Lobbyregister: Missachteten diese Ex-Politiker Lobbyregeln?
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Transparenz durch Lobbyregister:Missachteten diese Ex-Politiker Lobbyregeln?
von Nathan Niedermeier und Moritz Zajonz
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Für Lobbyismus in der Bundespolitik gelten Transparenzregeln. Doch ZDF-Recherchen zeigen: Selbst ehemalige Bundestagsabgeordnete missachteten offenbar die Regeln.
Fehlende Angaben im Lobbyregister können nach derzeitiger Gesetzeslage mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro bestraft werden. (Symbolbild)
Quelle: Colourbox.de
Das Lobbyregister des Bundestages soll den Lobbyismus in der Bundespolitik transparenter machen. Seit März 2024 gelten wegen einer Gesetzesverschärfung durch die Ampel-Regierung dafür strengere Regeln.
Eine ZDF-Recherche zeigt jetzt: Selbst manch ehemalige Bundestagsabgeordnete nehmen es mit den gesetzlichen Transparenzregeln nicht so genau.
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Ex-Abgeordneter als Berater tätig
Arno Klare war bis 2021 für die SPD im Bundestag, zuständig auch für die Flugindustrie. Heute ist er als Berater für den Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft tätig.
Im Interview mit ZDF frontal beschreibt er seine Tätigkeit so: "Ich kenne alle Leute, die das jetzt machen; also meine Nachfolgerin als Berichterstatterin Luftverkehr in der SPD-Bundestagsfraktion, die kenne ich ganz gut, mit der rede ich natürlich auch, auch mit der verkehrspolitischen Sprecherin." Der Verband zahle ihm Geld - reich werde er davon aber nicht, sagt Klare.
Seit dem 1. Januar 2022 gibt es auf Bundesebene ein Lobbyregister. Unternehmen, Verbände oder Initiativen sind durch das dazugehörige Lobbyregistergesetz verpflichtet, sich dort einzutragen, wenn sie regelmäßig Interessen gegenüber der Politik vertreten oder eine solche Interessensvertretung bei anderen beauftragen. Es gibt einige Ausnahmen von der Pflicht, beispielsweise für Anliegen, die nur sehr kleine lokale Interessen betreffen.
Die Ampelregierung hat das Gesetz verschärft, um für mehr Transparenz beim Lobbyismus zu sorgen. Seit dem 1. März 2024 müssen deshalb Lobbyorganisationen noch eine Reihe weiterer Angaben im Register machen, etwa zu welchen Gesetzen sie welche inhaltlichen Positionen vertreten und in wessen Auftrag sie lobbyieren.
Auch angegeben werden muss seitdem, ob die dort eingetragenen Lobbyisten innerhalb der letzten fünf Jahre in der Politik tätig waren. Konkret: Ob sie in dem Zeitraum Bundestagsabgeordnete oder sogar Minister oder Parlamentarische Staatssekretäre waren oder ob sie Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten, Fraktionen oder Ministerien und ihren zugehörigen Behörden waren.
Diese Angaben werden auch Angaben zum sogenannten Drehtüreffekt genannt, dem Wechsel zwischen Politik und Lobbyismus. Bei falschen, nicht vollständigen oder nicht aktuellen Angaben drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro gegen die betroffenen Lobbyverbände.
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete zählt damit zu denjenigen, die von der Politik in den Lobbyismus wechseln - der sogenannte Drehtür-Effekt. ZDF-Recherchen konnten auf Basis des Lobbyregisters insgesamt bei 73 Bundestagsabgeordneten einen solchen Seitenwechsel innerhalb der vergangenen fünf Jahre feststellen. Damit wurde einer von neun Abgeordneten, die in diesem Zeitraum aus dem Bundestag ausschieden, zu Lobbyisten.
Die Zahlen bilden jedoch nur den aktuellen Stand ab und auch nur für die Personen, zu denen gesetzeskonforme Angaben im Register gemacht werden. Wechseln Abgeordnete in den Lobbyismus, muss das im Lobbyregister eingetragen werden, auch mit der Information, wann sie aus dem Bundestag ausgeschieden sind.
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"Ich bin kein Lobbyist, ich bin der Dialogpartner"
ZDF-Recherchen zeigen aber, nicht immer ist das der Fall, so auch bei dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Arno Klare. Sein Name war im Lobbyregister nicht zu finden - bis zum 4. Juli 2025. Zuvor hatte ZDF frontal Klare in einem Interview darauf angesprochen, dass er nicht im Register eingetragen ist.
