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Drehtüreffekt im Bundestag:So viele Lobbyisten waren vorher in der Politik
von Nathan Niedermeier und Moritz Zajonz
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Mindestens 73 ehemalige Bundestagsabgeordnete machen aktuell Lobbyarbeit, die meisten von SPD und CDU/CSU. Auch hunderte Mitarbeiter sind gewechselt. Das zeigt eine ZDF-Recherche.
Im Lobbyregister des Deutschen Bundestages müssen Organisationen angeben, wer für sie im Bundestag Lobbyarbeit macht. Darunter sind auch zahlreiche ehemalige Abgeordnete.
Quelle: ddp
Vom Vertreter des Volkes zum Vertreter von Lobby-Interessen: ZDF-Recherchen zeigen erstmals, wie viele Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeitenden von ihrer politischen Tätigkeit in den Lobbyismus gewechselt sind.
Für die Recherchen hat das ZDF Daten des Lobbyregisters des Bundestages ausgewertet. Erfasst sind auch Mitarbeitende von Fraktionen und Ministerien sowie Mitarbeitende in der Bundesverwaltung wie Botschafter oder Abteilungsleiter in Ministerien, die in den vergangenen fünf Jahren zu Lobbyisten wurden. Es geht den Recherchen zufolge um insgesamt 565 Personen, darunter 73 Bundestagsabgeordnete.
[VERWENDEN AB: 15.07.2025] So viele Lobbyisten kommen aus der Politik
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Ehemalige Abgeordnete haben als Lobbyisten Vertrauensbonus
"Die früheren Abgeordneten, das waren Parteikollegen, das heißt, da ist eine große Vertrauensebene da", sagt Sarah Schönewolf, Sprecherin der Organisation Abgeordnetenwatch.
Das machten sich Lobbyverbände zunutze, sagt sie: "Diese Vertrautheit macht den Zugang für Unternehmen sehr viel einfacher."
Deswegen kaufen sich diese Unternehmen eben die ehemaligen Abgeordneten, um diese Vertrautheit zu haben.
Sarah Schönewolf, Abgeordnetenwatch
Ehemalige und aktuelle Minister im Lobbyregister
In den Daten sind auch vier ehemalige Ministerinnen und Minister erfasst. Darunter der ehemalige Finanzminister Heiko Maas (SPD), der inzwischen für die saarländische Stahlindustrie als Lobbyist im Register eingetragen ist. Die ehemalige Verteidigungsministerin und CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer lobbyiert inzwischen für Lotteriegesellschaften, also das staatliche Glücksspiel.
Seit dem 1. Januar 2022 gibt es auf Bundesebene ein Lobbyregister. Unternehmen, Verbände oder Initiativen sind durch das dazugehörige Lobbyregistergesetz verpflichtet, sich dort einzutragen, wenn sie regelmäßig Interessen gegenüber der Politik vertreten oder eine solche Interessensvertretung bei anderen beauftragen. Es gibt einige Ausnahmen von der Pflicht, beispielsweise für Anliegen, die nur sehr kleine lokale Interessen betreffen.
Die Ampelregierung hat das Gesetz verschärft, um für mehr Transparenz beim Lobbyismus zu sorgen. Seit dem 1. März 2024 müssen deshalb Lobbyorganisationen noch eine Reihe weiterer Angaben im Register machen, etwa zu welchen Gesetzen sie welche inhaltlichen Positionen vertreten und in wessen Auftrag sie lobbyieren.
Auch angegeben werden muss seitdem, ob die dort eingetragenen Lobbyisten innerhalb der letzten fünf Jahre in der Politik tätig waren. Konkret: Ob sie in dem Zeitraum Bundestagsabgeordnete oder sogar Minister oder Parlamentarische Staatssekretäre waren oder ob sie Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten, Fraktionen oder Ministerien und ihren zugehörigen Behörden waren.
Diese Angaben werden auch Angaben zum sogenannten Drehtüreffekt genannt, dem Wechsel zwischen Politik und Lobbyismus. Bei falschen, nicht vollständigen oder nicht aktuellen Angaben drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro gegen die betroffenen Lobbyverbände.
