Merz bei Illner: Das sagt der Kanzler zu Trump und Koalition

Interview

Kanzler bei "maybrit illner":Wie wollen Sie regieren, Herr Merz?

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Friedrich Merz blickt bei "maybrit illner" auf die Herausforderungen als neuer Kanzler. Das sagt der CDU-Chef zum Ukraine-Krieg, zur Schuldenbremse und dem Umgang mit der AfD.

Kanzler Friedrich Merz spricht mit Maybrit Illner.
Bundeskanzler Friedrich Merz zu Gast bei "maybrit illner"15.05.2025 | 64:51 min
Wie geht es weiter in der Ukraine-Politik? Muss Deutschland seine Verteidigungsausgaben steigern? Und: Wird es künftig eine Zusammenarbeit mit der Linken geben? Im ZDF-Polit-Talk "maybrit illner" hat sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) diesen und weiteren Fragen gestellt.
Mit Blick auf die Ukraine kritisierte Merz das Fernbleiben des russischen Präsidenten Wladimir Putin bei den Istanbuler Gesprächen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe mit seiner Reise in die Türkei "ein enormes Entgegenkommen" gezeigt, sagte Merz. "Wer sich jetzt allein ins Unrecht setzt mit seinem Nichterscheinen, ist Putin."
Merz verteidigte zudem die jüngsten Bemühungen um eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg. Am vergangenen Freitag war Merz zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Großbritanniens Premierminister Keir Starmer und Polens Ministerpräsident Donald Tusk in die Ukraine gereist. Er habe nicht erwartet, "dass wir mit dieser Initiative sofort Erfolg haben", sagte Merz. Er habe zwei Ziele gehabt:
  • Dafür zu sorgen, dass Europa, darunter Großbritannien, Frankreich, Polen und Deutschland "mit einer Stimme sprechen".
  • Dass man eine gemeinsame Sprache spreche, "wenn eben möglich auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika".
Die eruopäischen Regierungschefs erreichen Kiew mit dem Zug.
Unter strengster Geheimhaltung waren Kanzler Merz, Frankreichs Präsident Macron und der britische Premier Starmer nach Kiew gereist - im Sonderzug mit dem Namen "Bravery Express".10.05.2025 | 6:08 min

Merz stellt neues Sanktionspaket in Aussicht

Der Kanzler erklärte weiter, in die Beratungen vor der Reise nach Kiew sei "nicht nur der amerikanische Präsident einbezogen" worden, "sondern auch eine ganze Reihe von amerikanischen Senatoren". Merz betonte:

Ich versuche alles, die Amerikaner jetzt bei uns zu behalten, an unserer Seite zu halten.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

Um den Druck auf Putin zu erhöhen, werde außerdem am kommenden Dienstag in Brüssel ein neues Sanktionspaket auf den Weg gebracht, so der Kanzler. "Dieses Paket ist fertig und wird am nächsten Dienstag in Brüssel beschlossen." Merz versicherte, die Sanktionen würden auch unmittelbar am Dienstag in Kraft treten.

Merz: Diskussion um Taurus war "strategischer Vorteil" für Putin

Bei der Frage nach einer möglichen Taurus-Lieferung an die Ukraine blieb der Kanzler zurückhaltend. In der Vergangenheit habe man diese Diskussion öffentlich geführt. Das sei ein "strategischer Vorteil" für Putin und ein "strategischer Nachteil für uns" gewesen, argumentierte Merz. "Warum sollen wir das fortsetzen?"
Maybrit Illner, Bundeskanzler Friedrich Merz
Merz erteilte Diskussionen über die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine eine Absage. 15.05.2025 | 2:14 min
Dennoch stellte Merz klar, dass derzeit keine Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine geplant sei. "Es steht im Augenblick auch nicht an", sagte Merz auf die Frage nach möglichem Widerstand der SPD. Eine Lieferung würde auch einen erheblichen Vorlauf wegen der nötigen Ausbildung erfordern. Die Ukraine würde aber Marschflugkörper aus Frankreich und Großbritannien erhalten. Die Bedeutung des Taurus für die Ukraine werde in der Öffentlichkeit "hochgejazzt".