Klare hatte darin zunächst behauptet: "Ich bin es einfach deshalb nicht, weil mich die Kollegen aus dem Deutschen Bundestag anrufen und sagen: Sag mir mal was dazu. Und dann werde ich als Arno Klare angerufen. Und ich antworte auch als solcher." Und weiter: "Ich bin kein Lobbyist, ich bin der Dialogpartner".
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Die Sprecherin der Organisation Abgeordnetenwatch, Sarah Schönewolf, erklärt dazu gegenüber ZDF frontal: "Es geht nicht darum, ob jemand selbst anruft oder angerufen wird, sondern es geht darum, ob Interessenvertretung stattfindet. Und das ist in diesem Fall ganz klar gegeben. Also hätte Herr Klare im Lobbyregister stehen müssen."
Raus aus dem Bundestag, rein in die Lobby-Allianz
Weitere Beispiele sind die ehemaligen Bundestagsabgeordneten Oliver Grundmann und Bernd Westphal, die bis März Bundestagsabgeordnete waren - Bernd Westphal als wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, Oliver Grundmann als Umweltpolitiker für die Union. Seit April sind beide für eine Lobbyallianz tätig, die sich für das unterirdische Verpressen von CO2 einsetzt, sogenanntes Carbon Capture and Storage, kurz CCS.
Hinter der Allianz stehen Ölkonzerne wie ExxonMobil und Total Energies, der Zementhersteller Cemex, der Stahlhersteller Thyssenkrupp und auch der verstaatlichte Gazprom Germania Nachfolgekonzern SEFE. Im Lobbyregistereintrag der Allianz kamen die Namen Oliver Grundmann und Bernd Westphal nicht vor - bis zum 20. Juni.
Zuvor hatte ZDF frontal Bernd Westphal in einem Interview auf seine Tätigkeit für die Lobbyallianz angesprochen. Darin rechtfertigte er sich damit, noch keine Gespräche geführt zu haben: "Das sind Podiumsdiskussionen, das sind strategische Überlegungen die da getroffen werden, wie man den politischen Entscheidungsprozess begleitet."
Oliver Grundmann teilte ZDF frontal schriftlich mit, nachdem die Angaben eingetragen wurden: "Aus Gründen der Transparenz wurde ich - trotz Ehrenamtlichkeit - vorsorglich ins Lobbyregister eingetragen." Auf Nachfrage, warum zuvor die Angaben im Register fehlten, antwortete der ehemalige Unions-Bundestagsabgeordnete nicht.
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Bundestagsverwaltung prüft Einleitung von Verfahren
Die ZDF-Recherchen konnten neben weiteren ehemaligen Bundestagsabgeordneten auch bei ehemaligen Mitarbeitenden von Bundesbehörden oder Abgeordnetenbüros fehlenden Angaben im Lobbyregister feststellen.
Solche fehlenden Angaben im Lobbyregister können nach derzeitiger Gesetzeslage mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro bestraft werden. Bislang hatte die Bundestagsverwaltung 20 solcher Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und in sechs Fällen Bußgelder verhängt, teilte die Behörde auf Anfrage von ZDF frontal mit. Demnach wurden zwölf der Verfahren eingestellt und zwei laufen derzeit noch.
Ob die Bundestagsverwaltung aufgrund der ZDF-Recherchen weitere Verfahren eröffnen wird, ließ die Behörde auf Anfrage bislang offen, teilt jedoch mit, dass sie den "Hinweisen umfassend nachgeht und gegebenenfalls nach Prüfung der Einzelfälle Ordnungswidrigkeitenverfahren einleitet".
Quelle: ZDF
Mehr zu diesem Thema sehen Sie bei ZDF frontal am 15. Juli ab 21 Uhr.
Abgeordnetenwatch fordert stärkere Kontrolle
Aus Sicht von Abgeordnetenwatch sollte für das Lobbyregister eine unabhängige Kontrollbehörde mit mehr Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet werden, so wie in anderen Staaten, etwa Frankreich, Kanada oder Spanien. "Da gibt es solche Register, genau mit diesem Auftrag, wo auch richtig hingeguckt wird und eben nicht nur die Formalitäten überprüft werden", sagt Sarah Schönewolf.
In dem Register müssten dann auch alle Kontakte, die Abgeordnete zu Lobbyisten haben, vermerkt werden. Außerdem brauche es eine verbindliche Karenzzeit von drei Jahren, in der nicht in einen Lobby-Job gewechselt werden dürfe.
Lobbyismus ist ein Bestandteil politischer Entscheidungsprozesse in Demokratien. Er bezeichnet die Beeinflussung von politischen Entscheidungsprozessen durch Interessenvertreter.