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Unterwegs mit dem neuen Minister:Der freundliche Herr Wadephul
von Andreas Kynast
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Außenminister Johann Wadephul ist dabei, die deutsche Diplomatie neu auszurichten. Wie umfassend fällt kaum auf. Weil er so nett ist.
Übernimmt das Amt von Annalena Baerbock: Johann Wadephul.
Quelle: epa
Ob er nicht ein paar Minuten lang bleiben kann, fragen wir Johann Wadephul, weil er doch neu ist und weil wir doch mitgekommen sind, um ihn kennenzulernen. Wir sind vier Journalisten und sitzen im hinteren, für die "Begleitpresse" reservierten Teil des Regierungsfliegers.
Die Frage ist ein bisschen gemein. Wir wissen, dass die Zeit auf dem kurzen Flug nach Polen betonhart verplant ist, und dass Wadephul Nein sagen muss. Wir wissen aber auch, dass er das ungern tut.
Wadephul sagt ungern Nein
Wadephul wollte nur schnell die Flugbegleiter, die Sicherheitsleute und die Journalisten begrüßen und sich dann weiter auf seine Gespräche vorbereiten, aber wir haben ihn an der Angel. Wenn er auf dem Rückflug auf das Essen verzichte, sagt Wadephul, hätten wir zwanzig Minuten, das müsste gehen. "Dann würden Sie aber auch nichts kriegen. Einverstanden?" Klar.
Man kann sich schnell täuschen in Johann Walter David Rudolf Wadephul, 62, der so außergewöhnlich freundlich ist, dass es manchmal sogar schwer ist, ihn zu filmen. Weil es vorkommt, dass er, statt staatsmännisch durchs Bild zu schreiten, dem Fernsehmann zuwinkt und fragt, wie er geschlafen hat. Aber das ist nur die eine Seite.
Neue Nüchternheit im Außenamt
In seinen ersten Tagen im Auswärtigen Amt hat Johann Wadephul einen harten Schnitt gemacht. Die "grundnüchterne Prioritätensetzung", die der neue Hausherr im Auswärtigen Amt ankündigt, ist das Gegenteil der symbolreichen und oft bildhaften Politik, die Annalena Baerbock praktiziert hat. Wadephul will zurück zur "Konzentration auf das Wesentliche".
Deutsche Außenpolitik hat die Grundaufgabe, Kontakte auf der Welt zu knüpfen und zu pflegen. Und dies grundsätzlich auch mit denen, die in vielem anders denken als wir.
Johann Wadephul, Außenminister
Hart und schnell traf Wadephul seine ersten Entscheidungen. Nur Stunden nach seiner Ernennung versetzte er Baerbocks Staatssekretäre Susanne Baumann und Thomas Bagger in den einstweiligen Ruhestand. Statt von "feministischer Außenpolitik" spricht Wadephul von einer "Sicherheits-, Interessen- und wirtschaftsgeleiteten Außenpolitik."
Fünf Prozent für die Verteidigung
Wie entschlossen der freundliche Herr Wadephul vor allem die Stärkung der deutschen Verteidigungsfähigkeit vorantreibt, war zum ersten Mal auf dem Nato-Außenministertreffen in Antalya zu besichtigen. In überraschender Eindeutigkeit verkündete Wadephul, dass Deutschland der Forderung von US-Präsident Donald Trump folgen und fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben werde.
Das Ergebnis sind in der Tat die fünf Prozent, die Trump gefordert hat.
Johann Wadephul, CDU, Außenminister
Schon eine Sitzungspause später konnte er die Reaktionen auf den Nachrichtenseiten lesen: "Totaler Wahnsinn" (Linkspartei), "naiv" (Die Grünen), "komplett absurd" (AfD). Und auch der SPD gelang es nur beinahe, ihre Verärgerung wie einen sanften Tadel ("Nicht Vorpreschen") klingen zu lassen. Mit dem Urteil "Glatter Irrsinn" kaperte der Abgeordnete Ralf Stegner die Schlagzeilen.
Fehler oder Absicht?
Dabei müssten zumindest die Koalitionspartner wissen, dass die Fünf-Prozent-Ankündigung teurer klingt als sie ist - und nicht von Wadephul stammt. Es ist Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der die USA mit der von Trump geforderten Zahl beruhigen will. Aber: Rutte hat einen Buchungstrick eingebaut. Auch Investitionen in Straßen, Brücken oder Häfen sollen als Verteidigungsausgaben verrechnet werden - bis zu 1,5 Prozent. Das Zieldatum ist 2032.
Warum der neue Minister das nicht dazugesagt hat, ist eine berechtigte Frage. Anfängerfehler oder Draufgängerabsicht? Man darf sich nicht täuschen: Beides ist möglich.
Auf dem Rückflug aus Polen kam Wadephul, wie versprochen, noch einmal nach hinten und hat unsere Fragen beantwortet. Man darf aus solchen Hintergrundgesprächen leider nicht zitieren, aber das muss man sagen: Der Bundesminister des Auswärtigen meint das Neu-Ausrichten der deutschen Außenpolitik ernst. Er bringt es nur freundlich rüber.
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