Strukturwandel im Saarland:Ford geht - und was kommt jetzt?
von Susanne Freitag-Carteron
Abschiedswoche in Saarlouis. Nach 55 Jahren und fast 16 Millionen produzierten Fahrzeugen verlässt Ford den saarländischen Standort. Die Region zwischen Trauer und Hoffnung.
Aus für Ford Saarlouis. Es ist das Ende einer Ära in der saarländischen Autostadt. Und ein Symptom für den wirtschaftlichen Abstieg des ganzen Bundeslandes?
20.11.2025 | 2:54 minUnter dem Ford-Logo auf dem großen Parkplatz wackelt ein aufblasbarer Weihnachtsmann neben großen, roten Sternen und einer Lichterkette. Ein besonderer Weihnachtsmarkt für die Ford-Mitarbeiter. Abschied. Für immer. Für Stefan Hahn war Ford 23 Jahre lang "sein" Betrieb.
Diese Woche ist hart für ihn. Am Montag lief der letzte Ford Focus vom Band, Mitarbeiter haben darauf unterschrieben. Am Donnerstag war die allerletzte Betriebsversammlung. Stefan Hahn kämpft mit den Tränen. "Das Problem ist, jetzt weiß man, das Werk schließt wirklich. Und all diese Bilder, das letzte Auto, die letzte Unterschrift … das geht einem sehr nah. Ich habe gerne hier gearbeitet."
Umschulungen und Abfindungen für Ford-Mitarbeiter
Hahn wird weiter auf dem Ford-Gelände arbeiten. Er ist einer von 1.400 Mitarbeitern, die in eine Transfergesellschaft übernommen wurden. Er schult um zum Elektroniker für Automatisierungstechnik. Andere Kollegen sind mit einer Abfindung gegangen. Auf Teilen des Ford-Geländes will das Pharma-Unternehmen Vetter investieren.
Fast 50.000 Stellen weniger in der Autoindustrie innerhalb eines Jahres. Die Zahl der Beschäftigten erreicht den niedrigsten Stand seit 2011. Börsenexpertin Sina Mainitz berichtet.
20.11.2025 | 1:29 minFrüher war das Saarland ein reiches Kohle- und Stahlrevier. Dann kam das Aus, das Saarland wurde "Autoland". Als 1970 der erste Ford vom Band rollte, riefen sie eine neue Ära aus. Zulieferbetriebe kamen: ZF, Michelin, Schaeffler, Bosch.
Stellenabbau auch bei Automobil-Zulieferern
Doch dann kam die Automobilkrise. Schleichender Abbau, Verlagerung ins Ausland. Als Ford seine Pläne bekannt gab, gingen in Saarlouis Tausende auf die Straße: Mitarbeiter, aber auch Politiker aller Parteien, Einzelhändler, Bürger. Ford ging trotzdem. Seitdem hagelt es Hiobsbotschaften von Stellenkürzungen in den Zulieferbetrieben.
Die deutschen Autohersteller stecken in der Krise. Marktanteile gehen verloren genauso wie Arbeitsplätze. ZDFheute live analysiert was VW, BMW und Co. für ein Comeback tun können.
08.09.2025 | 29:06 minHoffnung sollten Neuansiedlungen machen. 2023 kamen der frühere Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Saarland, stellten sich vor ein altes Kraftwerk und hielten einen Chip der amerikanischen Firma Wolfspeed in die Kameras. Hochsymbolisch - aber ein Flop. Die Chipfabrik wird nicht gebaut. Auch der chinesische Batteriehersteller SVOLT baut keine moderne Batteriefabrik, wie angekündigt.
Es scheint sexy zu sein für Wirtschaftsminister in Gummistiefeln, irgendwo zu stehen, einen Spaten reinzurammen und zu sagen: 'Hier entsteht ein neues Unternehmen.'
Markus Thomas Münter, Professor für Volkswirtschaft
Schwerindustrie: Kriselnder Hauptarbeitgeber im Saarland
Markus Thomas Münter von der HTW Saar erklärt weiter: "Wir wissen aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive, dass es andere Faktoren sind, die Ansiedlung schaffen. Zum Beispiel Bürokratieabbau, eine gute Netzinfrastruktur und Digitalisierung."
Erfolgreiche Unternehmen in diesen Bereichen gibt es durchaus, aber die Schwerindustrie bleibt Hauptarbeitgeber im Saarland. Saarstahl investiert Milliarden in den Umbau hin zu grünem Stahl, der mit Wasserstoff produziert werden soll.
Ökonom: Grüner Stahl nur "Brückentechnologie"
"Stahl ist Zukunft" lautet ein beliebter Slogan der IG Metall. Doch er ist nicht realistisch, meint Münter. "In dem Moment, wo grüner Stahl nachgefragt wird, werden China oder Indien auch in der Lage sein, ihn zu sehr niedrigen Kosten zu produzieren, weil auch dort Wasserstoff einfacher und kostengünstiger zu erzeugen ist."
Daher sei grüner Stahl höchstens eine Brückentechnologie, die Deutschlands Stahlindustrie nicht dauerhaft erhalten könne, sagt Münter.
Der Stahlproduzent Dillinger Hütte im Saarland will ab 2027 grünen Stahl mit Wasserstoff und Elektroöfen produzieren. Damit sollen Arbeitsplätze gesichert werden. Das macht Hoffnung für die Region.
23.08.2025 | 3:27 minSaarlouis: Letzter Ford fürs Museum
Vom Ford-Weihnachtsmarkt kann man die qualmenden Hochöfen der Dillinger Hütte sehen. Stefan Hahn kommt an diesem Samstag mit der ganzen Familie vorbei, wie viele seiner Freunde und Kollegen auch. Nochmal Tschüss sagen. Dann ist Tag der offenen Tür im Werk, es gibt Führungen durch die verwaisten Produktionshallen.
Der letzte Ford wird dann an die Stadt Saarlouis übergeben, fürs Museum.
Susanne Freitag-Carteron leitet das ZDF-Studio in Saarbrücken.
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