Russland setzt auf Zermürbung: Kiew steht vor Herausforderungen

Interview

Oberst Reisner zur Ukraine:Kiew unter Druck: "Russische Dampfwalze rollt"

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Russland erhöht den Druck auf die Ukraine - und setzt dabei auf eine Zermürbungstaktik. Das sei kein Zufall, erklärt Oberst Markus Reisner bei ZDFheute live.

Oberst Reisner zu Gast bei ZDFheute live.
Das Gespräch mit Oberst Reisner im Video.12.06.2025 | 21:45 min
Trotz internationaler Friedensbemühungen überzieht Russland die Ukraine mit verstärkten Drohnen- und Raketenangriffen. Die russische Strategie konzentriert sich nach Einschätzung von Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer dabei zunehmend auf eine Zermürbungstaktik.
Im Gespräch mit ZDFheute live betont er, dass das kein Zufall sei. Wenn man, so laut Reisner die strategischen Überlegungen in Moskau, den "schnellen Sieg nicht erreichen" kann, dann "müssen wir den Gegner wie eine Würgeschlange langsam erdrücken". Reisner betont:

Wir sehen jetzt in der neuen russichen Sommeroffensive, dass die russische Dampfwalze rollt.

Markus Reisner, Militärexperte der Militärakademie Wiener Neustadt

Allein im Mai dieses Jahres habe Russland es geschafft, "so viel Gebiet in Besitz zu nehmen, wie in keinem einzigen Monat seit dem Jahr 2022". Das zeige, wie prekär die Lage sei, so Reisner.
Timm Kröger zu Gast bei ZDFheute live.
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Russland zermürbt Ukraine: Taktik stellt Kiew vor Herausforderungen

Dabei wirkt die Taktik Russlands laut Reisner gegenwärtig auf mehreren Ebenen. Zum einen versuche Russland weiterhin, die kritische Infrastruktur der Ukraine "durch massive Drohnenangriffe und Angriffe mit Marschflugkörpern" zu zerstören.
Das Entscheidende sei gegenwärtig allerdings, dass Russland nun in die Sommeroffensive übergangenen sei. Man sehe mehrere "Angriffsschwergewichte", im Norden, im Zentralraum sowie im Süden. Russland nutze hier die "gering vorhandenen Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte und vor allem den Mangel an Soldaten aus".
Pistorius Ukraine Militärhilfen
Verteidigungsminister Pistorius (SPD) hat der Ukraine mehr Militärhilfen im Wert von 1,9 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Damit sollen auch Raketensysteme finanziert werden.12.06.2025 | 2:43 min
Reisner erklärt weiter, dass die russischen Streitkräfte "nach dem Erfolg der Operation bei Kursk die Initiative zurückgewonnen haben" und nun versuchten, "bei Sumy den Befehl des Präsidenten Putins umzusetzen, eine Pufferzone zu schaffen."

Die kommenden Wochen werden entscheidend dafür sein, ob die Ukraine in der Lage ist, den russischen Vormarsch zu stoppen oder gar zurückzudrängen.

Markus Reisner, Militärexperte der Militärakademie Wiener Neustadt

Oberst Reisner: Kiew fehlen Ressourcen

Der Krieg habe sich zunehmend zu einem "Abnutzungskrieg" entwickelt, so Reisner. Die Ukraine stehe dabei vor der Herausforderung, den ständigen Zulauf von Ressourcen sicherzustellen. Daher seien die Lieferungen aus dem Westen von großer Bedeutung. Hier merkt Reisner jedoch an:

Mark Rutte (Nato-Generalsekretär, Anm. d. Red.) hat vor Kurzem gesagt, dass das Problem darin besteht, dass Russland in drei Monaten das produziert, was die Nato in einem ganzen Jahr produziert.

Markus Reisner, Militärexperte der Militärakademie Wiener Neustadt

Diese Produktionsüberlegenheit ermögliche es Russland, den Druck auf die Ukraine langfristig aufrechtzuerhalten.
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Experte: Ukraine fehlt Personal

Die Ukraine stehe auch in Bezug auf Personal vor enormen Herausforderungen. Viele Einheiten seien "zunehmend ausgedünnt", lediglich zu 30 bis 40 Prozent besetzt, was die Verteidigung erschwere. Reisner weist darauf hin, dass dies "die Effektivität der Verteidigung erheblich beeinträchtige", da die Soldaten auf einzelne Stützpunkte verteilt seien.
Auch wenn westliche Lieferungen weiterhin von entscheidender Bedeutung seien, reichten diese nicht aus, um den Bedarf der Ukraine zu decken.Trotz dieser Taktiken bleibe offen, wie lange die Ukraine dem russischen Druck standhalten könne.

Die Frage ist nicht, wie lange Russland noch durchhalten kann, sondern wie lange die Ukraine durchhalten kann.

Markus Reisner, Militärexperte der Militärakademie Wiener Neustadt

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Quelle: ZDF

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