Reform des Arbeitszeitgesetzes: Heute zwölf Stunden, morgen vier?
Reform der Arbeitszeiten:Heute zwölf Stunden arbeiten, morgen vier?
von Marie Ries
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Union und SPD wollen das Arbeitszeitgesetz reformieren. Statt täglicher Limits soll eine Wochenobergrenze kommen. Was bedeutet das für die Angestellten?
Für mehr Flexibilität plant die Bundesregierung die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit. 19.05.2025 | 1:46 min
"Mehr und vor allem effizienter arbeiten" - das hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in seiner Regierungserklärung von den Menschen in Deutschland gefordert. Eine Stellschraube für flexibleres Arbeiten laut Koalitionsvertrag: die Regelung von Arbeitszeiten. Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz liegt die erlaubte tägliche Höchstarbeitszeit bei acht Stunden. Das könnte sich bald ändern.
Bisher: Arbeitszeit pro Tage begrenzt
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Abweichungen von dieser Obergrenze sind möglich, wenn ein Ausgleich stattfindet - also, wenn innerhalb von sechs Monaten eine durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden pro Werktag nicht überschritten wird. Bis zu zehn Arbeitsstunden pro Tag sind unter dieser Vorgabe erlaubt.
Weitere Ausnahmen von der Acht-Stunden-Regel gelten für bestimmte Berufsgruppen, etwa im Gesundheitswesen. Ein Wochenschnitt von 48 Stunden darf jedoch nicht überschritten werden.
Die Bundesregierung will statt einer täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit einführen. Dazu eine Einschätzung von ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann. 19.05.2025 | 1:30 min
Das soll sich bei den Arbeitszeiten ändern
Nach Plänen von Union und SPD könnten Arbeitstage künftig auch deutlich länger als acht Stunden werden. Denn: Die Parteien wollen eine Obergrenze für die Arbeitszeit pro Woche einführen, entsprechend der Richtlinie der EU.
Die europäische Richtlinie sieht eine durchschnittliche Arbeitszeit von maximal 48 Stunden pro Woche vor. Über welchen Zeitraum der Schnitt berechnet wird, unterscheidet sich je nach Land. Eine tägliche Obergrenze wie nach geltendem deutschen Recht gibt die EU-Richtlinie nicht direkt vor. Sie definiert jedoch tägliche Ruhezeiten: mindestens elf Stunden ununterbrochene Ruhezeit pro Tag sind Pflicht.
Plan: Arbeitszeit pro Woche begrenzen
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Mit der Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit wollen die Regierungsparteien Arbeitszeiten flexibler machen. Beschäftigte dürften dabei nicht zu längeren Arbeitstagen gezwungen werden.
Das sagen Fachleute zur wöchentlichen Obergrenze
Der Experte Oliver Stettes vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht die Reformpläne positiv. "Wir werden Arbeitsstunden verlieren, weil mehr Leute in den Ruhestand gehen als nachrücken. Umso wichtiger ist es, Arbeitsstunden produktiv einzusetzen - und das gelingt am besten, wenn wir diese flexibler organisieren können", so Stettes. Dazu zähle, an einem Arbeitstag auch mal länger als zehn Stunden arbeiten zu können.
Fachkräftemangel und Digitalisierung erfordern innovative Arbeitsmodelle. Und beim Einzelnen wächst der Wunsch nach mehr Flexibilität und Freizeit.27.04.2024 | 29:44 min
Laut Koalitionsvertrag soll die Neuregelung auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen. Amélie Sutterer-Kipping, Expertin für Arbeitsrecht von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, sieht wöchentliche Höchstarbeitszeiten jedoch gerade unter diesem Gesichtspunkt kritisch:
Durch die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit werden Betreuungskonflikte nicht gelöst, sondern verschärft.
„
Dr. Amélie Sutterer-Kipping, Expertin für Arbeitsrecht der Hans-Böckler-Stiftung
Die Planbarkeit von Arbeitszeiten sei ein Schlüsselfaktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "Es droht der Effekt einer weiteren Verringerung der Erwerbsarbeit gerade bei Frauen", so Sutterer-Kipping.
Boomer vs. Gen Z: Lebenszeit genießen oder klare Work-Life-Balance? 30.03.2025 | 30:01 min
Die Union hatte im vergangenen Jahr bereits einen Antrag auf eine Neuregelung der Arbeitszeiten gestellt, war damit aber gescheitert. Dabei waren auch gesundheitliche Risiken Thema.
Nils Backhaus, Experte der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, unterstreicht hierbei die Bedeutung von Ruhepausen. Grundsätzlich könnten flexible Arbeitszeiten eine Chance für Betriebe und Beschäftigte sein, solange dabei ausreichend Erholung ermöglicht werde.
Die Deutschen arbeiten immer fleißig und effizient - oder? Eine internationale Umfrage zeigt, dass jedenfalls bei der Motivation am Arbeitsplatz andere Länder vorne liegen.
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"Arbeitswissenschaftliche und arbeitsmedizinische Erkenntnisse zeigen, dass lange tägliche Arbeitszeiten von über zehn Stunden mit einer Vielzahl negativer gesundheitlicher Effekte verbunden sind - sowohl kurzfristig als auch langfristig," so Backhaus. "Ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitszeit und Erholung ist daher wichtig."
Wie genau die neuen Regeln zur Höchstarbeitszeit aussehen sollen, ist noch offen. Das wollen Union und SPD mit Arbeitgebern und Gewerkschaften besprechen.