Nach dem TV-Duell: Es lagen "leise GroKo-Töne in der Luft"
Debatte bei "Lanz" zum TV-Duell:Zeh: Es lagen "leise GroKo-Töne in der Luft"
von Bernd Bachran
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Juli Zeh hatte das Gefühl, "die flirten miteinander". Für Anna Lehmann wirkte Olaf Scholz "giftig und angriffslustiger". Manfred Lütz sah Friedrich Merz sympathisch und locker.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 9. Februar 2025 in voller Länge. 09.02.2025 | 61:12 min
Die Kanzlerkandidaten der SPD und Union, Olaf Scholz und Friedrich Merz, trafen sich bei ARD und ZDF zu einem ersten TV-Duell vor der Bundestagswahl. Der Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, Frank Brettschneider, sagte:
Normalerweise können TV-Duelle keine Wahl entscheiden. Diesmal könnten sie aber einen wichtigen Beitrag leisten.
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Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationswissenschaft
Bei "Markus Lanz" sprachen Publizistinnen und Publizisten darüber, wie sie die jeweiligen Auftritte bei diesem TV-Duell wahrgenommen haben.
Olaf Scholz gibt sich siegesgewiss: Die Wahl sei noch nicht entschieden, die SPD werde in eine starke Position kommen. Friedrich Merz ist sicher: Die Union werde die Wahl gewinnen.09.02.2025 | 4:21 min
Juli Zeh: "Hatte was von einer Balzveranstaltung"
Die Schriftstellerin, Verfassungsrichterin und SPD-Mitglied, Juli Zeh, zeigte sich positiv überrascht.
Beide Kandidaten haben sich gut geschlagen, haben sachlich aber auch lebhaft argumentiert.
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Juli Zeh, Schriftstellerin und Verfassungsrichterin in Brandenburg
Die Schriftstellerin war der Meinung, der Schlagabtausch der beiden Politiker "hatte was von einer Balzveranstaltung. Ich hatte das Gefühl, die flirten auch miteinander." Für Juli Zeh lagen "leise GroKo-Töne in der Luft."
Beim Zwei-Prozent-Ziel der Nato sagt Scholz, man könne das nicht nebenbei finanzieren. Man müsse sagen, wer die Zeche bezahle. Merz setzt auf Wirtschaftswachstum und Einsparungen.09.02.2025 | 8:10 min
Ein Duell mit vertauschten Rollen?
Für die Leiterin des Parlamentsbüros der taz, Anna Lehmann, war es "ein Duell mit vertauschten Rollen". Eigentlich hätte Olaf Scholz derjenige sein müssen, der als erfahrener Staatsmann und Amtsinhaber auftritt und Friedrich Merz als sein Herausforderer, aber die Debatte sei genau andersrum verlaufen.
Friedrich Merz wirkte insgesamt staatstragender und lockerer, Olaf Scholz wirkte zuweilen giftig und angriffslustiger.
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Anna Lehmann, taz-Journalistin
Der Chefredakteur der NZZ Deutschland, Marc Felix Serrao, sah bei diesem TV-Duell keinen klaren Gewinner. "Wenn man das vergleicht mit der Debatte zwischen Joe Biden und Donald Trump, wo Biden quasi in den Abgrund gestürzt ist, das war es heute Abend nicht."
Serrao sah es ähnlich wie Anna Lehmann, "dass der Amtsinhaber nicht wie der Amtsinhaber wirkte, sondern wie ein ziemlich zerknirschter Herausforderer."
Kanzlerkandidat Merz hält den US-Präsidenten für berechenbar unberechenbar. Man müsse Trump ernst nehmen, sagt Kanzler Scholz. Es sei wichtig, in Grönland Präsenz zu zeigen.09.02.2025 | 5:22 min
Manfred Lütz: "Merz hat sich nicht provozieren lassen"
Psychotherapeut und Theologe Manfred Lütz fand Friedrich Merz überraschend sympathisch. "Sobald er redet, redet er sehr rhetorisch und wirkt nicht sehr sympathisch. Das war hier anders. Er blieb durchgehend locker, hat sich nicht provozieren lassen."
Manfred Lütz sah das gesamte Duell aus seiner Sicht, nämlich aus der eines Psychiaters. "Aus psychotherapeutischer Sicht müsste dieser Wahlkampf viel mehr über die Frage gehen, ob ein künftiger Kanzler in der Lage ist, psychologisch mit den Problemen fertig zu werden."
"Wenn ich Scholz heute erlebt habe, und ich stelle mir vor, der kommt mit seiner Aktentasche zu Donald Trump, der wird nicht ernst genommen. Während Merz als jemand, der früher mal in einem amerikanischen Unternehmen gearbeitet hat, der aus der Wirtschaft kommt, der fließend Englisch kann, glaube ich, eher eine deutsche Position vertreten kann."
Lütz weiter: "Ich glaube, bei den vielen Autokraten in der Welt ist die psychologische Fähigkeit eines Kanzlers, zum Beispiel Europa zusammenzuhalten, (wichtig). Scholz hat ein Kommunikationsproblem."
Scholz und Merz stimmten in der Außenpolitik in vielen Punkten überein. Es fehlten aber eigene Konzepte im Umgang mit Donald Trump, so USA-Korrespondent Elmar Theveßen. 09.02.2025 | 5:50 min
Wie wichtig ist Regierungserfahrung?
Immer wieder wird Friedrich Merz fehlende Regierungserfahrung vorgeworfen. Gerade aus der SPD kommen diese Stimmen. Marc Felix Serrao fand dieses Argument allerdings nicht stichhaltig. "Grundsätzlich würde ich sagen, ist was dran an der Erzählung: Je mehr Erfahrung, desto besser für so ein hohes Spitzenamt", sagte Serrao.
Aber niemand ist so lange in der Spitzenpolitik dabei wie Scholz. Und trotzdem hat er diese desaströse Bilanz. Trotzdem ist ihm die Regierung auseinandergeflogen. Also zumindest im Fall Scholz zieht das Argument Erfahrung als Bundespolitiker nicht.
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Marc Felix Serrao, Chefredakteur der NZZ Deutschland
Juli Zeh war der Meinung, dass es gar nicht unbedingt darauf ankommt, welche Person nun Kanzler wird, "sondern ich glaube, es wird davon abhängen, was für Koalitionen sich bilden können und ob die dann handlungsfähig sind. Ich kann mir das unter Merz und unter Scholz, sowohl als auch, vorstellen."
Die Schriftstellerin bemerkte skeptisch: "Wenn es jetzt wieder eine Dreierkonstellation wird, weil es nicht für eine GroKo reicht, dann wird das die Neuauflage der Ampel." Darauf Manfred Lütz empört: "Das wäre wirklich eine Katastrophe." Marc Felix Serrao: "Dann lieber eine Minderheitsregierung."
CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist der Wahlsieger der Bundestagswahl 2025. ZDFheute informiert über aktuelle Nachrichten, Daten, Reaktionen und Analysen.