Demografischer Wandel wird spürbar:Wo Kitas schließen, weil es zu wenig Kinder gibt
Die Geburtenraten sinken, Kitas müssen schließen. Der drohende Personalabbau von Erziehern in Sachsen-Anhalt sorgt bei Eltern für Proteste. Die Politik sucht nach Lösungen.
Kita-Plätze gelten als Mangelware. Zwar werden immer weniger Kinder geboren, was die Betreuungssituation an Orten entspannt, an denen es an Personal mangelt. Was steckt hinter dem Problem?
09.10.2025 | 2:44 min"Wir gehen gerade durch den zweiten Geburtenknick seit der Wende", berichtet Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne. Von 2021 bis 2024 sind die Geburten spürbar zurückgegangen. Kitas merken das zuerst.
Laut Statistischem Landesamt (StaLa) wurden im ersten Halbjahr 2025 knapp 152.000 Kinder betreut. Das waren im Vergleich zum Vorjahr schon knapp 2.700 Kinder weniger. Neun der 1.816 Kitas mussten deshalb schließen - Tendenz steigend.
Einstellungsstopp und Stundenkürzungen
"Aus Kitas ist zu hören", so Nadja Sonntag von der Elterninitiative Kitastrophe aus Halle, "dass es einen Einstellungsstopp gibt für die Azubis, denen man eigentlich versprochen hat, sie zu übernehmen. Eine Woche vor der Prüfung hieß es: 'Übrigens, können wir euch doch nicht übernehmen.'"
In NRW soll es eine Lockerung für die Betreuung in Kitas geben. Dann könnte eine Erzieherin 60 Kinder alleine betreuen. Erzieher und Eltern sind darüber entsetzt. Eine Petition soll das Vorhaben noch verhindern.
04.12.2024 | 2:38 minDoreen Siebernik von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) berichtet: "Der Geburtenrückgang führt dazu, dass viele Träger und Kommunen jetzt an die Arbeitsverträge der Erzieherinnen rangehen. Das heißt, sie kürzen die Stundenzahlen." Weiter sagt sie:
Eine Erzieherin, die jetzt in eine verpflichtende Teilzeit gepresst wird von möglicherweise 24 Wochenstunden, die kann ihr kleines Leben nicht mehr aufrechterhalten.
Doreen Siebernik, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
"Sie ist vielleicht Mutter von ein, zwei Kindern. Mieten sind teuer. Die Frage, können wir noch in Urlaub fahren, mal essen gehen, wird zu einer riesigen Herausforderung", sagt sie.
In Thüringen und anderswo müssen Kitas wegen zu weniger Kinder schließen. Wegen sinkender Geburtenraten suchen Einrichtungen nach neuen Konzepten für ihre Zukunft.
02.09.2025 | 1:42 minPersonalschlüssel in Kitas - eine Frage des Wohnortes?
900 Stellen sind laut Schätzung der Elterninitiative Kitastrophe in Gefahr. Was aus Sicht vieler Eltern ein Problem ist, könnte allerdings gleichzeitig eine Chance sein, denn: Viele Einrichtungen haben aktuell zu große Kindergruppen.
Würden die Kitagruppen verkleinert, könnten sich Erzieherinnen und Erzieher individueller um die Kinder kümmern. Seit Jahren ist der Krankenstand auf Höchstniveau - die Fachkräfte sind überlastet.
Es ist davon auszugehen, dass die Kitas in Sachsen-Anhalt aktuell ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen können.
Kathrin Bock-Formulla, Expertin der Bertelsmann-Stiftung für frühkindliche Bildung
Den viel diskutierten, schlechten Personalschlüssel will die Sozialministerin nicht anfassen:
Sie würden der demografischen Entwicklung mit einer Änderung des Personalschlüssels nicht gerecht werden. Denn die Landkreise verlieren unterschiedlich viele Kinderzahlen.
Petra Grimm-Benne, Sozialministerin Sachsen-Anhalt
Deutsche Kitas sind überlastet. Wegen Personalmangels droht Kinderbetreuung zu Aufbewahrung zu werden. Zeit für Erziehung und Bildung fehlt – eine Herausforderung für Erzieher.
15.10.2024 | 28:44 minIm ländlichen Raum, so die Ministerin, müsse man andere Vorsorgen treffen, kleinere Kitas erhalten, weil sonst die Wegstrecken zu lang würden und man die Versorgung für die Eltern nicht sicherstellen könne.
Demografiepauschale als Weg aus der Krise?
Die Ministerin setzt auf andere Instrumente wie die sogenannte "Demografiepauschale", um bedürftige Kommunen mit Finanzhilfen zu unterstützen. Nächstes Jahr könnten so 202 Erzieherinnen und Erzieher, im Jahr drauf 528 bezahlt werden. Insgesamt würden über den prognostizierten Geburtenknick bis 2033 rund 167 Millionen Euro aus Landesmitteln kommen.
"Ein guter erster Schritt, der aber nicht weitreichend und für einige Erzieher*innen zu spät kommen wird", fürchtet Nadja Sonntag von Kitastrophe. Nicole Anger, Kinder- und Jugendpolitik-Fachfrau der Fraktion die Linke zieht einen verbesserten Personalschlüssel vor, weil er "für alle mehr Planungssicherheit" bringen würde. Die Demografiepauschale steht bislang nur auf dem Papier, müsste erst noch vom Landtag verabschiedet werden.
Wer die Kita-Schließungen bislang als reines Ostproblem angesehen habe, sollte jetzt aufwachen, mahnt die GEW: "Der Geburtenrückgang schlägt jetzt im Osten auf. Über kurz oder lang wird er aber alle, auch alle westlichen Bundesländer treffen. In Hamburg sind schon Einrichtungen betroffen, in NRW sind Einrichtungen betroffen. Von daher, da erwartet uns noch eine Menge."
Lana Ulman berichtet aus dem ZDF-Studio in Sachsen-Anhalt.
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