Lobbyismus im Bundestag: Bülowfordert vollständige Transparenz
Interview
Lobbyismus im Bundestag:Bülow: "Ich möchte vollständige Transparenz"
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Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow fordert mehr Transparenz für den Lobbyismus im Bundestag. Es ist eine Reaktion auf ZDF-Recherchen.
Marco Bülow war viele Jahre Bundestagsabgeordneter. Bis 2018 saß er für die SPD im Bundestag, dann trat er aus der Partei aus.
Quelle: ZDF
Wie einflussreich ist der Lobbyismus in der Bundespolitik und lauert hier eine Gefahr für die Demokratie? Darüber hat ZDF frontal mit Marco Bülow gesprochen, der 19 Jahre Abgeordneter im Bundestag war, davon 16 Jahre für die SPD. 2018 trat der Dortmunder aus der Partei aus. Als einen der Gründe nannte er damals, die SPD beuge sich häufig mächtigen Lobbyinteressen, die nur wenigen nützen würden.
Anlass des Interviews sind Recherchen von ZDF frontal, die zeigen, dass die SPD Lobbyverbänden exklusiven Zugang zu den Koalitionsverhandlungen im Bereich Klima und Energie verschafft hatte.
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ZDFheute: Herr Bülow, wie einflussreich ist der Lobbyismus in Berlin?
Marco Bülow:Als es noch kein Lobbyregister gab, wurde immer davon gesprochen, dass auf jeden Abgeordneten sechs Lobbyisten vielleicht kommen. Ich habe damals schon vermutet, es sind wahrscheinlich zehn. Und jetzt sieht man, es sind 45. Das ist auf jeden Fall schon mal eine Riesenzahl. Und die Summe, denke ich, wächst auch an.
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ZDFheute: Gibt es Lobbys in bestimmten Bereichen, die da besonders herausstechen als besonders einflussreich?
Bülow: Ja, es gibt auf jeden Fall Bereiche, wo der Lobbyismus, vor allem der Profit-Lobbyismus, eine große Rolle spielt, da wo es um viel Profit geht. Also im Energiebereich, Verteidigung - erst recht, wenn jetzt da sehr viel Gelder fließen -, Chemie, Gesundheit. Das sind so die Bereiche, wo man natürlich eine starke Lobby hat mit starken Einflussmöglichkeiten.
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ZDFheute: Ab wann wird denn Lobbyismus zum Problem?
Bülow: Erstmal ist es sogar richtig und wichtig, dass wir alle und natürlich auch die Organisationen ihre Interessen vertreten und die auch an die Politik bringen. Aber was sehr problematisch ist, dass es einige wenige gibt mit sehr viel Geld und sehr viel Einfluss.
Und auf der anderen Seite die anderen Interessen, die es ja eben auch gibt in dieser Gesellschaft, die meistens sogar mehrheitsfähig sind, die dann auf der Strecke bleiben, weil sie einfach nicht genug Leute und nicht genug Geld haben, diese Interessen an die Politik zu bringen. Und das ist das eigentliche Problem.
ZDFheute: Was bedeutet das dann, wenn einzelne wenige Lobbyverbände exklusiven Zugang zu Koalitionsverhandlungen haben?
Bülow: Man kann davon ausgehen, dass vor allen Dingen die Lobbys Verhandlungen und Koalitionsverträge ganz stark beeinflussen, die eh schon viel Geld und viel Einfluss haben und dann auch eben da ihr Wort machen.
Aber in der Demokratie sollten alle den gleichen fairen Zugang zu Entscheidung haben, zur Politik haben.
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Alle sollten eine Stimme haben, aber nicht nur bei der Wahl, sondern auch sonst. Ein Gemeinwohlinteresse kommt dann immer unter die Räder, wenn das nicht so ist, sondern wenn einige wenige über sehr viel Geld und über wichtige Entscheidungen hauptsächlich bestimmen.
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ZDFheute: Reicht das Lobbyregister aus, um den Lobbyismus im Bundestag transparent zu machen?
Bülow: Ich möchte eine vollständige Transparenz, nicht nur für die Lobby-Tätigkeit, also wer führt die aus und von wem wird er bezahlt, um welche Themen geht es. Sondern ich möchte auch, dass alles, was mit Lobby zu tun hat, von Spenden, Sponsoring, bezahlten Nebentätigkeiten, alles sich in einem großen Register, was sehr transparent für alle zugänglich ist, veröffentlicht wird und dass es eben sehr stark kontrolliert wird, und zwar von unabhängiger Stelle.
ZDFheute: Wie sähe diese Kontrolle aus?
Bülow: Da darf man nicht warten, bis irgendwo ein öffentlicher Fall bekannt wird. Sondern das muss natürlich schon per se kontrolliert werden und nicht nur in Stichproben, weil ansonsten macht diese Transparenz wenig Sinn.
Das Interview führte Nathan Niedermeier, Reporter bei ZDF frontal.