Verteidigungsausgaben: Merz bei Fünf-Prozent-Ziel zurückhaltend

Bei der Diskussion um den Anteil der Verteidigungsausgaben an der Wirtschaftskraft mahnte Merz, die Debatte nicht überzubewerten. "Diese Diskussion um Prozentzahlen vom BIP, das ist eine Hilfskonstruktion, um mal Richtwerte zu haben, in welche Richtung wir denn mit der Aufrüstung der Streitkräfte gehen", sagte Merz.
TURKEY-NATO-DIPLOMACY-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT
US-Präsident Trump fordert von den NATO-Staaten Ausgaben von fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung. Deutschlands Außenminister Wadephul spricht sich dafür aus.15.05.2025 | 3:42 min
Stattdessen sollte es seiner Meinung nach mehr um die konkreten militärischen Fähigkeiten gehen. "Wir müssen die Fähigkeit entwickeln, den europäischen Kontinent aus eigener Kraft heraus verteidigen zu können", sagte der CDU-Vorsitzende. "Da sind viele Dinge aufzuholen, die wir in den letzten Jahren gemeinsam versäumt haben - und daran orientieren wir uns."
Auf die Forderung von US-Präsident Donald Trump, dass die Nato-Staaten fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts ausgeben sollten, ging Merz nicht direkt ein, auch nicht auf die Äußerung seines Außenministers Johann Wadephul (CDU) dazu. Wadephul hatte sich bei einem Nato-Treffen in der Türkei öffentlich hinter die Forderung Trumps gestellt.

Gesetzgebungsverfahren: Merz schließt Zusammenarbeit mit AfD und Linke aus

Bei der Frage nach einer möglichen Modernisierung der Schuldenbremse will Merz zunächst mit der SPD reden. Es gebe in der Tat ein paar Themen wie die vom Bundesverfassungsgericht 2023 zementierte Jährigkeit und Jährlichkeit der Haushaltsführung, die man sich vornehmen könne, sagte der CDU-Vorsitzende.
Ob man darüber hinaus den Rahmen ausweiten werde, wisse er nicht. "Wir werden zunächst einmal darüber in der Koalition Entscheidungen treffen." Ob es dann in einem Gesetzgebungsverfahren die nötige Zweidrittel-Mehrheit gebe, müsse man sehen. Der Kanzler betonte:

Ich sehe uns nicht in Verhandlungen mit der Linkspartei oder mit der AfD über solche Entscheidungen.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

Alexander Hoffmann, CSU-Landesgruppenchef im Berlin-direkt-Studio
"Bei einer Verfahrensfrage" sei eine Zusammenarbeit mit der Linken möglich, "aber beim Inhalt definitiv nicht", sagte jüngst der neue CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann im ZDF.11.05.2025 | 2:50 min
Die CDU hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss für die Zusammenarbeit mit beiden Parteien.

Merz zu Migration: Grenzkontrollen stehen "auf sicherer Rechtsgrundlage"

Mit Blick auf die Migrationspolitik der neuen Bundesregierung betonte Merz, es gehe nun darum, in einer "gewissen Übergangszeit" zu versuchen, die Migrationszahlen "herunterzubringen". Merz zeigte sich sicher, dass man diese Entscheidung "auf einer sicheren Rechtsgrundlage" treffe.
Hintergrund ist das Vorhaben der Koalition mit zusätzlichen Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern gegen unerwünschte Migration vorzugehen. Aus Sicht von Kritikern sind Zurückweisungen vermutlich nicht mit EU-Recht vereinbar und zudem eine Gefahr für den eigentlich grenzkontrollfreien EU-Binnenmarkt.
Einsatzkräfte der Polizei stehen an der Grenze zur Tschechischen Republik und überwachen den Verkehr.
Bundeskanzler Merz hat in seiner Regierungserklärung den härteren Flüchtlingskurs verteidigt.14.05.2025 | 2:01 min
Merz sagte dazu, er wolle, dass die Grenzen für Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr offen blieben. Es geht laut Merz nicht darum, Grenzen zu schließen, aber:

Kontrollen an den Grenzen sind möglich, sie sind rechtlich zulässig und sie werden durchgeführt.

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

Merz sagte dabei auch, man müsse "gemeinsam in Europa" handeln, "um die europäischen Außengrenzen besser zu schützen".

Merz will bis Zwischenbilanz bis zur Sommerpause

Der Kanzler kündigte an, bereits bis zum Sommer eine Zwischenbilanz über umgesetzte Gesetzesvorhaben präsentieren zu wollen. "Wir werden in der nächsten Woche die ersten Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringen", sagte Merz.
Am 11. Juli sei die letzte Bundesratssitzung vor den Sommerferien. "Und ich möchte da, dass wir schon eine kleine Zwischenbilanz vorlegen können. Die ersten Entscheidungen sind getroffen", sagte er. Alles stehe unter dem Ziel, wieder Wachstum zu erreichen.
Maybrit Illner, Bundeskanzler Friedrich Merz
Eine erste "kleine Zwischenbilanz" will der neue Regierungschef schon zur letzten Bundesratssitzung vor den Sommerferien am 11. Juli vorlegen.15.05.2025 | 1:30 min
Quelle: ZDF, Reuters, dpa

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