Die Ampelregierung hat das Gesetz verschärft, um für mehr Transparenz beim Lobbyismus zu sorgen. Seit dem 1. März 2024 müssen deshalb Lobbyorganisationen noch eine Reihe weiterer Angaben im Register machen, etwa zu welchen Gesetzen sie welche inhaltlichen Positionen vertreten und in wessen Auftrag sie lobbyieren.
Auch angegeben werden muss seitdem, ob die dort eingetragenen Lobbyisten innerhalb der letzten fünf Jahre in der Politik tätig waren. Konkret: Ob sie in dem Zeitraum Bundestagsabgeordnete oder sogar Minister oder Parlamentarische Staatssekretäre waren oder ob sie Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten, Fraktionen oder Ministerien und ihren zugehörigen Behörden waren.
Diese Angaben werden auch Angaben zum sogenannten Drehtüreffekt genannt, dem Wechsel zwischen Politik und Lobbyismus. Bei falschen, nicht vollständigen oder nicht aktuellen Angaben drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro gegen die betroffenen Lobbyverbände.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) war bis einen Tag vor ihrer Vereidigung selbst im Lobbyregister eingetragen, für eine Tochtergesellschaft des Energiekonzerns E.ON. Digitalminister Karsten Wildberger hingegen ist noch heute eingetragen, für den CDU-nahen Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU.
Damit gehört Wildberger zu einer Gruppe von mindestens 68 Abgeordneten und Mitarbeitenden, die trotz aktueller politischer Tätigkeit zugleich im Register als Lobbyisten eingetragen sind.
Jeder siebte Politiker von SPD und Union ist jetzt Lobbyist
Zahlenmäßig und im Verhältnis zur Größe der Fraktion wechselten am meisten Politikerinnen und Politiker von SPD und CDU/CSU in den vergangenen fünf Jahren in den Lobbyismus. Etwa jeder siebte ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD und Union ist aktuell als Lobbyist im Register eingetragen.
[VERWENDEN AB: 15.07.2025] So viele ehemalige Abgeordnete lobbyieren
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Verstoßen Ex-Politiker gegen gesetzliche Transparenzregeln?
Beim Lobbyregister ist zu bedenken: Die Daten zeigen nur das Hellfeld, nur das also, was tatsächlich gesetzeskonform eingetragen ist. Verantwortlich für die Einträge sind die Organisationen selbst.
Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro. Die ZDF-Recherchen legen bei mehreren Fällen nahe, dass Angaben trotz gesetzlicher Vorgabe nicht erfolgten, auch bei ehemaligen Bundestagsabgeordneten.
Abgeordnetenwatch fordert deshalb die Transparenz im Lobbyismus zu verschärfen: "Wir wünschen uns, dass jeder Lobbyist angibt, wann er mit Abgeordneten oder Regierungsvertretern Kontakt hatte und dass das ganz deutlich und transparent ist und damit auch das Vertrauen in die Politik langfristig gestärkt wird", sagt Schönewolf.
Lobby-Schwergewichte stecken Millionen von Euro in Lobbyarbeit
Nicht alle Lobby-Organisationen sind für das Ringen um politische Aufmerksamkeit gleich ausgestattet: Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) etwa hat in seinem letzten Geschäftsjahr 15,3 Millionen Euro für Lobbyarbeit im Bundestag bezahlt und liegt so mit großem Abstand auf Platz eins. Ein Drittel der Organisationen gibt dagegen weniger als 10.000 Euro aus. Im Mittel haben Organisationen etwa 180.000 Euro für Lobbyarbeit ausgegeben.
Schlagen Sie die Ausgaben der Organisationen auch selbst nach: In der folgenden Tabelle finden Sie beispielsweise Volkswagen, den Deutschen Bauernverband oder Caritas.
So viel Geld haben Organisationen für Lobbyarbeit ausgegeben
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Mit viel Geld lassen sich auch viele Lobbyisten bezahlen: Schließt man auch diejenigen ohne Drehtüreffekt ein, hat der Digitalverband Bitkom mit 210 Personen am meisten im Repertoire. Für den Fahrgastverband Pro Bahn zum Beispiel sind es fünf Personen.
