sein. Nun hat sich auch der neue Bundesaußenminister Johann Wadephul öffentlich hinter diese Forderung gestellt: Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte der CDU-Politiker bei einem Nato-Außenministertreffen in der Türkei nach einem Gespräch mit US-Außenminister Marco Rubio.
Um wie viel Geld geht es? Wie realistisch sind die Forderungen, was würde das für den Bundeshaushalt bedeuten? Und wie würde mehr Geld der Bundeswehr helfen? ZDFheute beantwortet die wichtigsten Fragen.
Debatte um 5-Prozent-Militärausgaben
Der künftige US-Präsident Donald Trump ist mit seiner Forderung einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auch in Deutschland auf erheblichen Widerspruch gestoßen.09.01.2025 | 2:32 min

Um wie viel Geld geht es bei fünf Prozent?

Die Bundesrepublik gab zuletzt etwas mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für das Militär aus. Nach jüngsten Angaben des neuen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr 45 Milliarden Euro mehr an Verteidigungsausgaben bedeuten. Bei fünf Prozent wären nach Rechnung von Merz derzeit Verteidigungsausgaben in Höhe von rund 225 Milliarden Euro pro Jahr notwendig.

Wie realistisch ist die Fünf-Prozent-Forderung?

Als US-Präsident Donald Trump Anfang Januar die Forderung nach fünf Prozent eingebracht hatte, haben viele Verteidigungsexperten das als reine Verhandlungstaktik abgetan. Die Aussage habe zwar einen "wahren Kern", sagte damals Nico Lange, Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz, sei aber zu hoch gegriffen.
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Nun sei diese Diskussion in der deutschen Innenpolitik angekommen, erklärt Ulrich Kühn, Leiter des Forschungsbereichs "Rüstungskontrolle und Neue Technologien" am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). "Wir befinden uns immer noch in einer Phase des Verhandelns", erklärt Kühn. Wadephul habe nun eine hohe Zahl in den Raum geworfen, vermutlich werde die SPD einen niedrigeren Gegenvorschlag machen. Am Ende werde man einen Kompromiss finden müssen.

Deutschland muss mehr ausgeben und Deutschland wird auch mehr ausgeben. Dass wir am Ende tatsächlich bei fünf Prozent landen, halte ich aber für ausgeschlossen.

Ulrich Kühn, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Universität Hamburg

Er gibt dabei zu bedenken, dass Deutschland noch nie seit Bestehen der Nato einen so großen Anteil des BIP für Verteidigung ausgegeben hat. Das Maximum lag, laut Daten des Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung SIPRI, bei knapp 4,9 Prozent im Jahr 1963. Auch die USA selbst gaben zuletzt "nur" 3,4 Prozent für Verteidigung aus.
Nato-Länder, die Zwei-Prozent-Ziel erreichen

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Wie könnte das Geld trotzdem zusammenkommen?

Zunächst ist über die sogenannten Sondervermögen Geld zusammengekommen: Zum einen das "Zeitenwende"-Sondervermögen, das Ex-Kanzler Olaf Scholz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 verkündet hatte. Das ist allerdings zu großen Teilen schon aufgebraucht oder verplant. 2025 wurde ein weiteres Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur beschlossen. Durch die Reform der Schuldenbremse sind außerdem Verteidigungsausgaben über einem Prozent des BIP sind ausgenommen von der Schuldenbegrenzung und damit im Prinzip unbegrenzt möglich. In ihrem Koalitionsvertrag sprach sich Schwarz-Rot auch dafür aus, neue Regeln zu schaffen, dass bestimmte Verteidigungsausgaben nicht mehr den strikten zeitlichen Regeln der Haushaltsjahre unterworfen sind.

Die Nato-Mitgliedstaaten legen ihre Verteidigungsausgaben selbst fest - es gibt keine zentrale Instanz, die dies vorschreibt. Allerdings gibt es eine wichtige gemeinsame Zielvorgabe: Das sogenannte "Zwei-Prozent-Ziel" wurde erstmals beim Nato-Gipfel in Wales 2014 vereinbart und 2023 in Litauen als verbindlich festgeschrieben.

Dies ist eine Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten, keine rechtlich bindende Vorschrift. Jedes Land entscheidet souverän über seinen Verteidigungshaushalt, die Nato oder andere verbündete Staaten können nur Empfehlungen aussprechen und politischen Druck ausüben. Die konkrete Verwendung der Mittel liegt ebenfalls in nationaler Verantwortung.

(Stand: 15. Mai 2025)

Wadephul zufolge könnte vereinbart werden, dass klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausreichend seien, sofern gleichzeitig auch noch 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für militärisch nutzbare Infrastruktur ausgegeben würden.
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Die Idee ist nicht neu: Ein solches Vorgehen hatte zuletzt Nato-Generalsekretär Mark Rutte vorgeschlagen. Auch Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte im Wahlkampf 3,5 Prozent als nötig erachtet. Die restlichen 1,5 Prozent für militärisch nutzbare Infrastruktur können sehr vielfältig ausfallen: Damit könnten das Schienen- und Straßennetz gemeint sein, genauso wie Brücken, Stromnetze und oder IT-Projekte - alles Bereiche, in denen Deutschland enormen Investitionsbedarf hat.

Was könnte mit dem Geld gemacht werden?

Die Debatte um höhere Verteidigungsausgaben in der Nato ist komplexer als oft dargestellt, sagt Sicherheitsexperte Kühn gegenüber ZDFheute. Es gehe nicht nur um die Höhe der Ausgaben, sondern vor allem um deren sinnvollen Einsatz. Deutschland stehe dabei vor der Herausforderung, die Schuldenbremse mit den Verteidigungsanforderungen in Einklang zu bringen. Ohne neue Schulden seien die nötigen Investitionen kaum zu stemmen, so Kühn.
Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass sowohl klassische Verteidigungssysteme als auch moderne Technologien wie Drohnen wichtig seien. Kühn plädiert für eine bessere Abstimmung zwischen den europäischen Nato-Partnern bei der Beschaffung.
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Doch auch die Beschaffung von Waffensystemen ist keineswegs trivial: Während amerikanische Waffen oft günstiger sind, da in den USA anders produziert wird, kann die von Trumps zweiter Präsidentschaft ausgehende Unsicherheit auch ein starkes Argument für eine Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie sein - auch wenn es teurer ist.
Ungeachtet dessen hat die Bundeswehr auch ohne Trump einen massiven Finanzierungsbedarf. Die ersten Investitionen der letzten Legislatur dürften bei Großgerät wie Panzern oder Flugzeugen zwar spürbar Besserung bringen, aber anderswo sind die Lücken ähnlich groß wie zuvor - etwa im Bereich Infrastruktur mit Kasernen oder der Reserve. Einfach nur mehr Geld in das aktuell völlig überbürokratisierte System Bundeswehr zu pumpen, dürfte weder effiziente noch schnelle Lösungen produzieren.

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Quelle: mit Material von dpa

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