Kampfschwimmer der Bundeswehr: Die Marine der Nato an der Ostsee

Exklusiv

Kriegsgefahr an Nato-Ostflanke:Deutsche Kampfschwimmer im Ostsee-Einsatz

ZDF-Korrespondentin Anna Feist
von Anna Feist
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Die Kriegsgefahr an der Nato-Ostflanke steigt. Ein Einsatz kann jederzeit erfolgen. Die Spezialkräfte der Deutschen Marine bereiten sich vor für den Ernstfall - im Meer.

Mehrere Kampfschwimmer der Bundeswehr, die dem Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) angehören, bei einer Einsatz-Übung in der Ostsee, im Hintergrund ein Bundeswehr-Hubschrauber
Die Kampfschwimmer durchlaufen ein extrem hartes Training, um immer einsatzbereit und für den Ernstfall ausgebildet zu sein. Die Eliteeinheit ist Kern des Kommando Spezialkräfte der Marine.03.06.2025 | 17:59 min
Es ist kalt in dieser Nacht, und stockfinster. Gischt spritzt - ihr Einsatzboot getarnt in der Dunkelheit, nur erkennbar mit Nachtsichtgerät. Dann plötzlich stoppen die zwei Jetmotoren, das Festrumpfschlauchboot bleibt auf der Stelle stehen. Wir sind mitten in der Ostsee. Mehrere Männer verlassen mit ihren Tauchgeräten fast unbemerkt das Boot. Sie kommen übers Wasser, doch ihr Einsatz beginnt oft erst an Land. Ihr Ziel: eine Hafenanlage. Ihr "Auftrag" in dieser Nacht: "den Feind" ausschalten.

Der Gedanke: "Lieber er als ich"

Einer der Männer erklärt uns: "Wenn ich persönlich in so ein Gefecht gehe, dann gehe ich immer mit dem Gedanken voran, lieber er als ich. Ich gewinne den Feuerkampf. Ich bin Erster, ich bin besser."
Die Männer sind Kampfschwimmer, Elitesoldaten - ausgebildet für Spezialoperationen, für die keine andere Einheit der Bundeswehr infrage kommt. Monatelang hat ein ZDF-Team die Spezialkräfte der Marine bei ihren Einsatzübungen in der Ostsee begleitet.

"Russland jetzt schon im Krieg mit dem Westen"

Ihr Stützpunkt: Eckernförde. Ihr Übungsgebiet ist dort, wo es seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mittlerweile fast täglich zu neuen mutmaßlich russischen hybriden Angriffen, etwa auf Tiefseekabel, kommt: die Ostsee.
Ein am Seil hängender Kampfschwimmer der Bundeswehr, der dem Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) angehört, wird bei einer Einsatz-Übung in der Ostsee in einen Bundeswehr-Hubschrauber hochgezogen
Seit 2022 häufen sich die Fälle von mutmaßlicher Sabotage in der Ostsee. Die Kampfschwimmer der Bundeswehr bereiten sich im Marinestützpunkt Eckernförde darauf vor – doch es fehlt an Sicherheit.03.06.2025 | 16:30 min
"Aus russischer Sicht befindet sich Russland jetzt schon im Krieg mit dem Westen", sagt die Politikwissenschaftlerin Claudia Major vom German Marshall Fund. Denn Russland greife derzeit so an, dass es unterhalb der Schwelle von einem offenen Konflikt bleibe: "Es ist enorm schwierig für Nato und EU-Staaten, damit umzugehen, weil ja Gewalt angewendet wird. Sie hat aber keinen militärischen Charakter."

"Die Bedrohung wird immer konkreter"

Bisher unterschätze die Politik die Gefahr, sagt Major: "In Deutschland denken wir noch sehr gerne in klaren Unterschieden: Hier ist Krieg, und da ist Frieden. Und wenn wir keinen Krieg haben, dann haben wir Frieden. Und wir müssen uns vielmehr daran gewöhnen, diese große Grauzone zwischen Krieg und Frieden auszuleuchten."
Die Kriegsgefahr im Baltikum, an der Nato-Ostflanke, steigt - und ein Einsatz der deutschen Elitesoldaten dort wird immer wahrscheinlicher, das ahnen auch die Kampfschwimmer: "Die Zeiten sind sehr, sehr turbulent, die Bedrohung wird immer konkreter", antwortet einer der Männer im ZDF-Interview. Ein anderer sagt: "Keiner will, dass der Fall eintritt, aber wenn er eintritt, wer soll denn kommen, wenn nicht wir?"
Mehrere Kampfschwimmer der Bundeswehr, die dem Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) angehören, im Einsatz-Boot sitzend, bei einer Übung in der Ostsee
Die Kampfschwimmer der Bundeswehr trainieren für mögliche Einsätze in der Ostsee. Doch ausgerechnet ihre wichtigsten Einsatzboote – die RHIBs – sind veraltet, marode und stellen ein Risiko dar.03.06.2025 | 18:57 min

Vorbereitung auf den Ernstfall

Weil vieles, was die Kampfschwimmer betrifft, als vertraulich eingestuft ist, bleiben die Soldaten anonym und ihre Gesichter hinter ihren Sturmhauben verborgen. Nur ihr Kommandeur, Jörg Buddenbohm, zeigt Gesicht: "Für uns ist es klar: Wenn das Nato-Gebiet angegriffen wird, dann wird es zum Bündnisfall kommen und dann werden wir bereit sein, unsere Aufgaben zu erfüllen. Die Pläne sind da. Wir sind vorbereitet."
Auf Nachfrage, was denn konkret derzeit vorbereitet werde, antwortet er: "Wir trainieren und bereiten uns vor auf das gesamte Spektrum von Spezialoperationen." Das heißt: direkter Einsatz, Kampfeinsätze im Gebiet, das vom Gegner kontrolliert ist, Aufklärung in gegnerisch kontrolliertem Gebiet. "Und auch Unterstützungseinsätze für unsere Partner in gegnerisch kontrolliertem Gebiet - hier jetzt für den Fall, wenn Russland tatsächlich einen Angriff auf Nato-Gebiet durchführt."

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Bereit, für Deutschland zu sterben?

Die Kampfschwimmer trainieren für den Ernstfall. Und sie sagen, sie wissen um die Schlagkraft eines möglichen russischen Gegners:

Das ist schon so, dass wir uns der Gefahr bewusst sind.

Jörg Buddenbohm, Kommandeur

"Wir wissen auch, gerade aus Berichten von unseren Spezialkräfte-Pendants aus der Ukraine, dass die Ausfallquoten einfach deutlich höher sind, als sie es vielleicht zu Zeiten der Terrorismusbekämpfung waren."
Und trotzdem seien sie im Zweifel bereit, ihr Leben für Deutschland zu geben. Denn was viele der Männer motiviere, sei der tiefe Glaube, "das Gute zu verteidigen", - also die Demokratie, eine freiheitliche westliche Gesellschaft, erklärt uns der Teamführer des ersten Einsatzteams: "Und, wir haben eine ganz, ganz tiefe Verbundenheit in der Einheit. Das heißt, man wird natürlich auch alles für seinen Kameraden tun. Und wenn ich sage alles, dann kann das auch in letzter Instanz mit dem Tod verbunden sein."

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