Die Personen mit Drehtüreffekt bilden nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs ab. Insgesamt lassen sich den ZDF-Recherchen zufolge im Lobbyregister knapp 25.000 unterschiedliche Namen von Personen finden, die im Bundestag derzeit die Interessen von Organisationen vertreten.
Für die ZDF-Recherche zum Drehtüreffekt wurden Daten des Lobbyregisters des Bundestages mit Stand 4. Juli 2025, 18:31 Uhr berücksichtigt. Die Daten wurden mit Daten der Bundestagsverwaltung zusammengeführt, um Bundestagsabgeordnete zu Fraktionen zuzuordnen, da diese Informationen im Lobbyregister nicht eingetragen werden müssen. Zudem haben wir Daten aus manueller Recherche ergänzt.
Für Berechnungen und Angaben zum Drehtüreffekt wurden all diejenigen eingetragenen Interessensvertreter berücksichtigt, die innerhalb der letzten fünf Jahre (konkret zwischen 1. Juli 2020 und 4. Juli 2025) eine politische Tätigkeit beendet haben (Minister, Parlamentarische Staatssekretäre, Bundestagsabgeordnete, Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten oder Fraktionen sowie Mitarbeiter in der Bundesverwaltung wie Ministerien und ihren zugehörigen Behörden) und aktuell als Lobbyisten auf Bundesebene tätig sind. Personen, die im Rahmen von Praktikum oder Hospitation auftauchen, haben wir von der Analyse ausgeschlossen. Für den Zeitraum haben wir uns am Lobbyregistergesetz orientiert, das die Angaben zum Drehtüreffekt lediglich dann fordert, wenn die politische Tätigkeit nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Abgeordnete und Mitarbeiter, die aktuell gleichzeitig ihre politische Tätigkeit ausüben und als Lobbyisten im Register eingetragen sind, haben wir nur textlich erwähnt, da sie für den Drehtüreffekt im engeren Sinne - dem Wechsel von der Politik in die Lobbyarbeit - keine Rolle spielen.
Die Angaben im Lobbyregister zum Drehtüreffekt wurden auf Richtigkeit und Plausibilität hin überprüft und bei Unstimmigkeiten die betroffenen Personen und Organisationen zur Aufklärung und Richtigstellung kontaktiert.
Unklar ist, wie häufig die gesetzlichen Vorschriften zur Eintragung missachtet werden. Zudem birgt der Abgleich von Personennamen, die zudem über ein Freitextfeld ins Lobbyregister eingetragen werden, das Risiko von Tippfehlern oder Namensvarianten, sowie, identische Namen unterschiedlicher Personen als nur eine Person zu zählen. Die Angaben zu Abgeordneten haben wir stichprobenhaft händisch überprüft. Deshalb bleiben die Angaben dieser Recherche Mindestangaben.
Unklar ist, wie häufig die gesetzlichen Vorschriften zur Eintragung missachtet werden. Zudem birgt der Abgleich von Personennamen, die zudem über ein Freitextfeld ins Lobbyregister eingetragen werden, das Risiko von Tippfehlern oder Namensvarianten, sowie, identische Namen unterschiedlicher Personen als nur eine Person zu zählen. Die Angaben zu Abgeordneten haben wir stichprobenhaft händisch überprüft. Deshalb bleiben die Angaben dieser Recherche Mindestangaben.
Die Summe der Grafik "So viele Lobbyisten kommen aus der Politik" weicht von der Gesamtzahl der Personen mit Drehtüreffekt ab, die wir im Fließtext nennen: Annegret Kramp-Karrenbauer war keine Abgeordnete während ihrer Zeit als Verteidigungsministerin.
Redaktion: Robert Meyer
Mitarbeit: Tom Brieden
Design: Luca Zink (im Auftrag des ZDF)
Mitarbeit: Tom Brieden
Design: Luca Zink (im Auftrag des ZDF)
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